Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Einfach per Zufall
WIE
Mike starrt gebannt auf sein Handy in der Hand. Dabei stehen sie frisch angereist bei schönstem Wetter in Paris mitten auf der Champs-Elysee.
Anke lässt die Seiten des Reiseführers durch ihre Finger gleiten. „Was machen wir als erstes?“ fragt sie forsch, „mein Gott, ich weiß gar nicht wo wir anfangen sollen.“
Mike ist weiterhin mit seinem Handy beschäftigt und wischt darauf rum.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Klar, was sollen wir jetzt unternehmen, hast du gefragt. Ich habe hier eine neue App. Die hab ich mir im Zug runter geladen. Ein Zufallsgenerator für Städtereisen. Ich habe gerade Paris eingegeben. Die App hat genau 12331 Sehenswürdigkeiten und Attraktionen gespeichert. Alles was Paris anzubieten hat. Und ein Zufallsgenerator stellt uns eine einzigartige Tour zusammen.“
„Das ist nicht dein Ernst!“
„Doch, für unsere Wochenendreise von drei Tagen sind für uns 28 Ziele zusammengestellt worden. Das ist ja schon mal was, da können wir doch gleich anfangen.“
„Ist der Eiffelturm auch dabei?“
„Nein, wieso das denn? Der Eiffelturm ist schließlich auch nur eine von 12331 Sehenswürdigkeiten.“
“Und wie viele Wochen, Monate, Jahre müssen wir jetzt durch Paris tappen, bis dein Zufallsgenerator uns den Eiffelturm vorschlägt?“
„Schau mal hier, das sind die wahren, weitgehend unbekannten Attraktionen dieser Stadt. Nicht die, zu denen die Leute millionenfach pilgern. Wusstest du, dass sich die älteste Senfmühle Frankreichs hier in Paris befindet? Hier gibt es nicht nur den berühmten Hundefriedhof, es gibt sogar einen kleinen, romantischer Katzenfriedhof, den kaum einer kennt. Und hier, das einzige vegane Burger-Restaurant für Moslems, das ist auch nicht weit von hier. “
„Da will ich aber nicht hin“, meint Anke verärgert.
„Mir gefällt so eine Zufalls-App. Sie nimmt mir Entscheidungen ab, die ich sonst selber treffen müsste. So kann ich alles dem gut organisierten Zufall überlassen.“
„Wie steht mir diese Sonnenbrille?“ Anke bleibt bei einem Brillenständer vor einer Parfümerie stehen.
„Ach, und das ist jetzt kein Zufall, dass du die Sonnenbrille entdeckst?“
Anke legt die Brille zurück und folgt Mike, der bereits die Speisekarte eines kleinen Restaurants studiert. „Hier schau mal, seit Corona kann ich sogar in der App die Speisekarten vom Restaurants abrufen und den passenden Wein zum Essen schon aussuchen lassen.“
„Das kann nicht dein Ernst sein, du lässt dir per Zufall aussuchen, was du als nächstes hier essen und trinken könntest?“
„Ich habe mich noch nie gut entscheiden können, vor allem nicht bei riesigen Speisekarten. Außerdem kann ich per Filter auch bestimmte Vorlieben und Preisgrenzen eingeben.“
Anke wirft einen Blick in das Lokal. „Hast du mal reingeschaut, das sieht mir nicht so vertrauenswürdig aus.“
Mike kann versucht noch mal sein Glück. "Dieses Restaurant hat aber durchgehend gute Bewertungen und die App empfiehlt den Valpolicella Negra.“
Anke wischt einen Finger über die Seiten ihres Reiseführers und schlägt dann eine Seite auf. „Siehst du, ich kann auch das erste Ziel für heute Nachmittag ganz per Zufall raussuchen.“
„Du verstehst mich nicht,“ verteidigt sich Mike.
„Doch, ich verstehe dich, du suchst nämlich keine Zufalls-App, sondern eine Mama-App. Das nächste Mal kannst du gerne mit deiner Mutter nach Paris fahren, sie nimmt dir ja sowieso meistens alle Entscheidungen ab.“
Mike schaltet das Handy aus. „Okay, ich verstehe, wohin möchtest du als erstes?“
„Zuerst zum Eiffelturm und dann in den Louvre.“
Texte zum Alltäglichen -
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Einfach per Zufall
WIE
Mike starrt gebannt auf sein Handy in der Hand. Dabei stehen sie frisch angereist bei schönstem Wetter in Paris mitten auf der Champs-Elysee.
Anke lässt die Seiten des Reiseführers durch ihre Finger gleiten. „Was machen wir als erstes?“ fragt sie forsch, „mein Gott, ich weiß gar nicht wo wir anfangen sollen.“
Mike ist weiterhin mit seinem Handy beschäftigt und wischt darauf rum.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Klar, was sollen wir jetzt unternehmen, hast du gefragt. Ich habe hier eine neue App. Die hab ich mir im Zug runter geladen. Ein Zufallsgenerator für Städtereisen. Ich habe gerade Paris eingegeben. Die App hat genau 12331 Sehenswürdigkeiten und Attraktionen gespeichert. Alles was Paris anzubieten hat. Und ein Zufallsgenerator stellt uns eine einzigartige Tour zusammen.“
„Das ist nicht dein Ernst!“
„Doch, für unsere Wochenendreise von drei Tagen sind für uns 28 Ziele zusammengestellt worden. Das ist ja schon mal was, da können wir doch gleich anfangen.“
„Ist der Eiffelturm auch dabei?“
„Nein, wieso das denn? Der Eiffelturm ist schließlich auch nur eine von 12331 Sehenswürdigkeiten.“
“Und wie viele Wochen, Monate, Jahre müssen wir jetzt durch Paris tappen, bis dein Zufallsgenerator uns den Eiffelturm vorschlägt?“
„Schau mal hier, das sind die wahren, weitgehend unbekannten Attraktionen dieser Stadt. Nicht die, zu denen die Leute millionenfach pilgern. Wusstest du, dass sich die älteste Senfmühle Frankreichs hier in Paris befindet? Hier gibt es nicht nur den berühmten Hundefriedhof, es gibt sogar einen kleinen, romantischer Katzenfriedhof, den kaum einer kennt. Und hier, das einzige vegane Burger-Restaurant für Moslems, das ist auch nicht weit von hier. “
„Da will ich aber nicht hin“, meint Anke verärgert.
„Mir gefällt so eine Zufalls-App. Sie nimmt mir Entscheidungen ab, die ich sonst selber treffen müsste. So kann ich alles dem gut organisierten Zufall überlassen.“
„Wie steht mir diese Sonnenbrille?“ Anke bleibt bei einem Brillenständer vor einer Parfümerie stehen.
„Ach, und das ist jetzt kein Zufall, dass du die Sonnenbrille entdeckst?“
Anke legt die Brille zurück und folgt Mike, der bereits die Speisekarte eines kleinen Restaurants studiert. „Hier schau mal, seit Corona kann ich sogar in der App die Speisekarten vom Restaurants abrufen und den passenden Wein zum Essen schon aussuchen lassen.“
„Das kann nicht dein Ernst sein, du lässt dir per Zufall aussuchen, was du als nächstes hier essen und trinken könntest?“
„Ich habe mich noch nie gut entscheiden können, vor allem nicht bei riesigen Speisekarten. Außerdem kann ich per Filter auch bestimmte Vorlieben und Preisgrenzen eingeben.“
Anke wirft einen Blick in das Lokal. „Hast du mal reingeschaut, das sieht mir nicht so vertrauenswürdig aus.“
Mike kann versucht noch mal sein Glück. "Dieses Restaurant hat aber durchgehend gute Bewertungen und die App empfiehlt den Valpolicella Negra.“
Anke wischt einen Finger über die Seiten ihres Reiseführers und schlägt dann eine Seite auf. „Siehst du, ich kann auch das erste Ziel für heute Nachmittag ganz per Zufall raussuchen.“
„Du verstehst mich nicht,“ verteidigt sich Mike.
„Doch, ich verstehe dich, du suchst nämlich keine Zufalls-App, sondern eine Mama-App. Das nächste Mal kannst du gerne mit deiner Mutter nach Paris fahren, sie nimmt dir ja sowieso meistens alle Entscheidungen ab.“
Mike schaltet das Handy aus. „Okay, ich verstehe, wohin möchtest du als erstes?“
„Zuerst zum Eiffelturm und dann in den Louvre.“