Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
WIE
Früher zu Hause wurde nicht viel über Heimat gesprochen. Heimat gehörte in die Welt von Schlagersendungen, Heimat- und Schützenvereinen.
In den ersten fünf Lebensjahren hätte Düsseldorf meine Heimat sein können, genauer die Straßen und Häuserblöcke zwischen Polizeipräsidium, Hafen und Schwanenspiegel. Hier war ich als kleines Kind unterwegs. Ob es schön war, weiß ich nicht, es war eben da, wo wir wohnten. Doch meine Eltern wollten möglichst schnell wegziehen, die Straßen waren laut und die Wohnung eng, Grün gab es nur an Spielplätzen und sonntags auf der Rheinwiese.
Mit dem Umzug aufs Land in einen kleinen Ort sollte alles besser werden. Dieser Ort sollte jetzt die Heimat werden. Und eine der vielen Neubausiedlung hieß tatsächlich „Neue Heimat“. Wir wohnten auf der anderen Seite des Ortes, aber irgendwie wohnten wir jetzt alle in der neuen Heimat. Und die Alteingessenen des Ortes wussten nun wahrscheinlich nicht mehr, ob das noch ihre Heimat war. Denn der kleine Ort wuchs und wuchs, alles änderte sich ständig. Die Post, das Rathaus und die Kirche wurden durch neue und größere ersetzt. Das Ortszentrum wurde an eine andere Stelle verlegt und neu eingeweiht. Neben der alten Schule wurden zwei neue, neben dem Bolzplatz ein Sportplatz gebaut, und der Kirmesplatz wurde immer wieder an eine andere Stelle verdrängt. Die einstige Ortsmitte lag nun am Rand, und wo zuvor gar nichts war, außer Wiesen und Acker, war jetzt die Neue Mitte.
Meine eigene Heimat aus dieser Zeit bestand vor allem aus einem langem Feldweg, auf dem es nach Kamille roch und Feldlärchen sangen. Der einspurige Weg führte zum Baggerloch, wo wir die Sommer verbrachten und schwimmen lernten. Heute ist dort, wo der Feldweg war, eine Autobahn, und auf dem Baggerloch befindet sich ein Autobahnkreuz. Dieser Teil der Heimat ist schon mal weg.
Wenn andere von ihrer Heimat erzählen, versuche ich zu ergründen, wo ich Heimat spüre. Und mir kommen plötzlich Stimmen von Sprecher-Innen im Radio in den Sinn, bestimmte Sendungen zu bestimmten Zeiten, viel Musik, Popgruppen aus dem Radio und später live in der Region. Manchmal ist es auch nur der Verkehrsfunk mit seinen Staumeldungen und den Autobahnkreuzen, Abfahrten und Ortsnamen, in deren Nähe ich früher wohnte, die die meisten nur über den Verkehrsfunk kennen.
Und dann suche ich noch nach Besonderheiten meiner Heimat, die es sonst nirgendwo gibt. Aber es sind dann doch nur Kleinigkeiten wie überall. Orte, Plätze und Stellen, die nur etwas Besonderes sind, weil es meine Straßenbahnen, Busse, Haltestellen, Parkbänke, Schulhöfe, Sportplätze sind. Stellen, an denen ich erkenne, das es doch Heimat war. Weil mir sofort auffällt, wie sich alles geändert hat und anders aussieht, andere Geschäfte, andere Häuser, andere Bäume, anderer Asphalt. Doch manchmal ist alles noch genauso geblieben wie vor fünfzig Jahren. Ist das dann wirkliche, echte Heimat? Vielleicht, aber meistens sind diese Stellen leider heute doch ziemlich runtergekommen.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
WIE
Früher zu Hause wurde nicht viel über Heimat gesprochen. Heimat gehörte in die Welt von Schlagersendungen, Heimat- und Schützenvereinen.
In den ersten fünf Lebensjahren hätte Düsseldorf meine Heimat sein können, genauer die Straßen und Häuserblöcke zwischen Polizeipräsidium, Hafen und Schwanenspiegel. Hier war ich als kleines Kind unterwegs. Ob es schön war, weiß ich nicht, es war eben da, wo wir wohnten. Doch meine Eltern wollten möglichst schnell wegziehen, die Straßen waren laut und die Wohnung eng, Grün gab es nur an Spielplätzen und sonntags auf der Rheinwiese.
Mit dem Umzug aufs Land in einen kleinen Ort sollte alles besser werden. Dieser Ort sollte jetzt die Heimat werden. Und eine der vielen Neubausiedlung hieß tatsächlich „Neue Heimat“. Wir wohnten auf der anderen Seite des Ortes, aber irgendwie wohnten wir jetzt alle in der neuen Heimat. Und die Alteingessenen des Ortes wussten nun wahrscheinlich nicht mehr, ob das noch ihre Heimat war. Denn der kleine Ort wuchs und wuchs, alles änderte sich ständig. Die Post, das Rathaus und die Kirche wurden durch neue und größere ersetzt. Das Ortszentrum wurde an eine andere Stelle verlegt und neu eingeweiht. Neben der alten Schule wurden zwei neue, neben dem Bolzplatz ein Sportplatz gebaut, und der Kirmesplatz wurde immer wieder an eine andere Stelle verdrängt. Die einstige Ortsmitte lag nun am Rand, und wo zuvor gar nichts war, außer Wiesen und Acker, war jetzt die Neue Mitte.
Meine eigene Heimat aus dieser Zeit bestand vor allem aus einem langem Feldweg, auf dem es nach Kamille roch und Feldlärchen sangen. Der einspurige Weg führte zum Baggerloch, wo wir die Sommer verbrachten und schwimmen lernten. Heute ist dort, wo der Feldweg war, eine Autobahn, und auf dem Baggerloch befindet sich ein Autobahnkreuz. Dieser Teil der Heimat ist schon mal weg.
Wenn andere von ihrer Heimat erzählen, versuche ich zu ergründen, wo ich Heimat spüre. Und mir kommen plötzlich Stimmen von Sprecher-Innen im Radio in den Sinn, bestimmte Sendungen zu bestimmten Zeiten, viel Musik, Popgruppen aus dem Radio und später live in der Region. Manchmal ist es auch nur der Verkehrsfunk mit seinen Staumeldungen und den Autobahnkreuzen, Abfahrten und Ortsnamen, in deren Nähe ich früher wohnte, die die meisten nur über den Verkehrsfunk kennen.
Und dann suche ich noch nach Besonderheiten meiner Heimat, die es sonst nirgendwo gibt. Aber es sind dann doch nur Kleinigkeiten wie überall. Orte, Plätze und Stellen, die nur etwas Besonderes sind, weil es meine Straßenbahnen, Busse, Haltestellen, Parkbänke, Schulhöfe, Sportplätze sind. Stellen, an denen ich erkenne, das es doch Heimat war. Weil mir sofort auffällt, wie sich alles geändert hat und anders aussieht, andere Geschäfte, andere Häuser, andere Bäume, anderer Asphalt. Doch manchmal ist alles noch genauso geblieben wie vor fünfzig Jahren. Ist das dann wirkliche, echte Heimat? Vielleicht, aber meistens sind diese Stellen leider heute doch ziemlich runtergekommen.