Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einfach per Zufall
RAU
Konrad denkt also, dass es mich gibt. Charlotte dagegen ist sich nicht so sicher, na danke auch. Ich muss zugeben, dass ich gerade lausche, spät am Abend im Wohnzimmer der beiden. Macht man nicht, muss aber jetzt sein. Bin einfach neugierig, was sie über mich denken. Dort führen sie gerade ihr Gespräch vom Abendessen lautstark weiter. Seltsam, dass sie nicht aufhören können. Aber es geht um ihre Kinder, um Anna, Felix und Cara, warum sie jetzt machen, was sie tun. Da werden Eltern bekanntlich gerne leidenschaftlich. Warum sich Cara auf Straßen festklebt, warum sich Felix seit mindestens drei Monaten nur noch sporadisch meldet und sich dann nur vage über sein Leben äußerst.
„Vielleicht hat er sein Studium schon längst geschmissen“, vermutet Konrad.
„So wie Anna gerade ihren tollen Job?“, fragt Charlotte und weint fast ein wenig. „Alle drei sind nicht richtig in der Spur“, schnieft sie dann und greift sich ein Tempotaschentuch, „dass sich alle jetzt verweigern, schon seltsam, oder ist es wie bei einer Lotterie, und alle haben einfach per Zufall das gleiche Los gezogen?“
Aha, da bringt sie mich also doch ins Spiel, aber nur wenn etwas nicht angenehm ist, denkt sie an mich. Ich könnte platzen vor Wut, aber lausche dann doch weiter.
„Wer sagt denn, dass sie sich verweigern? Sie machen nur nicht das, was Du Dir wünschst. Und warum gibt es auf einmal für dich doch Zufälle? Ich dachte, davon hältst du nichts“, fragt Konrad ziemlich bissig.
„Weiß nicht, denke nur laut. Vielleicht haben wir auch was falsch gemacht und es ist unser Verschulden, dass sie gerade Umwege gehen?“, fragt Charlotte.
„Hör bloß auf mit Schuld, dieses Wort ist in meinem Wortschatz ein für alle Mal gestrichen. Früher ging es bei meinen Eltern nur darum. Das Meiste war man selber schuld, nichts war dem Zufall überlassen. Ich habe dieses Denken abgeschafft, Zufälle gehören einfach dazu und sind nichts, was mich schreckt. Und deine ewigen Selbstzweifel kann ich auch nicht mehr hören. Kinder werden groß und entfernen sich von ihren Eltern, machen ihre Erfahrungen, treffen Entscheidungen und hin und wieder eben auch die falschen. Wie wir übrigens auch. Und jetzt möchte ich endlich schlafen gehen.“
„Du immer mit Deiner Nüchternheit, die keine Gefühle zulässt. Wie es Dir mit dem Ganzen geht, sagst Du nicht. Immer bin ich diejenige, die zugibt, damit nicht klar zu kommen.“
„Wer sagt denn, dass es mir nichts ausmacht?“, fragt Konrad schnippisch.
„Macht es Dir?“, hakt sie nach.
„Kinder zu haben, finde ich meist schön und nur selten leicht. Ich habe auch Angst um die drei, und hoffe, dass sie ihr Leben gut auf die Reihe bekommen, weiß aber, dass Umwege dazu gehören. Letztlich werden sie es schaffen.“
„Was?“
„Ihr Leben so zu leben, dass sie damit klarkommen“, sagt Konrad energisch.
„Sagt dir deine Vernunft“, meint Charlotte.
„Oder mein Herz? Und glaube mir, Zufälle gibt es einfach und machen das Leben bunt. In zwanzig Jahren lachen wir alle fünf über das, was jetzt ist.“
Danke Konrad, dass du mich verteidigst. Meist denkt man ja nur an mich, wenn es eher unwichtig ist. Wenn es aber gerade super läuft, steht gerne etwas anderes dahinter, ein größerer Zusammenhang oder gar ein überirdischer Plan. Mir reicht’s für heute, und ob ihr beide euch heute wieder vertragt, ist mir nun wirklich herzlichst egal. Auf mich könnt ihr auf jeden Fall heute nicht mehr zählen.
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Einfach per Zufall
RAU
Konrad denkt also, dass es mich gibt. Charlotte dagegen ist sich nicht so sicher, na danke auch. Ich muss zugeben, dass ich gerade lausche, spät am Abend im Wohnzimmer der beiden. Macht man nicht, muss aber jetzt sein. Bin einfach neugierig, was sie über mich denken. Dort führen sie gerade ihr Gespräch vom Abendessen lautstark weiter. Seltsam, dass sie nicht aufhören können. Aber es geht um ihre Kinder, um Anna, Felix und Cara, warum sie jetzt machen, was sie tun. Da werden Eltern bekanntlich gerne leidenschaftlich. Warum sich Cara auf Straßen festklebt, warum sich Felix seit mindestens drei Monaten nur noch sporadisch meldet und sich dann nur vage über sein Leben äußerst.
„Vielleicht hat er sein Studium schon längst geschmissen“, vermutet Konrad.
„So wie Anna gerade ihren tollen Job?“, fragt Charlotte und weint fast ein wenig. „Alle drei sind nicht richtig in der Spur“, schnieft sie dann und greift sich ein Tempotaschentuch, „dass sich alle jetzt verweigern, schon seltsam, oder ist es wie bei einer Lotterie, und alle haben einfach per Zufall das gleiche Los gezogen?“
Aha, da bringt sie mich also doch ins Spiel, aber nur wenn etwas nicht angenehm ist, denkt sie an mich. Ich könnte platzen vor Wut, aber lausche dann doch weiter.
„Wer sagt denn, dass sie sich verweigern? Sie machen nur nicht das, was Du Dir wünschst. Und warum gibt es auf einmal für dich doch Zufälle? Ich dachte, davon hältst du nichts“, fragt Konrad ziemlich bissig.
„Weiß nicht, denke nur laut. Vielleicht haben wir auch was falsch gemacht und es ist unser Verschulden, dass sie gerade Umwege gehen?“, fragt Charlotte.
„Hör bloß auf mit Schuld, dieses Wort ist in meinem Wortschatz ein für alle Mal gestrichen. Früher ging es bei meinen Eltern nur darum. Das Meiste war man selber schuld, nichts war dem Zufall überlassen. Ich habe dieses Denken abgeschafft, Zufälle gehören einfach dazu und sind nichts, was mich schreckt. Und deine ewigen Selbstzweifel kann ich auch nicht mehr hören. Kinder werden groß und entfernen sich von ihren Eltern, machen ihre Erfahrungen, treffen Entscheidungen und hin und wieder eben auch die falschen. Wie wir übrigens auch. Und jetzt möchte ich endlich schlafen gehen.“
„Du immer mit Deiner Nüchternheit, die keine Gefühle zulässt. Wie es Dir mit dem Ganzen geht, sagst Du nicht. Immer bin ich diejenige, die zugibt, damit nicht klar zu kommen.“
„Wer sagt denn, dass es mir nichts ausmacht?“, fragt Konrad schnippisch.
„Macht es Dir?“, hakt sie nach.
„Kinder zu haben, finde ich meist schön und nur selten leicht. Ich habe auch Angst um die drei, und hoffe, dass sie ihr Leben gut auf die Reihe bekommen, weiß aber, dass Umwege dazu gehören. Letztlich werden sie es schaffen.“
„Was?“
„Ihr Leben so zu leben, dass sie damit klarkommen“, sagt Konrad energisch.
„Sagt dir deine Vernunft“, meint Charlotte.
„Oder mein Herz? Und glaube mir, Zufälle gibt es einfach und machen das Leben bunt. In zwanzig Jahren lachen wir alle fünf über das, was jetzt ist.“
Danke Konrad, dass du mich verteidigst. Meist denkt man ja nur an mich, wenn es eher unwichtig ist. Wenn es aber gerade super läuft, steht gerne etwas anderes dahinter, ein größerer Zusammenhang oder gar ein überirdischer Plan. Mir reicht’s für heute, und ob ihr beide euch heute wieder vertragt, ist mir nun wirklich herzlichst egal. Auf mich könnt ihr auf jeden Fall heute nicht mehr zählen.