Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zwei Menschen, zwei Räder, ein Park
WIE
„Zwei Menschen, zwei Räder, ein Park“, lese ich auf der Rückseite eines etwa 400-seitigen Buches. Dann betrachte ich noch einmal ausführlich das Cover. Schließlich ist der Klappentext etwas dünn ausgefallen, denke ich, was hat der Verlag sich dabei gedacht, Klappentexte sollen zum Lesen und Kaufen animieren.
Das Cover gefällt mir, auch ein Grund, weswegen ich das Buch zwischen der Menge anderer Bücher in die Hand genommen habe. Es sind tatsächlich zwei Menschen auf Fahrrädern zu sehen und dahinter eine Parklandschaft, die mich sofort an Paris denken lässt. Eine junge Frau, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, eine rote Baskenmütze auf dem Kopf, ein gestreiftes Oberteil. Ein junger Mann, mit einer dunklen Jacke und blau weiß gestreiftem T-Shirt, ein fein geschnittenen Oberlippenbart und schwarze Schirmmütze. Das ist total französisch, denke ich.
Lässt mich sofort an eine Liebesgeschichte denken, die in Paris spielt. Keine mit teuren Wohnungen und schicken Autos, sondern eine zwischen zwei Menschen, die eher mit dem Fahrrad unterwegs sind, vielleicht sogar beide gerade ein Buch von Sartre oder Camus lesen. Auch habe ich das Gefühl, dass es in den 50er oder 60er Jahren spielen muss. Das hat vor allem mit dem Stil des Coverbildes zu tun: Eine aus farbigen Papieren geschnittene und collagierte Illustration, auf der nur die beiden Gesichter und die verschnörkelten Gitter des Parks gezeichnet sind. So kenne ich es von früher, aus der Zeit meiner Kinderbücher.
„Ein ganz hervorragendes Buch!“, höre ich eine junge Frauenstimme neben mir sagen, „ich habe von dem Autor den Vorgängerroman gelesen, traumhaft, der hier soll noch besser sein.“
„Ich kann dem Klappentext leider nur wenig entnehmen“ ,entgegne ich in möglichst freundlichen Ton. „Wenn ich etwas mehr erfahren könnte, wäre ich motivierter es zu lesen.“
„Da kann ich helfen“, antwortet sie.
Ich schätze sie auf Anfang zwanzig und finde es doch auffällig, dass sie eine dunkelrote Baskenmütze trägt und dazu einen karierten braun-beigen Wollwintermantel.
„Ich habe eine Besprechung im Netz gelesen. Der Roman spielt in Mannheim, ein IT-Fachmann hat eine neue Partner-App entworfen, die er selber zum ersten Mal ausprobiert. Und über diese App lernt er eine junge Frau kennen, eine sehr erfolgreiche Bloggerin, die zum Thema Partnerschaft schreibt. Beide wissen, dass sie allein über Algorithmen zueinander gefunden haben, total spannend.“
„Ja gut“, entgegne ich, „was soll dann aber diese Illustration auf dem Cover? Ich wäre niemals auf Mannheim gekommen und auf eine Romanze zwischen einem IT Experten und einer Bloggerin schon gar nicht.“
„Wieso nicht“, fragt sie schnippisch, „ich liebe auch alles Karierte und Baskenmützen. Das hat heutzutage doch gar nichts mehr zu sagen.“
Ich lege das Buch auf den Stapel zurück. Ja gut, Äußerlichkeiten kann eben jeder anders verstehen, denke ich. Für mich gehören Mädchen mit Baskenmützen und kurzen Wollmäntel in die 50er oder 60er Jahre nach Paris. Aber das stimmt schon längst nicht mehr, das weiß ich. Trotzdem, auch irgendwie eine Form der kulturellen Aneignung. Doch das sage ich nicht.
„Sie können ja bis zur Taschenbuchausgabe warten“, sagt sie noch zu mir, bevor sie mit ihrem Handy ein Foto vom Buchcover macht.
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Zwei Menschen, zwei Räder, ein Park
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„Zwei Menschen, zwei Räder, ein Park“, lese ich auf der Rückseite eines etwa 400-seitigen Buches. Dann betrachte ich noch einmal ausführlich das Cover. Schließlich ist der Klappentext etwas dünn ausgefallen, denke ich, was hat der Verlag sich dabei gedacht, Klappentexte sollen zum Lesen und Kaufen animieren.
Das Cover gefällt mir, auch ein Grund, weswegen ich das Buch zwischen der Menge anderer Bücher in die Hand genommen habe. Es sind tatsächlich zwei Menschen auf Fahrrädern zu sehen und dahinter eine Parklandschaft, die mich sofort an Paris denken lässt. Eine junge Frau, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, eine rote Baskenmütze auf dem Kopf, ein gestreiftes Oberteil. Ein junger Mann, mit einer dunklen Jacke und blau weiß gestreiftem T-Shirt, ein fein geschnittenen Oberlippenbart und schwarze Schirmmütze. Das ist total französisch, denke ich.
Lässt mich sofort an eine Liebesgeschichte denken, die in Paris spielt. Keine mit teuren Wohnungen und schicken Autos, sondern eine zwischen zwei Menschen, die eher mit dem Fahrrad unterwegs sind, vielleicht sogar beide gerade ein Buch von Sartre oder Camus lesen. Auch habe ich das Gefühl, dass es in den 50er oder 60er Jahren spielen muss. Das hat vor allem mit dem Stil des Coverbildes zu tun: Eine aus farbigen Papieren geschnittene und collagierte Illustration, auf der nur die beiden Gesichter und die verschnörkelten Gitter des Parks gezeichnet sind. So kenne ich es von früher, aus der Zeit meiner Kinderbücher.
„Ein ganz hervorragendes Buch!“, höre ich eine junge Frauenstimme neben mir sagen, „ich habe von dem Autor den Vorgängerroman gelesen, traumhaft, der hier soll noch besser sein.“
„Ich kann dem Klappentext leider nur wenig entnehmen“ ,entgegne ich in möglichst freundlichen Ton. „Wenn ich etwas mehr erfahren könnte, wäre ich motivierter es zu lesen.“
„Da kann ich helfen“, antwortet sie.
Ich schätze sie auf Anfang zwanzig und finde es doch auffällig, dass sie eine dunkelrote Baskenmütze trägt und dazu einen karierten braun-beigen Wollwintermantel.
„Ich habe eine Besprechung im Netz gelesen. Der Roman spielt in Mannheim, ein IT-Fachmann hat eine neue Partner-App entworfen, die er selber zum ersten Mal ausprobiert. Und über diese App lernt er eine junge Frau kennen, eine sehr erfolgreiche Bloggerin, die zum Thema Partnerschaft schreibt. Beide wissen, dass sie allein über Algorithmen zueinander gefunden haben, total spannend.“
„Ja gut“, entgegne ich, „was soll dann aber diese Illustration auf dem Cover? Ich wäre niemals auf Mannheim gekommen und auf eine Romanze zwischen einem IT Experten und einer Bloggerin schon gar nicht.“
„Wieso nicht“, fragt sie schnippisch, „ich liebe auch alles Karierte und Baskenmützen. Das hat heutzutage doch gar nichts mehr zu sagen.“
Ich lege das Buch auf den Stapel zurück. Ja gut, Äußerlichkeiten kann eben jeder anders verstehen, denke ich. Für mich gehören Mädchen mit Baskenmützen und kurzen Wollmäntel in die 50er oder 60er Jahre nach Paris. Aber das stimmt schon längst nicht mehr, das weiß ich. Trotzdem, auch irgendwie eine Form der kulturellen Aneignung. Doch das sage ich nicht.
„Sie können ja bis zur Taschenbuchausgabe warten“, sagt sie noch zu mir, bevor sie mit ihrem Handy ein Foto vom Buchcover macht.