Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zwei Menschen, zwei Räder, ein Park
RAU
Wie oft sie hier fährt, zu allen Tageszeiten, sommers wie winters. Wie sehr sie ihn mag, den großen Park, die grüne Lunge der Stadt, mit allem, was es braucht. Stattliche Bäume, üppige Rhododendron-Büsche, Rosenrabatte, Blumenbeete, plätscherndes Wasser, ein kleiner See, lange Wege, große Rasenflächen, viele Bänke, schöne Sichtachsen, Denkmäler zur preußischen und deutschen Geschichte. Das große Luisendenkmal ist ihr das Liebste, wie sie über die weite Strecke hinüber zu ihrem Liebsten Friedrich Wilhelm sieht, und er zu ihr, zwischen ihnen Blumen, Wege und Wasser. Eine lebenslange, erfüllte Liebe, durch ihren frühen Tod jäh beendet. Sie fährt gerne den kleinen Umweg an der kleinen Insel und den beiden vorbei.
Heute ist der Park vergleichsweise leer, fast gehört er ihr alleine. Sie ist spät dran, viertel vor zehn an einem Donnerstag, seit ein paar Tagen liegt Frühling in der Stadt, sie trägt den leichten Mantel und braucht keine Handschuhe mehr.
Ihr Rad ist frisch überholt, Bremse, Gangschaltung, Licht sind neu eingestellt, sie freut sich auf ihre Besprechung um zwölf Uhr. Eine interessante Kundin mit einem spannenden Projekt, etwas für Waldbesitzer, nachhaltig. Sie fährt über den breiten Weg und freut sich auf beides, auf die Kundin und auf Luise.
Beginnt sogar leicht zu summen und sieht einen Radfahrer, der ihr entgegenkommt, noch etwas entfernt. Sein Rad ist schwarz, altmodisch würden die Kinder sagen, eine holländische Gazelle, sicherlich weit über zwanzig Jahre alt. So wie ihre auch.
Er kommt näher. Sie fährt langsamer. Schwarze Hose und Jacke, weißes Hemd, braune Lederschuhe, leichter Schal, ein Rucksack auf dem Rücken. Jetzt sieht sie sein Gesicht. Breite Lippen, volles Haar unterm Helm, feine Züge. Ein kurzer Blick in seine Augen. Er sieht in ihre und lächelt. Schon ist er vorbei.
Schade, schon vorbei. Dieses Lächeln. Sein freundlicher Blick. Wie alt wird er sein? Jünger? Schon vorbei. Leider. Schade. Sie fährt noch etwas langsamer und dreht den Kopf über die Schulter nach hinten. Sieht zu ihm. Sieht, dass er dasselbe macht. Den Kopf über die Schulter nach hinten dreht und zu ihr sieht. Sie anlächelt. Sie lacht zurück. Und lenkt ihr Rad nach rechts und fährt zurück, er macht es auch. Breite Lippen, volles Haar unter dem Helm, feine Züge ein Lächeln im Gesicht. Langsam fahren sie aufeinander zu, bis sie auf gleicher Höhe sind. Dann halten sie an.
„Zeit für einen Kaffee?“, fragt er.
Texte zum Alltäglichen -
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Zwei Menschen, zwei Räder, ein Park
RAU
Wie oft sie hier fährt, zu allen Tageszeiten, sommers wie winters. Wie sehr sie ihn mag, den großen Park, die grüne Lunge der Stadt, mit allem, was es braucht. Stattliche Bäume, üppige Rhododendron-Büsche, Rosenrabatte, Blumenbeete, plätscherndes Wasser, ein kleiner See, lange Wege, große Rasenflächen, viele Bänke, schöne Sichtachsen, Denkmäler zur preußischen und deutschen Geschichte. Das große Luisendenkmal ist ihr das Liebste, wie sie über die weite Strecke hinüber zu ihrem Liebsten Friedrich Wilhelm sieht, und er zu ihr, zwischen ihnen Blumen, Wege und Wasser. Eine lebenslange, erfüllte Liebe, durch ihren frühen Tod jäh beendet. Sie fährt gerne den kleinen Umweg an der kleinen Insel und den beiden vorbei.
Heute ist der Park vergleichsweise leer, fast gehört er ihr alleine. Sie ist spät dran, viertel vor zehn an einem Donnerstag, seit ein paar Tagen liegt Frühling in der Stadt, sie trägt den leichten Mantel und braucht keine Handschuhe mehr.
Ihr Rad ist frisch überholt, Bremse, Gangschaltung, Licht sind neu eingestellt, sie freut sich auf ihre Besprechung um zwölf Uhr. Eine interessante Kundin mit einem spannenden Projekt, etwas für Waldbesitzer, nachhaltig. Sie fährt über den breiten Weg und freut sich auf beides, auf die Kundin und auf Luise.
Beginnt sogar leicht zu summen und sieht einen Radfahrer, der ihr entgegenkommt, noch etwas entfernt. Sein Rad ist schwarz, altmodisch würden die Kinder sagen, eine holländische Gazelle, sicherlich weit über zwanzig Jahre alt. So wie ihre auch.
Er kommt näher. Sie fährt langsamer. Schwarze Hose und Jacke, weißes Hemd, braune Lederschuhe, leichter Schal, ein Rucksack auf dem Rücken. Jetzt sieht sie sein Gesicht. Breite Lippen, volles Haar unterm Helm, feine Züge. Ein kurzer Blick in seine Augen. Er sieht in ihre und lächelt. Schon ist er vorbei.
Schade, schon vorbei. Dieses Lächeln. Sein freundlicher Blick. Wie alt wird er sein? Jünger? Schon vorbei. Leider. Schade. Sie fährt noch etwas langsamer und dreht den Kopf über die Schulter nach hinten. Sieht zu ihm. Sieht, dass er dasselbe macht. Den Kopf über die Schulter nach hinten dreht und zu ihr sieht. Sie anlächelt. Sie lacht zurück. Und lenkt ihr Rad nach rechts und fährt zurück, er macht es auch. Breite Lippen, volles Haar unter dem Helm, feine Züge ein Lächeln im Gesicht. Langsam fahren sie aufeinander zu, bis sie auf gleicher Höhe sind. Dann halten sie an.
„Zeit für einen Kaffee?“, fragt er.