Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zurück auf Anfang
RAU
... oder zurück auf Los wie bei Monopoly? Wäre es nicht verführerisch, das Leben mal wieder wie ein Spiel zu sehen?
Konrad nimmt einen Schluck vom wirklich sehr guten Cognac, den ihm Anna, seine Älteste, geschenkt hat. Wenn sie wüsste, schmunzelt er, den hat er erst einmal in seinem Leben getrunken, damals mit Sabrina in New York. Als er so jung war, dass er sich kaum noch erinnern kann, dass das wirklich er gewesen ist. Der schüchterne, junge Mann, dem gar nichts anderes übrig geblieben ist, als dieser umwerfend schönen, älteren Frau zu folgen. Ohne zu überlegen und ohne irgendetwas zu wissen. Eine lange traumhafte Woche sind sie zusammen durch diese unglaubliche Stadt gezogen, dann hat sie ihn eines Morgens in einem Pensionszimmer zurückgelassen und ist aus seinem Leben genauso rasant verschwunden wie sie aufgetaucht gewesen ist. Das mit achtzehn Jahren doch gerade erst begonnen hatte. Einfach so, ohne Nachricht, ohne Erklärung, einer Adresse oder Telefonnummer ist sie damals am Morgen fort gewesen, und er hat lange gebraucht, sie zu vergessen. Nach New York ist er nie mehr gefahren.
Was so ein guter Tropfen alles auslöst, denkt er und auch daran, dass er Charlotte noch nie von dieser besonderen Woche erzählt hat und es auch nicht machen wird. Das war sein Anfang als Mann lange vor ihrem Beginn als Paar. Manches ist besser alleine aufgehoben. Aber das Spielerische, ja wo ist es geblieben? Auf der langen Strecke des Erwachsenenlebens irgendwie abhanden gekommen. Jetzt ohne Arbeit und mit mehr Zeit ließe es sich doch wieder finden? Nicht dass er wieder einer wunderschönen Frau folgen möchte, aber warum dieses Jahr nicht etwas tun, was vollkommen neu, überraschend und leicht ist?
Die kleinen, zarten Finger tapsen unbeholfen über ihr Gesicht, und die dunklen Augen blicken sie an. Sie drückt den kleinen warmen Körper noch ein bisschen enger an sich. Ist das nicht gerade das Glück, das pure Glück? Endlich wieder ihr erstes Enkelkind im Arm zu halten? Wie im Schnelllauf vermischen sich die Bilder in ihrem Kopf, und sie fühlt wieder ihre kleine Anna in ihren Armen damals vor fünfunddreißig Jahren genauso wie jetzt deren ersten Sohn. Die kleinen Berührungen, das Glucksen und Sabbern, all die vielen vergangenen Jahre sind wie weggepustet, und sie fühlt sich wieder wie die aufgeregte, leicht hilflose und auch überforderte, junge Mutter. So vieles war damals ein erstes Mal: Kinderbett und -wagen aussuchen, Windeln kaufen, endlose schlaflose Nächte, immer wieder das schlafende, zarte und kleine Gesicht betrachten und sich fragen, welcher Mensch sie wohl werden wird, ihr erstes Kind, ihre Tochter? Ihr Busen gehört ab sofort ihrer Tochter, zu dritt liegen sie nun im Bett mit dem kleinen warmen Menschen zwischen sich. Liebe und Freude und Verantwortung spüren und jeden Tag staunen.
Langsam schläft der kleine Junge in ihren Armen ein und weiß nichts davon, auf welche wunderbare Reise er seine Großmutter gerade geschickt hat.
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... oder zurück auf Los wie bei Monopoly? Wäre es nicht verführerisch, das Leben mal wieder wie ein Spiel zu sehen?
Konrad nimmt einen Schluck vom wirklich sehr guten Cognac, den ihm Anna, seine Älteste, geschenkt hat. Wenn sie wüsste, schmunzelt er, den hat er erst einmal in seinem Leben getrunken, damals mit Sabrina in New York. Als er so jung war, dass er sich kaum noch erinnern kann, dass das wirklich er gewesen ist. Der schüchterne, junge Mann, dem gar nichts anderes übrig geblieben ist, als dieser umwerfend schönen, älteren Frau zu folgen. Ohne zu überlegen und ohne irgendetwas zu wissen. Eine lange traumhafte Woche sind sie zusammen durch diese unglaubliche Stadt gezogen, dann hat sie ihn eines Morgens in einem Pensionszimmer zurückgelassen und ist aus seinem Leben genauso rasant verschwunden wie sie aufgetaucht gewesen ist. Das mit achtzehn Jahren doch gerade erst begonnen hatte. Einfach so, ohne Nachricht, ohne Erklärung, einer Adresse oder Telefonnummer ist sie damals am Morgen fort gewesen, und er hat lange gebraucht, sie zu vergessen. Nach New York ist er nie mehr gefahren.
Was so ein guter Tropfen alles auslöst, denkt er und auch daran, dass er Charlotte noch nie von dieser besonderen Woche erzählt hat und es auch nicht machen wird. Das war sein Anfang als Mann lange vor ihrem Beginn als Paar. Manches ist besser alleine aufgehoben. Aber das Spielerische, ja wo ist es geblieben? Auf der langen Strecke des Erwachsenenlebens irgendwie abhanden gekommen. Jetzt ohne Arbeit und mit mehr Zeit ließe es sich doch wieder finden? Nicht dass er wieder einer wunderschönen Frau folgen möchte, aber warum dieses Jahr nicht etwas tun, was vollkommen neu, überraschend und leicht ist?
Die kleinen, zarten Finger tapsen unbeholfen über ihr Gesicht, und die dunklen Augen blicken sie an. Sie drückt den kleinen warmen Körper noch ein bisschen enger an sich. Ist das nicht gerade das Glück, das pure Glück? Endlich wieder ihr erstes Enkelkind im Arm zu halten? Wie im Schnelllauf vermischen sich die Bilder in ihrem Kopf, und sie fühlt wieder ihre kleine Anna in ihren Armen damals vor fünfunddreißig Jahren genauso wie jetzt deren ersten Sohn. Die kleinen Berührungen, das Glucksen und Sabbern, all die vielen vergangenen Jahre sind wie weggepustet, und sie fühlt sich wieder wie die aufgeregte, leicht hilflose und auch überforderte, junge Mutter. So vieles war damals ein erstes Mal: Kinderbett und -wagen aussuchen, Windeln kaufen, endlose schlaflose Nächte, immer wieder das schlafende, zarte und kleine Gesicht betrachten und sich fragen, welcher Mensch sie wohl werden wird, ihr erstes Kind, ihre Tochter? Ihr Busen gehört ab sofort ihrer Tochter, zu dritt liegen sie nun im Bett mit dem kleinen warmen Menschen zwischen sich. Liebe und Freude und Verantwortung spüren und jeden Tag staunen.
Langsam schläft der kleine Junge in ihren Armen ein und weiß nichts davon, auf welche wunderbare Reise er seine Großmutter gerade geschickt hat.