Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zukunft
RAU
Die hat sie nie beschäftigt. Nur als sie geheiratet hat, hat sie ein paar Tage vorher auf einmal gedacht, mit diesem Mann also wird sie ihre Zukunft verbringen, und doch einen leichten Schrecken bekommen.
Siebenundzwanzig Jahre war sie damals, und Zukunft war etwas schier Unfassbares und Endloses und noch nicht Gefülltes. Wie jetzt der weite Himmel am Meer. Sie steht auf dem feuchten Sand, die blanken Füße werden vom kalten Wasser umspült und vor ihr nur diese leere Weite bis zum Horizont, und auch danach geht es immer weiter.
Die wenigen dunklen, wie gemalten Striche weit links und rechts am Strand sind wie sie, gehen am Wasser entlang und machen das, was sie vorhin auch gemacht hat. Atmen gute Aerosole ein, sammeln Muscheln, stemmen sich gegen den Wind und fliegen mit dem Rückenwind fast davon, sehen in die Ferne, setzen Mützen und Stirnbänder auf, schnäuzen sich die laufende Nase und trocknen die tränenden Augen.
Nun sitzt sie im Strandkorb mit dem Teeglas in der kalten Hand und ist froh, dem harten Wind für eine Weile entkommen zu sein. Vor ihr eine betreute Kindergruppe, die Kleinen buddeln Löcher, bauen Burgen, werfen sich in Sandkuhlen, springen, toben und lachen.
Auch sie hat als kleines Mädchen mit der Schaufel tiefe Löcher gebuddelt und mit Schlamm Burgen gebaut, ihre Kinder haben es getan, und ihre Enkel, wenn sie denn welche bekommen wird, werden es wieder tun. Alle machen hier immer das Gleiche. Die Kinder vor ihr werden sich später noch gut an ihre ersten Ferien am Meer erinnern und manche von ihnen werden es auch ihren Kindern zeigen. Und die werden dann ebenso mit der Schaufel tiefe Löcher buddeln und mit Schlamm Burgen bauen, springen, toben und lachen.
Was ist schon Zeit, denkt sie, hier in der Weite gibt es keine, hier am Meer ist alles eins. Nur die Jahreszeiten wechseln, aber die Fragen am Abend sind geblieben. Wird morgen der Sturm nachlassen, Regen kommen oder die Sonne scheinen? Sie gräbt ihre kalten, nassen Füße in den Sand und schmunzelt, so jung wie hier fühlt sie sich nirgends. Dann nimmt sie den letzten Schluck Tee, steht auf und geht wieder vor ans Meer.
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Zukunft
RAU
Die hat sie nie beschäftigt. Nur als sie geheiratet hat, hat sie ein paar Tage vorher auf einmal gedacht, mit diesem Mann also wird sie ihre Zukunft verbringen, und doch einen leichten Schrecken bekommen.
Siebenundzwanzig Jahre war sie damals, und Zukunft war etwas schier Unfassbares und Endloses und noch nicht Gefülltes. Wie jetzt der weite Himmel am Meer. Sie steht auf dem feuchten Sand, die blanken Füße werden vom kalten Wasser umspült und vor ihr nur diese leere Weite bis zum Horizont, und auch danach geht es immer weiter.
Die wenigen dunklen, wie gemalten Striche weit links und rechts am Strand sind wie sie, gehen am Wasser entlang und machen das, was sie vorhin auch gemacht hat. Atmen gute Aerosole ein, sammeln Muscheln, stemmen sich gegen den Wind und fliegen mit dem Rückenwind fast davon, sehen in die Ferne, setzen Mützen und Stirnbänder auf, schnäuzen sich die laufende Nase und trocknen die tränenden Augen.
Nun sitzt sie im Strandkorb mit dem Teeglas in der kalten Hand und ist froh, dem harten Wind für eine Weile entkommen zu sein. Vor ihr eine betreute Kindergruppe, die Kleinen buddeln Löcher, bauen Burgen, werfen sich in Sandkuhlen, springen, toben und lachen.
Auch sie hat als kleines Mädchen mit der Schaufel tiefe Löcher gebuddelt und mit Schlamm Burgen gebaut, ihre Kinder haben es getan, und ihre Enkel, wenn sie denn welche bekommen wird, werden es wieder tun. Alle machen hier immer das Gleiche. Die Kinder vor ihr werden sich später noch gut an ihre ersten Ferien am Meer erinnern und manche von ihnen werden es auch ihren Kindern zeigen. Und die werden dann ebenso mit der Schaufel tiefe Löcher buddeln und mit Schlamm Burgen bauen, springen, toben und lachen.
Was ist schon Zeit, denkt sie, hier in der Weite gibt es keine, hier am Meer ist alles eins. Nur die Jahreszeiten wechseln, aber die Fragen am Abend sind geblieben. Wird morgen der Sturm nachlassen, Regen kommen oder die Sonne scheinen? Sie gräbt ihre kalten, nassen Füße in den Sand und schmunzelt, so jung wie hier fühlt sie sich nirgends. Dann nimmt sie den letzten Schluck Tee, steht auf und geht wieder vor ans Meer.