Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Morgen vielleicht
WIE
Eigentlich kannte man sich schon vom Grüßen auf der Straße, schließlich wohnten sie nur vier Häuser weiter. Doch erst bei einem zufälligen Treffen auf einer Ausstellungseröffnung war es dazu gekommen, sich für ein kleines Treffen im Garten zu verabreden. Zumindest in den nächsten Wochen einen Termin ins Auge zu fassen. Oder schon Morgen vielleicht? Aber ein Blick in den Kalender verriet, mehr Zeit ist in zwei, drei Wochen, da stand noch nicht so viel an.
Drei Monate später ist es so weit, endlich klingeln sie mit einer Flasche guten Rotweins in der Hand an der Tür der Nachbarn. Nach einem kurzen Begrüßungstrunk folgt die neugierige Begehung des Hauses. Bei der Einteilung und dem Grundriss, bei der Anlage des Gartens und der Terrasse finden sich viele Gemeinsamkeiten. Doch auch beim Thema, das noch so zu machen wäre, ist man sich einig.
„Endlich mal einen anständigen Terrassenboden statt dieser schiefen Steinplatten, endlich mal eine neue vernünftige Markise, endlich die Glyzinien zurückschneiden, mehr Licht, mehr Luft ...“.
Und drinnen geht es weiter: Endlich ein eigenes Arbeitszimmer für sie, ein Platz für die Nähmaschine, um die vielen Ideen fürs Nähen umzusetzen. Und ein eigenes Arbeitszimmer für Ihn, für die Bücher, Kataloge, die Plattensammlungen und vor allem für die Gitarren, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben.
Oder vielleicht doch die eine oder andere schon mal verkaufen, per Ebay.
„Warum nicht gleich morgen?“, schlägt sie vor.
"Oder doch besser morgen erst mal ins schwedische Möbelhaus nach Arbeitsplatten schauen, schlägt er vor.
Doch die meisten Vorhaben sind an weitere Änderung gebunden: da ist von der Arbeitszeitreduzierung die Rede, bevor es dann endgültig in den Ruhestand geht. Von mehr Zeit, die man haben wird, wenn die Enkel erst mal in die Schule gehen und die Knie-Operation überstanden und der Verkauf des Elternhauses abgeschlossen sind.
„Bei uns sieht es zu Hause nicht viel anders aus“, heißt es bei uns. Auch hier steht die Entrümpelung des Kellers an, um den lang ersehnten Hobbys nachkommen zu können. Und auch hier müssen noch viele Dinge aus der Zeit, als die Kinder noch im Haus waren, verkauft oder entsorgt werden. Doch im Laufe des Abends bezweifeln die Frauen, ob ein „Morgen vielleicht“ ausreicht, all diese Vorhaben umzusetzen.
„Morgen ganz bestimmt“, beantworten beide Männer diese Zweifel.
Zumindest was die Absicht betrifft, morgen schon mal im Internet nach Ausbauideen Ausschau zu halten und die Angebote der Heimwerkermärkte zu studieren. Und überhaupt, nach dem dritten Glas Wein, steigt die Überzeugung, mit dem Versprechen, „morgen ganz bestimmt“ die Arbeiten so gut wie erledigt zu haben.
Die Themen wechseln noch an diesem Abend, irgendwann landen sie beim Klimawandel und glücklicherweise besteht Einigkeit darüber, dass die Versprechen bei nationalen und internationalen Zusammentreffen nicht ausreichen, wenn man nur Ziele für die Zukunft 2035 oder auch 2050 festlegt. Schließlich ist es ein Irrtum, ein Problem sei gelöst, nur weil der Entschluss gefasst wird, im nächsten Jahr oder in den nächsten Jahre etwas umsetzen zu wollen.
Auf jeden Fall aber steht möglichst bald ein Gegenbesuch an.
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Morgen vielleicht
WIE
Eigentlich kannte man sich schon vom Grüßen auf der Straße, schließlich wohnten sie nur vier Häuser weiter. Doch erst bei einem zufälligen Treffen auf einer Ausstellungseröffnung war es dazu gekommen, sich für ein kleines Treffen im Garten zu verabreden. Zumindest in den nächsten Wochen einen Termin ins Auge zu fassen. Oder schon Morgen vielleicht? Aber ein Blick in den Kalender verriet, mehr Zeit ist in zwei, drei Wochen, da stand noch nicht so viel an.
Drei Monate später ist es so weit, endlich klingeln sie mit einer Flasche guten Rotweins in der Hand an der Tür der Nachbarn. Nach einem kurzen Begrüßungstrunk folgt die neugierige Begehung des Hauses. Bei der Einteilung und dem Grundriss, bei der Anlage des Gartens und der Terrasse finden sich viele Gemeinsamkeiten. Doch auch beim Thema, das noch so zu machen wäre, ist man sich einig.
„Endlich mal einen anständigen Terrassenboden statt dieser schiefen Steinplatten, endlich mal eine neue vernünftige Markise, endlich die Glyzinien zurückschneiden, mehr Licht, mehr Luft ...“.
Und drinnen geht es weiter: Endlich ein eigenes Arbeitszimmer für sie, ein Platz für die Nähmaschine, um die vielen Ideen fürs Nähen umzusetzen. Und ein eigenes Arbeitszimmer für Ihn, für die Bücher, Kataloge, die Plattensammlungen und vor allem für die Gitarren, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben.
Oder vielleicht doch die eine oder andere schon mal verkaufen, per Ebay.
„Warum nicht gleich morgen?“, schlägt sie vor.
"Oder doch besser morgen erst mal ins schwedische Möbelhaus nach Arbeitsplatten schauen, schlägt er vor.
Doch die meisten Vorhaben sind an weitere Änderung gebunden: da ist von der Arbeitszeitreduzierung die Rede, bevor es dann endgültig in den Ruhestand geht. Von mehr Zeit, die man haben wird, wenn die Enkel erst mal in die Schule gehen und die Knie-Operation überstanden und der Verkauf des Elternhauses abgeschlossen sind.
„Bei uns sieht es zu Hause nicht viel anders aus“, heißt es bei uns. Auch hier steht die Entrümpelung des Kellers an, um den lang ersehnten Hobbys nachkommen zu können. Und auch hier müssen noch viele Dinge aus der Zeit, als die Kinder noch im Haus waren, verkauft oder entsorgt werden. Doch im Laufe des Abends bezweifeln die Frauen, ob ein „Morgen vielleicht“ ausreicht, all diese Vorhaben umzusetzen.
„Morgen ganz bestimmt“, beantworten beide Männer diese Zweifel.
Zumindest was die Absicht betrifft, morgen schon mal im Internet nach Ausbauideen Ausschau zu halten und die Angebote der Heimwerkermärkte zu studieren. Und überhaupt, nach dem dritten Glas Wein, steigt die Überzeugung, mit dem Versprechen, „morgen ganz bestimmt“ die Arbeiten so gut wie erledigt zu haben.
Die Themen wechseln noch an diesem Abend, irgendwann landen sie beim Klimawandel und glücklicherweise besteht Einigkeit darüber, dass die Versprechen bei nationalen und internationalen Zusammentreffen nicht ausreichen, wenn man nur Ziele für die Zukunft 2035 oder auch 2050 festlegt. Schließlich ist es ein Irrtum, ein Problem sei gelöst, nur weil der Entschluss gefasst wird, im nächsten Jahr oder in den nächsten Jahre etwas umsetzen zu wollen.
Auf jeden Fall aber steht möglichst bald ein Gegenbesuch an.