Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zuckerschlecken
RAU
Als junges Mädchen hat sie Gabi für ihren Mut wirklich bewundert. Wenn sie sie im Pferdestall besuchen durfte, und Gabi ganz selbstverständlich ihrem Reitpferd nach der Reitstunde auf offener Hand zwei, drei Zuckerstückchen hingehalten hat. Dabei nicht einmal gezuckt hat, sondern mit ganz ruhiger Hand und liebevoller Stimme ihre Borge immer wieder gelobt hat. Wie dann die Stute ihre große, fleischige und feuchte Zunge aus dem Maul gestreckt, dabei den Blick auf ihre wirklich gewaltigen Zähne freigegeben und dann schwuppdiwupp die Zuckerstücke in einem Rutsch weggeschlappert hat. Und Gabi sie dafür gelobt und liebevoll über ihren Hals und ihre volle Mähne gestrichen hat.
Wer weiß, vielleicht wäre sie in diesen Momenten auch gerne Borge gewesen, hätte freiweg das Zuckerschlecken genossen und vielleicht noch viel mehr Gabis Zärtlichkeiten. Es löste auf jeden Fall immer eine Menge aus, wenn sie Gabi vom Stall abholte und schon meist etwas früher da war. Sie dann ziemlich souverän und auch stolz reiten und hinterher mit ihrer Stute vertraut und liebevoll zu sehen, ja wer weiß, vielleicht war sie sogar etwas neidisch auf Borge. So ein Blödsinn, hat sie schon damals gedacht, aber auch in der Rückschau erinnert sie sich noch sehr genau an diese Mischung aus sehr unterschiedlichen Gefühlen, die sie damals mit zwölf oder dreizehn ereilt hat.
Gabi war einfach die Beste, Tollste und Schönste, sie war so was von klasse, dass ihr manchmal schier die Luft wegblieb, wenn sie sie nur ansah. Einen Kopf größer, schlanker und fünf Monate und vier Tage älter, sie wollte unbedingt weiterhin Gabis Freundin bleiben, auch wenn sie ihr in manchen Dingen schon mindestens ein Jahr im Voraus zu sein schien. Also holte sie Gabi zweimal die Woche vom Pferdestall ab, aber probierte es nicht einmal mit den Zuckerstücken auf der flachen Hand, nicht einmal.
Aber sie studierte genau Borges Zunge und Zähne und Gabis zärtliche Berührungen. Und dachte dabei wirklich jedes Mal, dass sie zuhause von ihrer Mutter eher geschimpft wurde, wenn sie mal wieder zu den Gummibärchen oder Katjes griff, und bestimmt niemals so liebevoll gestreichelt wurde wie die Stute von Gabi. Wie gerne hätte sie mit Borge getauscht.
Aber das Leben ist eben kein Ponyhof und schon gar kein Zuckerschlecken, das hat ihr Mutter schon früh beigebracht. Aber wenn sie neben Gabi im Pferdestall stand, hat sie etwas ganz anderes empfunden. Das hat sie Mutter natürlich nie erzählt und auch sonst niemandem und auch nicht, wie die Geschichte mit Gabi weitergegangen ist, das bleibt bis heute ihr beider zuckersüßes Geheimnis.
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Zuckerschlecken
RAU
Als junges Mädchen hat sie Gabi für ihren Mut wirklich bewundert. Wenn sie sie im Pferdestall besuchen durfte, und Gabi ganz selbstverständlich ihrem Reitpferd nach der Reitstunde auf offener Hand zwei, drei Zuckerstückchen hingehalten hat. Dabei nicht einmal gezuckt hat, sondern mit ganz ruhiger Hand und liebevoller Stimme ihre Borge immer wieder gelobt hat. Wie dann die Stute ihre große, fleischige und feuchte Zunge aus dem Maul gestreckt, dabei den Blick auf ihre wirklich gewaltigen Zähne freigegeben und dann schwuppdiwupp die Zuckerstücke in einem Rutsch weggeschlappert hat. Und Gabi sie dafür gelobt und liebevoll über ihren Hals und ihre volle Mähne gestrichen hat.
Wer weiß, vielleicht wäre sie in diesen Momenten auch gerne Borge gewesen, hätte freiweg das Zuckerschlecken genossen und vielleicht noch viel mehr Gabis Zärtlichkeiten. Es löste auf jeden Fall immer eine Menge aus, wenn sie Gabi vom Stall abholte und schon meist etwas früher da war. Sie dann ziemlich souverän und auch stolz reiten und hinterher mit ihrer Stute vertraut und liebevoll zu sehen, ja wer weiß, vielleicht war sie sogar etwas neidisch auf Borge. So ein Blödsinn, hat sie schon damals gedacht, aber auch in der Rückschau erinnert sie sich noch sehr genau an diese Mischung aus sehr unterschiedlichen Gefühlen, die sie damals mit zwölf oder dreizehn ereilt hat.
Gabi war einfach die Beste, Tollste und Schönste, sie war so was von klasse, dass ihr manchmal schier die Luft wegblieb, wenn sie sie nur ansah. Einen Kopf größer, schlanker und fünf Monate und vier Tage älter, sie wollte unbedingt weiterhin Gabis Freundin bleiben, auch wenn sie ihr in manchen Dingen schon mindestens ein Jahr im Voraus zu sein schien. Also holte sie Gabi zweimal die Woche vom Pferdestall ab, aber probierte es nicht einmal mit den Zuckerstücken auf der flachen Hand, nicht einmal.
Aber sie studierte genau Borges Zunge und Zähne und Gabis zärtliche Berührungen. Und dachte dabei wirklich jedes Mal, dass sie zuhause von ihrer Mutter eher geschimpft wurde, wenn sie mal wieder zu den Gummibärchen oder Katjes griff, und bestimmt niemals so liebevoll gestreichelt wurde wie die Stute von Gabi. Wie gerne hätte sie mit Borge getauscht.
Aber das Leben ist eben kein Ponyhof und schon gar kein Zuckerschlecken, das hat ihr Mutter schon früh beigebracht. Aber wenn sie neben Gabi im Pferdestall stand, hat sie etwas ganz anderes empfunden. Das hat sie Mutter natürlich nie erzählt und auch sonst niemandem und auch nicht, wie die Geschichte mit Gabi weitergegangen ist, das bleibt bis heute ihr beider zuckersüßes Geheimnis.