Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zwischen den Stühlen
WIE
„Hast du mitgekriegt, sie spielen wieder dieses herrliche Theaterstück, wie hieß es noch gleich?“
„Ich weiß nicht, musst du mir sagen.“
„Zwischen den Stühlen oder so ähnlich.“
„Zwischen den Stühlen, das sagt mir nichts.“
„Doch, erinnerst du dich nicht daran? Eines dieser absurden Theaterstücke, von dem wir beide so begeistert waren, zu Beginn unserer Studienzeit.“
„Wir waren damals oft und viel begeistert. Vor allem du warst schnell begeistert.“
„Ja, in der Welt des Theaters findet das Leben statt.“
„Ja, weil du damals dein richtiges Leben nicht auf die Reihe bekamst. Konntest dich nicht festlegen, in welchem Studienfach und bei welchem Professor du dein Examen machst und zwischen deinen diversen Frauen konntest du dich auch nicht entscheiden.“
„Quatsch, in dem Theaterstück ging es um etwas ganz anderes. Da war jemand, der einen Raum betritt und feststellen muss, dass alle Stühle besetzt sind. Bis auf einen.“
„Ja, und da hat er sich halt dann hingesetzt.“
„Nein, eben nicht, er kann sich nicht hinsetzen, er spürt einen inneren Widerstand. Weil er sich nicht einreihen will, weil er das Gefühl bekommt, vereinnahmt zu werden, die gleiche Position beziehen zu müssen.“
„Ich denke er sucht einen Platz, um nicht stehen zu müssen?“
„Das ist es ja, er steht lieber, als die Haltung einzunehmen, die alle bereits haben. Er fürchtet, wenn er einmal sitzt, dann fest genagelt zu sein. Eine bestimmte Perspektive, eine Rolle, eine Funktion, zu bekommen, die er gar nicht will.“
„Der Arme, der kann einem ja leid tun.“
„Nein, im Gegenteil, ich habe ihn bewundert, die Konsequenz, mit der er seine Haltung vertritt. Auch wenn es unbequem ist. Sein Platz war eben der zwischen den Stühlen.“
„Das ist doch kein Platz, zwischen den Stühlen. Das ist ein Provisorium, ein Zeichen von Unsicherheit und Unentschlossenheit.“
„Das sagst du. Aber es muss nicht immer so sein.“
„Er hätte sich ja provisorisch hinsetzen können.“
„Nein, das konnte er auch nicht. Dann hätte er bemerkt, wie bequem alles ist, und er gar nicht mehr aufstehen will. Weil er dann auch die Angst hat, dass sein Platz gleich danach wieder besetzt wird. Und bleibt nur noch sitzen, damit kein anderer den Platz kriegt.“
„Ist das so schlimm?“
„Ja, ist es, ich jedenfalls konnte den Mann auf der Bühne gut verstehen. Ich bleibe auch lieber stehen, zwischen den Stühlen sozusagen.“
„Ja ja, ich sehe dich regelrecht, während die anderen bereits ihre Butterbrote und Skatkarten auspacken, es sich gemütlich machen und sich unterhalten, stehst du lieber und beobachtest alles aus deiner Warte.“
„Ja, so etwa.“
„Tut mir leid, an so ein Theaterstück kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.“
„Doch ich meine, wir waren sogar mehrmals in dem Stück, weil es uns so gut gefallen hat.“
„Dir vielleicht.“
„Ja, da war mir alles so vertraut.“
„Kann ich mir denken. Vielleicht warst Du aber auch mit einer deiner anderen Frauen in dem Stück?“
„Das kann natürlich auch sein.“
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Zwischen den Stühlen
WIE
„Hast du mitgekriegt, sie spielen wieder dieses herrliche Theaterstück, wie hieß es noch gleich?“
„Ich weiß nicht, musst du mir sagen.“
„Zwischen den Stühlen oder so ähnlich.“
„Zwischen den Stühlen, das sagt mir nichts.“
„Doch, erinnerst du dich nicht daran? Eines dieser absurden Theaterstücke, von dem wir beide so begeistert waren, zu Beginn unserer Studienzeit.“
„Wir waren damals oft und viel begeistert. Vor allem du warst schnell begeistert.“
„Ja, in der Welt des Theaters findet das Leben statt.“
„Ja, weil du damals dein richtiges Leben nicht auf die Reihe bekamst. Konntest dich nicht festlegen, in welchem Studienfach und bei welchem Professor du dein Examen machst und zwischen deinen diversen Frauen konntest du dich auch nicht entscheiden.“
„Quatsch, in dem Theaterstück ging es um etwas ganz anderes. Da war jemand, der einen Raum betritt und feststellen muss, dass alle Stühle besetzt sind. Bis auf einen.“
„Ja, und da hat er sich halt dann hingesetzt.“
„Nein, eben nicht, er kann sich nicht hinsetzen, er spürt einen inneren Widerstand. Weil er sich nicht einreihen will, weil er das Gefühl bekommt, vereinnahmt zu werden, die gleiche Position beziehen zu müssen.“
„Ich denke er sucht einen Platz, um nicht stehen zu müssen?“
„Das ist es ja, er steht lieber, als die Haltung einzunehmen, die alle bereits haben. Er fürchtet, wenn er einmal sitzt, dann fest genagelt zu sein. Eine bestimmte Perspektive, eine Rolle, eine Funktion, zu bekommen, die er gar nicht will.“
„Der Arme, der kann einem ja leid tun.“
„Nein, im Gegenteil, ich habe ihn bewundert, die Konsequenz, mit der er seine Haltung vertritt. Auch wenn es unbequem ist. Sein Platz war eben der zwischen den Stühlen.“
„Das ist doch kein Platz, zwischen den Stühlen. Das ist ein Provisorium, ein Zeichen von Unsicherheit und Unentschlossenheit.“
„Das sagst du. Aber es muss nicht immer so sein.“
„Er hätte sich ja provisorisch hinsetzen können.“
„Nein, das konnte er auch nicht. Dann hätte er bemerkt, wie bequem alles ist, und er gar nicht mehr aufstehen will. Weil er dann auch die Angst hat, dass sein Platz gleich danach wieder besetzt wird. Und bleibt nur noch sitzen, damit kein anderer den Platz kriegt.“
„Ist das so schlimm?“
„Ja, ist es, ich jedenfalls konnte den Mann auf der Bühne gut verstehen. Ich bleibe auch lieber stehen, zwischen den Stühlen sozusagen.“
„Ja ja, ich sehe dich regelrecht, während die anderen bereits ihre Butterbrote und Skatkarten auspacken, es sich gemütlich machen und sich unterhalten, stehst du lieber und beobachtest alles aus deiner Warte.“
„Ja, so etwa.“
„Tut mir leid, an so ein Theaterstück kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.“
„Doch ich meine, wir waren sogar mehrmals in dem Stück, weil es uns so gut gefallen hat.“
„Dir vielleicht.“
„Ja, da war mir alles so vertraut.“
„Kann ich mir denken. Vielleicht warst Du aber auch mit einer deiner anderen Frauen in dem Stück?“
„Das kann natürlich auch sein.“