Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Morgen vielleicht
RAU
Diese beiden Wörter lösen heftiges Unbehagen bei ihr aus. Sofort fallen ihr Leute ein, die so etwas entweder als leicht schüchterne Frage formulieren oder im Brustton der Überzeugung von sich geben. Bei mir geht heute gar nichts mehr, bin viel zu beschäftigt, egal ob Freund, Ehepartner, Sprechstundenhilfe oder Autoschrauber.
Morgen alleine ist schon meist unbefriedigend und erinnert an früher, wenn Mutter sie trösten wollte. Morgen regnet es nicht mehr, morgen kommt der Papa, morgen ist der Knatsch mit der Freundin schon Schnee von gestern. Papperlapapp, meist ist es genauso gekommen, wie befürchtet. Mit der Freundin war tagelang Funkstille, Papa hatte wieder eine Ausrede gefunden und sie nicht abgeholt, naja und an das Wetter früher kann sie sich ehrlich gesagt nicht mehr so genau erinnern. Aber an alles andere noch sehr genau. Morgen hieß immer vertrösten, und das mochte sie nicht.
Was das andere Wort betrifft, vielleicht, das ist noch schlimmer. Das sowieso schon ungeliebte Aufschieben auf den nächsten Tag wird damit auch noch in Frage gestellt. Geht’s noch? Warum bitteschön gibt es keine klaren Ansagen? Warum fällt es so schwer zu sagen, am Samstag habe ich Zeit?
Wie sich ihr sämtliche Nackenhaare aufstellen bei der Kombination dieser beiden Wörter! Dabei geht es nämlich um Zeit, um ihre Zeit, über die ihr Gegenüber ganz selbstverständlich mitverfügt. Also geht es um Macht, bei der sie die Schwächere ist. Das fühlt sich nicht gut an.
Aber geht es nicht auch um soviel mehr? Ob ihr Wagen nun morgen oder übermorgen Woche repariert oder der Untersuchungstermin erst nächste Woche sein wird, lässt sich ja noch verschmerzen, aber was ist mit wirklich wichtigen Themen? Politik, Wirtschaft, Klima!!!!! Wie oft wird in diesen Bereichen genau danach geredet und gehandelt. Morgen vielleicht. Der letzten Generation müssen diese beiden Wörter wie Hohn erscheinen, und sind doch nur tragischer, tagtäglicher Alltag.
Und da fasst sie sich jetzt auch selbst an der Nase, was ist denn mit ihren lieben Vorhaben? Gesünder leben, weniger Fleisch und weniger Süßes essen, seltener Duschen, weniger unterwegs sein? Muss sie wirklich im Winter in die Wärme fliegen, selbst wenn sie den Flug klimaneutral ausgleicht? Immer findet sie eine Erklärung, dass sie jetzt doch ein Steak braucht und ein heißes Bad und für die Seele mehr Licht. Ab Morgen vielleicht überlegt sie es sich anders, wenn sie mehr Kraft dafür haben wird. Aber wird sie es dann wirklich auch tun?
Und dreht es sich mit der Macht in diesen wirklich wichtigen Bereichen nicht einfach um? Noch denken wir, wir können alles wie gewohnt weitermachen und haben alles im Griff, aber hat nicht der Planet doch die größere Macht und schlägt brutal zurück? Uns dämmert, was zu tun wäre, und lügen uns doch in die Tasche mit diesem unseligen ‚vielleicht morgen‘.
Tja, und jetzt fasst sie sich aber ganz fest an die Nase und wird still, sie st ja auch nicht anders als die anderen.
Texte zum Alltäglichen -
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Morgen vielleicht
RAU
Diese beiden Wörter lösen heftiges Unbehagen bei ihr aus. Sofort fallen ihr Leute ein, die so etwas entweder als leicht schüchterne Frage formulieren oder im Brustton der Überzeugung von sich geben. Bei mir geht heute gar nichts mehr, bin viel zu beschäftigt, egal ob Freund, Ehepartner, Sprechstundenhilfe oder Autoschrauber.
Morgen alleine ist schon meist unbefriedigend und erinnert an früher, wenn Mutter sie trösten wollte. Morgen regnet es nicht mehr, morgen kommt der Papa, morgen ist der Knatsch mit der Freundin schon Schnee von gestern. Papperlapapp, meist ist es genauso gekommen, wie befürchtet. Mit der Freundin war tagelang Funkstille, Papa hatte wieder eine Ausrede gefunden und sie nicht abgeholt, naja und an das Wetter früher kann sie sich ehrlich gesagt nicht mehr so genau erinnern. Aber an alles andere noch sehr genau. Morgen hieß immer vertrösten, und das mochte sie nicht.
Was das andere Wort betrifft, vielleicht, das ist noch schlimmer. Das sowieso schon ungeliebte Aufschieben auf den nächsten Tag wird damit auch noch in Frage gestellt. Geht’s noch? Warum bitteschön gibt es keine klaren Ansagen? Warum fällt es so schwer zu sagen, am Samstag habe ich Zeit?
Wie sich ihr sämtliche Nackenhaare aufstellen bei der Kombination dieser beiden Wörter! Dabei geht es nämlich um Zeit, um ihre Zeit, über die ihr Gegenüber ganz selbstverständlich mitverfügt. Also geht es um Macht, bei der sie die Schwächere ist. Das fühlt sich nicht gut an.
Aber geht es nicht auch um soviel mehr? Ob ihr Wagen nun morgen oder übermorgen Woche repariert oder der Untersuchungstermin erst nächste Woche sein wird, lässt sich ja noch verschmerzen, aber was ist mit wirklich wichtigen Themen? Politik, Wirtschaft, Klima!!!!! Wie oft wird in diesen Bereichen genau danach geredet und gehandelt. Morgen vielleicht. Der letzten Generation müssen diese beiden Wörter wie Hohn erscheinen, und sind doch nur tragischer, tagtäglicher Alltag.
Und da fasst sie sich jetzt auch selbst an der Nase, was ist denn mit ihren lieben Vorhaben? Gesünder leben, weniger Fleisch und weniger Süßes essen, seltener Duschen, weniger unterwegs sein? Muss sie wirklich im Winter in die Wärme fliegen, selbst wenn sie den Flug klimaneutral ausgleicht? Immer findet sie eine Erklärung, dass sie jetzt doch ein Steak braucht und ein heißes Bad und für die Seele mehr Licht. Ab Morgen vielleicht überlegt sie es sich anders, wenn sie mehr Kraft dafür haben wird. Aber wird sie es dann wirklich auch tun?
Und dreht es sich mit der Macht in diesen wirklich wichtigen Bereichen nicht einfach um? Noch denken wir, wir können alles wie gewohnt weitermachen und haben alles im Griff, aber hat nicht der Planet doch die größere Macht und schlägt brutal zurück? Uns dämmert, was zu tun wäre, und lügen uns doch in die Tasche mit diesem unseligen ‚vielleicht morgen‘.
Tja, und jetzt fasst sie sich aber ganz fest an die Nase und wird still, sie st ja auch nicht anders als die anderen.