Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zwischen den Stühlen
RAU
Gestern war es wieder so weit, und ich muss mir jetzt ein bisschen Luft verschaffen. Als Mutter wird einem ja ziemlich viel aufgegeben, wie ich finde. Seine Familie, Kinder und den Mann zu lieben zum Beispiel. Natürlich liebe ich sie alle, aber es ist schon so, dass ich meinen Jungen ein bisschen mehr lieb habe als meine Töchter. Jetzt ist es raus. Darf ich das sagen? Dass die Liebe nicht gleich ist zu den Kindern? Aber wie sollte es denn auch anders sein, frage ich mich, sind sie doch so verschiedene Wesen mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die eine liegt mir mehr als die andere, ist es nicht im Grunde genommen sehr einfach? Es gibt so eine Grundbasis mütterlicher Liebe und dann noch eine Extraportion je nach Wesensnähe?
Dann gibt es ja noch die Liebe zum Vater der Kinder, zu meinem Mann also, die ist wieder ganz anders gestrickt, und seine zu unseren Kindern auch. Genauso wie die Liebe unserer Kinder zu uns beiden. Wer soll sich da noch auskennen in diesem Liebes-Gefühls-Konglomerat? Oder ist es vielmehr ein undurchschaubares Dickicht oder gar ein tiefer Morast?
Wenn ich mit jedem einzeln bin, ist es kein Problem. Aber wann bin ich als Mutter schon einmal mit Mann, Töchtern oder Sohn alleine? Die Schwierigkeiten beginnen, wenn ich mit allen zusammen bin, und das macht Familie nun einmal aus. Möglichst viel Zeit zusammen zu verbringen. Das wünscht man sich doch. Ich eigentlich nicht mehr oder nur noch in meiner Traumvorstellung von einer gesunden, glücklichen Familie. Das ist dann aber, ehrlich gesagt, auch eher mein persönliches Kopfkino, das ich mir manchmal zurechtbastele, wenn bei uns mal wieder die Fetzen fliegen oder das große Schweigen eingezogen ist.
Denn ich muss schon sagen, dass mir meine Familie zwischenzeitlich häufig ganz schön auf die Nerven geht und gegangen ist, vor allem als die Kinder in der Pubertät gewesen sind. Hier Felix, den ich meist ziemlich gut verstanden habe in seiner Schüchternheit und Aufmüpfigkeit. Dort Anna, die mir mit ihrem Bravsein natürlich das Leben leicht gemacht hat, mich aber mit ihrer dauernden Besserwisserei auch heute noch ziemlich nervt. Die Jüngste, Maja, irrt grade vor sich hin. Und mein Konrad, der sich im Grunde genommen nur mir zuliebe für die Kinder entschieden und sich allzu oft von ihnen gestört gefühlt hat und oft genervt war. Da finden sie mal den goldenen Mittelweg zwischen einem nüchternen, eher schweigsamen Wissenschaftler, einer Schlaumeiertochter, die mühelos eine Karriere samt Freund, zahlreichen Hobbys und wohl bald zukünftiger Familie hinbekommt, einer Suchenden, die vor lauter Möglichkeiten des Lebens von einem Schlamassel in den nächsten stolpert und einem Sohn, der sein Künstlertum mit einem sicheren, aber wohl langweiligen Job abfedern muss und sich nicht für nur eine Frau entscheiden kann. Und ich als ruhender, ausgleichender Pol dazwischen, na prima.
Seit ich Familie habe und Mutter bin, sitze ich mehr oder weniger zwischen den Stühlen. Bis heute, auch wenn wir fünf schon lange nicht mehr zusammenleben. Dieser Dauerspagat ist unbequem, anstrengend und mehr als unbefriedigend. Denn oft verscherze ich es mir mit mindestens einem. In meinem Job kenne ich dieses Zerreißspiel zum Glück nicht, dafür leider in meiner Familie zu Genüge. Immer hältst du zu Felix, werfen mir meine Töchter vor. Immer verteidigst du die Kinder, bekomme ich von Konrad zu hören. Fall mir nicht in den Rücken und schon gar nicht vor den Kindern, diesen Satz hat er mir mehr als einmal wutentbrannt entgegen geschleudert, wenn er mal wieder mit einem ganz unmöglichen Vorschlag oder, noch schlimmer, einer abwegigen Strafaktion gekommen ist. Und mehr als einmal habe ich deswegen auch meine Kinder gepackt und bin für ein paar Tage zu meiner Schwester gezogen. Gestern wäre ich fast wieder zu ihr gegangen, nachdem er mir doch tatsächlich vorgeworfen hat, unseren Sohn zu sehr verzogen zu haben, und dass deshalb nichts aus ihm werden wird.
Als meine erste Tochter auf die Welt gekommen ist, hat mein Leben als Mutter begonnen und leider auch mein Leben zwischen den Stühlen. Auf beides hat mich niemand vorbereitet.
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Zwischen den Stühlen
RAU
Gestern war es wieder so weit, und ich muss mir jetzt ein bisschen Luft verschaffen. Als Mutter wird einem ja ziemlich viel aufgegeben, wie ich finde. Seine Familie, Kinder und den Mann zu lieben zum Beispiel. Natürlich liebe ich sie alle, aber es ist schon so, dass ich meinen Jungen ein bisschen mehr lieb habe als meine Töchter. Jetzt ist es raus. Darf ich das sagen? Dass die Liebe nicht gleich ist zu den Kindern? Aber wie sollte es denn auch anders sein, frage ich mich, sind sie doch so verschiedene Wesen mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die eine liegt mir mehr als die andere, ist es nicht im Grunde genommen sehr einfach? Es gibt so eine Grundbasis mütterlicher Liebe und dann noch eine Extraportion je nach Wesensnähe?
Dann gibt es ja noch die Liebe zum Vater der Kinder, zu meinem Mann also, die ist wieder ganz anders gestrickt, und seine zu unseren Kindern auch. Genauso wie die Liebe unserer Kinder zu uns beiden. Wer soll sich da noch auskennen in diesem Liebes-Gefühls-Konglomerat? Oder ist es vielmehr ein undurchschaubares Dickicht oder gar ein tiefer Morast?
Wenn ich mit jedem einzeln bin, ist es kein Problem. Aber wann bin ich als Mutter schon einmal mit Mann, Töchtern oder Sohn alleine? Die Schwierigkeiten beginnen, wenn ich mit allen zusammen bin, und das macht Familie nun einmal aus. Möglichst viel Zeit zusammen zu verbringen. Das wünscht man sich doch. Ich eigentlich nicht mehr oder nur noch in meiner Traumvorstellung von einer gesunden, glücklichen Familie. Das ist dann aber, ehrlich gesagt, auch eher mein persönliches Kopfkino, das ich mir manchmal zurechtbastele, wenn bei uns mal wieder die Fetzen fliegen oder das große Schweigen eingezogen ist.
Denn ich muss schon sagen, dass mir meine Familie zwischenzeitlich häufig ganz schön auf die Nerven geht und gegangen ist, vor allem als die Kinder in der Pubertät gewesen sind. Hier Felix, den ich meist ziemlich gut verstanden habe in seiner Schüchternheit und Aufmüpfigkeit. Dort Anna, die mir mit ihrem Bravsein natürlich das Leben leicht gemacht hat, mich aber mit ihrer dauernden Besserwisserei auch heute noch ziemlich nervt. Die Jüngste, Maja, irrt grade vor sich hin. Und mein Konrad, der sich im Grunde genommen nur mir zuliebe für die Kinder entschieden und sich allzu oft von ihnen gestört gefühlt hat und oft genervt war. Da finden sie mal den goldenen Mittelweg zwischen einem nüchternen, eher schweigsamen Wissenschaftler, einer Schlaumeiertochter, die mühelos eine Karriere samt Freund, zahlreichen Hobbys und wohl bald zukünftiger Familie hinbekommt, einer Suchenden, die vor lauter Möglichkeiten des Lebens von einem Schlamassel in den nächsten stolpert und einem Sohn, der sein Künstlertum mit einem sicheren, aber wohl langweiligen Job abfedern muss und sich nicht für nur eine Frau entscheiden kann. Und ich als ruhender, ausgleichender Pol dazwischen, na prima.
Seit ich Familie habe und Mutter bin, sitze ich mehr oder weniger zwischen den Stühlen. Bis heute, auch wenn wir fünf schon lange nicht mehr zusammenleben. Dieser Dauerspagat ist unbequem, anstrengend und mehr als unbefriedigend. Denn oft verscherze ich es mir mit mindestens einem. In meinem Job kenne ich dieses Zerreißspiel zum Glück nicht, dafür leider in meiner Familie zu Genüge. Immer hältst du zu Felix, werfen mir meine Töchter vor. Immer verteidigst du die Kinder, bekomme ich von Konrad zu hören. Fall mir nicht in den Rücken und schon gar nicht vor den Kindern, diesen Satz hat er mir mehr als einmal wutentbrannt entgegen geschleudert, wenn er mal wieder mit einem ganz unmöglichen Vorschlag oder, noch schlimmer, einer abwegigen Strafaktion gekommen ist. Und mehr als einmal habe ich deswegen auch meine Kinder gepackt und bin für ein paar Tage zu meiner Schwester gezogen. Gestern wäre ich fast wieder zu ihr gegangen, nachdem er mir doch tatsächlich vorgeworfen hat, unseren Sohn zu sehr verzogen zu haben, und dass deshalb nichts aus ihm werden wird.
Als meine erste Tochter auf die Welt gekommen ist, hat mein Leben als Mutter begonnen und leider auch mein Leben zwischen den Stühlen. Auf beides hat mich niemand vorbereitet.