Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nachmittags
WIE
„Oder sollen wir lieber morgen früh noch mal telefonieren?“
Es ist viertel nach vier und nicht die Zeit, in der er sich auf der Höhe seiner Tagesform fühlt. Insofern auch passend für ein Telefonat, bei dem es mehr um Geplänkel als um Wichtiges geht. Aber das braucht er ihr am anderen Ende des Telefons ja nicht zu sagen. Also zieht er das Headset auf und geht in die kleine Teeküche, um sich einen Espresso zuzubereiten.
Nein, der frühe Morgen ist ihm zu wertvoll für ein längeres Telefonat. Morgens, das ist die Chance eines aufgeräumten Kopfes, eines freien Geistes wie ein Strand, der von der nächtlichen Flut aufgeräumt wird, glatt und übersichtlich, ohne irgendwelche Trittspuren. Nichts, was in eine bestimmte Richtung lenkt oder was man vor lauter Durcheinander nicht mehr sieht. Früh morgens, da kommen die passenden Ideen für etwas, über das man sich spät abends zuvor noch den Kopf zerbrochen hat.
Nachmittags hingegen ist der Strand genauso wie der Arbeitstisch aufgewühlt, von unzähligen Spuren gezeichnet. Ein Haufen voller unterschiedlicher Aktivitäten und Halbfertigem, bei dem der Blick für das Wichtigste verloren geht. Dieses Gefühl kommt vor allem in der Jahreshälfte, in der die Dämmerung bereits gegen halb fünf eintrifft und man sich überlegt, schon das Licht einzuschalten. Das heißt auch, sich damit abzufinden, dass der wichtigste Teil des Tages vorüber ist. Die Zeit, in der man darüber nachdenkt, was jetzt noch erledigt werden muss, bevor der Feierabend beginnt. Und auf der Straße und auf dem Nachhauseweg bedeutet es Berufsverkehr, volle Bürgersteige und Haltestellen, volle Geschäfte und Kassen.
Vielleicht bilde ich mir alles auch nur ein, fragt er sich. Vielleicht tue ich dem Nachmittag unrecht, vielleicht unterschätze ich ihn? Kann es nicht sein, dass andere es anders erleben? Sollte man den Nachmittagen nicht bessere Eigenschaften zuschreiben? Die Zeit der Ruhe, des Ausspannens, eine Zeit der Unaufgeregtheit, die Besinnlichkeit, in der man auftankt. Mit einer Tasse Tee, ein paar englischen Keksen, in einem Sessel? Wären das nicht bessere Dinge, die man mit Nachmittagen verbinden sollte?
Er nippt an seinem Espresso, gibt etwas mehr Zucker als sonst dazu und nimmt das Telefongespräch wieder auf: „Nein, vollkommen ok, lass uns jetzt telefonieren, passt mir total gut. Wie geht’s dir denn so?“
„Du frag mich nicht, mich machen diese dunklen Nachmittage völlig fertig.“ Ihre Stimme klingt alles andere als lebhaft. „Das ist wirklich nicht meine Tageszeit. Im Hochsommer, ok, aber nicht in der dunklen Jahreszeit. Geht es dir denn nicht so?“
„Und dann rufst du mich an, um mir das mitzuteilen?“, denkt er, sagt aber stattdessen: „Du, ich habe gerade noch darüber nachgedacht, ob Nachmittage nicht eine Zeit der Besinnlichkeit, des Bei-Sich-Seins, eine Zeit der Regeneration sein könnten?“
„Ach du Glücklicher, wenn du das so sehen kannst, geht mir nicht so“, antwortet sie trocken.
Texte zum Alltäglichen -
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Nachmittags
WIE
„Oder sollen wir lieber morgen früh noch mal telefonieren?“
Es ist viertel nach vier und nicht die Zeit, in der er sich auf der Höhe seiner Tagesform fühlt. Insofern auch passend für ein Telefonat, bei dem es mehr um Geplänkel als um Wichtiges geht. Aber das braucht er ihr am anderen Ende des Telefons ja nicht zu sagen. Also zieht er das Headset auf und geht in die kleine Teeküche, um sich einen Espresso zuzubereiten.
Nein, der frühe Morgen ist ihm zu wertvoll für ein längeres Telefonat. Morgens, das ist die Chance eines aufgeräumten Kopfes, eines freien Geistes wie ein Strand, der von der nächtlichen Flut aufgeräumt wird, glatt und übersichtlich, ohne irgendwelche Trittspuren. Nichts, was in eine bestimmte Richtung lenkt oder was man vor lauter Durcheinander nicht mehr sieht. Früh morgens, da kommen die passenden Ideen für etwas, über das man sich spät abends zuvor noch den Kopf zerbrochen hat.
Nachmittags hingegen ist der Strand genauso wie der Arbeitstisch aufgewühlt, von unzähligen Spuren gezeichnet. Ein Haufen voller unterschiedlicher Aktivitäten und Halbfertigem, bei dem der Blick für das Wichtigste verloren geht. Dieses Gefühl kommt vor allem in der Jahreshälfte, in der die Dämmerung bereits gegen halb fünf eintrifft und man sich überlegt, schon das Licht einzuschalten. Das heißt auch, sich damit abzufinden, dass der wichtigste Teil des Tages vorüber ist. Die Zeit, in der man darüber nachdenkt, was jetzt noch erledigt werden muss, bevor der Feierabend beginnt. Und auf der Straße und auf dem Nachhauseweg bedeutet es Berufsverkehr, volle Bürgersteige und Haltestellen, volle Geschäfte und Kassen.
Vielleicht bilde ich mir alles auch nur ein, fragt er sich. Vielleicht tue ich dem Nachmittag unrecht, vielleicht unterschätze ich ihn? Kann es nicht sein, dass andere es anders erleben? Sollte man den Nachmittagen nicht bessere Eigenschaften zuschreiben? Die Zeit der Ruhe, des Ausspannens, eine Zeit der Unaufgeregtheit, die Besinnlichkeit, in der man auftankt. Mit einer Tasse Tee, ein paar englischen Keksen, in einem Sessel? Wären das nicht bessere Dinge, die man mit Nachmittagen verbinden sollte?
Er nippt an seinem Espresso, gibt etwas mehr Zucker als sonst dazu und nimmt das Telefongespräch wieder auf: „Nein, vollkommen ok, lass uns jetzt telefonieren, passt mir total gut. Wie geht’s dir denn so?“
„Du frag mich nicht, mich machen diese dunklen Nachmittage völlig fertig.“ Ihre Stimme klingt alles andere als lebhaft. „Das ist wirklich nicht meine Tageszeit. Im Hochsommer, ok, aber nicht in der dunklen Jahreszeit. Geht es dir denn nicht so?“
„Und dann rufst du mich an, um mir das mitzuteilen?“, denkt er, sagt aber stattdessen: „Du, ich habe gerade noch darüber nachgedacht, ob Nachmittage nicht eine Zeit der Besinnlichkeit, des Bei-Sich-Seins, eine Zeit der Regeneration sein könnten?“
„Ach du Glücklicher, wenn du das so sehen kannst, geht mir nicht so“, antwortet sie trocken.