Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Durch die Nacht
WIE
Irgendwann war es dann so weit, meine Eltern stimmten einer Übernachtung bei Freunden im Hobbykeller zu. Ich war fünfzehn. Dass wir die die Nacht durchmachen wollten, hatte ich nicht erzählt. Zu viert wollten wir dieses Die-Nacht-Durchmachen-Erlebnis haben. Schlafen war gar nicht erst eingeplant. Für mich eine neue Erfahrung, nur einer von uns konnte damit prahlen, dieses Durchmachen bereits zu kennen und davon zu schwärmen. Mir selber war unklar, wie lange so eine durchgemachte Nacht wirklich dauert, wie viel gefühlt Zeit diese Stunden ausmachten, die ich noch nie wach erlebt hatte.
Was ich kannte war Silvester, wo man schon mal ein etwas verwirrendes „Wir haben bereits den 1. Januar“, oder ein „Guten Morgen“ beim Zubettgehen äußerte. Auch um vier Uhr in der Früh in den Sommerferien aufzustehen, um halb wach ins reisefertige Auto zu steigen, kannte ich. Immerhin noch dunkel und erste helle Schimmer am Horizont.
Aber wie fühlen sich diese Stunden wirklich an, die ich noch nie erlebt hatte? Dass sie anders würden, war mir klar. Fehlte doch alles, was die Stunden am Tag so auszeichnet. Kein Radio, kein Fernsehen, keine Stimmen, Nachrichten oder Termine, die einem deutlich machen, wie spät es ist.
Alles war anders einschließlich der Frage, was man in solchen Stunden überhaupt macht, wenn man einfach nur durchmachen will. Ein Spaziergang durch die Gemeinde war jedenfalls geplant. Wir lebten in einer kleinen Ortschaft, eine nächtliche Streife war nicht zu erwarten. Also die Gelegenheit, alle Plätze wie Schulgelände, Kreuzung, Gemeindeplatz mit Springbrunnen in Ruhe zu inspizieren.
Das morgendliche Dämmern draußen zu erleben war schon etwas Besonderes. Schließlich handelte es sich auch noch um Sonntag. Kein Brötchenhändler, Zeitungsausträger, Schichtarbeiter oder Straßenreiniger war zu erwarten. Ganz einfach nur „Menschenleere“. Das alles lud dazu ein, das Leben zu feiern. Die Swimmingpools in den Gärten glitzerten, die Hollywoodschaukeln baumelten ein wenig im Wind, der Baumbus rauschte, die Hortensien blühten. Die Ampeln wechselten ihre Farben, obwohl weit und breit niemand zu sehen war, über einem Geschäft lief völlig überflüssig eine Lichtreklame. Die Straßen waren so leer, dass man die ganze Zeit nebeneinander gehen konnte.
Neu war aber auch das, was mich dann später morgens um neun Uhr zu Hause erwartete. Denn das gemeinsame Sonntagsfrühstück war vereinbart, als Deadline. Ich war pünktlich zu Hause. Hatte mir nichts ernsthaftes zu Schulden kommen lassen außer der alternativen Wahrheit, wir hätten durchaus auch ein paar Stündchen geschlafen, seien aber schon recht früh wieder wach gewesen.
Neu war auch das Gefühl, dass ich mich noch ganz im Samstag befand, dass mir die Nacht fehlte, die unübersehbar den Samstag zum Gestern machte. Und das ließ mich in einer eigenen, anderen Wirklichkeit sein. Alle anderen am Frühstückstisch hatten einen ganz normalen Sonntag vor sich, mit den Überlegungen, was man machen könnte. Ich verspürte nur den Wunsch, mich noch mal schlafen zu legen, vielleicht auch um den Anschluss wieder zu finden. Gleichzeitig war es aber auch das aufregende Gefühls, dass da noch etwas anderes existierte als die familiäre Wirklichkeit, die ich in diesem Moment so gar nicht teilen konnte.
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Durch die Nacht
WIE
Irgendwann war es dann so weit, meine Eltern stimmten einer Übernachtung bei Freunden im Hobbykeller zu. Ich war fünfzehn. Dass wir die die Nacht durchmachen wollten, hatte ich nicht erzählt. Zu viert wollten wir dieses Die-Nacht-Durchmachen-Erlebnis haben. Schlafen war gar nicht erst eingeplant. Für mich eine neue Erfahrung, nur einer von uns konnte damit prahlen, dieses Durchmachen bereits zu kennen und davon zu schwärmen. Mir selber war unklar, wie lange so eine durchgemachte Nacht wirklich dauert, wie viel gefühlt Zeit diese Stunden ausmachten, die ich noch nie wach erlebt hatte.
Was ich kannte war Silvester, wo man schon mal ein etwas verwirrendes „Wir haben bereits den 1. Januar“, oder ein „Guten Morgen“ beim Zubettgehen äußerte. Auch um vier Uhr in der Früh in den Sommerferien aufzustehen, um halb wach ins reisefertige Auto zu steigen, kannte ich. Immerhin noch dunkel und erste helle Schimmer am Horizont.
Aber wie fühlen sich diese Stunden wirklich an, die ich noch nie erlebt hatte? Dass sie anders würden, war mir klar. Fehlte doch alles, was die Stunden am Tag so auszeichnet. Kein Radio, kein Fernsehen, keine Stimmen, Nachrichten oder Termine, die einem deutlich machen, wie spät es ist.
Alles war anders einschließlich der Frage, was man in solchen Stunden überhaupt macht, wenn man einfach nur durchmachen will. Ein Spaziergang durch die Gemeinde war jedenfalls geplant. Wir lebten in einer kleinen Ortschaft, eine nächtliche Streife war nicht zu erwarten. Also die Gelegenheit, alle Plätze wie Schulgelände, Kreuzung, Gemeindeplatz mit Springbrunnen in Ruhe zu inspizieren.
Das morgendliche Dämmern draußen zu erleben war schon etwas Besonderes. Schließlich handelte es sich auch noch um Sonntag. Kein Brötchenhändler, Zeitungsausträger, Schichtarbeiter oder Straßenreiniger war zu erwarten. Ganz einfach nur „Menschenleere“. Das alles lud dazu ein, das Leben zu feiern. Die Swimmingpools in den Gärten glitzerten, die Hollywoodschaukeln baumelten ein wenig im Wind, der Baumbus rauschte, die Hortensien blühten. Die Ampeln wechselten ihre Farben, obwohl weit und breit niemand zu sehen war, über einem Geschäft lief völlig überflüssig eine Lichtreklame. Die Straßen waren so leer, dass man die ganze Zeit nebeneinander gehen konnte.
Neu war aber auch das, was mich dann später morgens um neun Uhr zu Hause erwartete. Denn das gemeinsame Sonntagsfrühstück war vereinbart, als Deadline. Ich war pünktlich zu Hause. Hatte mir nichts ernsthaftes zu Schulden kommen lassen außer der alternativen Wahrheit, wir hätten durchaus auch ein paar Stündchen geschlafen, seien aber schon recht früh wieder wach gewesen.
Neu war auch das Gefühl, dass ich mich noch ganz im Samstag befand, dass mir die Nacht fehlte, die unübersehbar den Samstag zum Gestern machte. Und das ließ mich in einer eigenen, anderen Wirklichkeit sein. Alle anderen am Frühstückstisch hatten einen ganz normalen Sonntag vor sich, mit den Überlegungen, was man machen könnte. Ich verspürte nur den Wunsch, mich noch mal schlafen zu legen, vielleicht auch um den Anschluss wieder zu finden. Gleichzeitig war es aber auch das aufregende Gefühls, dass da noch etwas anderes existierte als die familiäre Wirklichkeit, die ich in diesem Moment so gar nicht teilen konnte.