Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zu wem hältst du?
RAU
Diese Frage mag er nicht, hat er noch nie und wird sie auch niemals mögen. Das ist bei solchen Fragen das Einzige, was er sicher weiß. Raushalten und ja keine Entscheidungen treffen. Denn Raushalten ist und war immer das Beste, zumal als mittlerer von drei Söhnen bei getrennten Eltern. Diesen Stress kann sich kaum jemand vorstellen, dessen Eltern heute noch glücklich zusammen sind und wer als Einzelkind ohne Geschwister aufgewachsen ist.
Er ist sozusagen von Kindesbeinen an ein regelrechter Experte im Raushalten, das letztlich erst sein einigermaßen normales Leben ermöglicht hat. Vielen mag es langweilig vorkommen, ihm ist es gerade recht. Realschule, mit zweiundzwanzig Jahren Finanzbeamter, Ehemann und Vater. Ruhe im Karton. Nur die eine schwierige Entscheidung war damals zu treffen: in welchem grünen Vorort welches Haus bauen mit Garten für die wachsende Kinderschar. Seine Frau wollte von Anfang an mehr als nur zwei, und er auf keinen Fall drei. Also ist er heute Vater von vier Töchtern und besitzt mit Sabine eine großzügige Doppelhaushälfte nicht allzu weit entfernt von seiner Dienststelle.
Sobald auch nur irgendeine Frage auftaucht bezüglich eines neuen Autos, der Frisuren und Kleidung der Töchter und mittlerweile drei Enkel, Ferienzielen, anstehenden Renovierungen, Anschaffungen, Geschenken und Gelddingen lässt er alles Sabine entscheiden, seine Frau seit nunmehr sechsundzwanzig Jahren. Sich mit achtzehn in sie verliebt und sie ein Jahr später geheiratet zu haben, war sicherlich die beste Entscheidung seines Lebens. Die zweitbeste war es, schon während der Ausbildung voll und ganz seinem Chef vertraut zu haben. Heute sitzt er auf seinen Stuhl.
Seine Brüder, der eine ist Orchestermusiker geworden und der andere Manager bei Roche, finden sein Leben komplett langweilig und spießig, seine Töchter vielleicht auch. Sei’s drum, für ihn ist es die beste Weise durchs Leben zu kommen. Nur Sabine weiß, wen er wählt und welche Musik er wirklich mag. Diskussionen oder gar Streitgespräche sind ihm ein Graus.
Morgen sehen sie im größeren Familienkreis das Pokalfinale, nicht so wirklich sein Ding, aber er geht Sabine zuliebe natürlich mit und bedient den Grill. Sein Schwiegervater fragte ihn gestern schon, zu wem er hält. Die Antwort ging ihm rasch über die Lippen: die Besseren sollen gewinnen. Gedacht hat er natürlich was anderes.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Zu wem hältst du?
RAU
Diese Frage mag er nicht, hat er noch nie und wird sie auch niemals mögen. Das ist bei solchen Fragen das Einzige, was er sicher weiß. Raushalten und ja keine Entscheidungen treffen. Denn Raushalten ist und war immer das Beste, zumal als mittlerer von drei Söhnen bei getrennten Eltern. Diesen Stress kann sich kaum jemand vorstellen, dessen Eltern heute noch glücklich zusammen sind und wer als Einzelkind ohne Geschwister aufgewachsen ist.
Er ist sozusagen von Kindesbeinen an ein regelrechter Experte im Raushalten, das letztlich erst sein einigermaßen normales Leben ermöglicht hat. Vielen mag es langweilig vorkommen, ihm ist es gerade recht. Realschule, mit zweiundzwanzig Jahren Finanzbeamter, Ehemann und Vater. Ruhe im Karton. Nur die eine schwierige Entscheidung war damals zu treffen: in welchem grünen Vorort welches Haus bauen mit Garten für die wachsende Kinderschar. Seine Frau wollte von Anfang an mehr als nur zwei, und er auf keinen Fall drei. Also ist er heute Vater von vier Töchtern und besitzt mit Sabine eine großzügige Doppelhaushälfte nicht allzu weit entfernt von seiner Dienststelle.
Sobald auch nur irgendeine Frage auftaucht bezüglich eines neuen Autos, der Frisuren und Kleidung der Töchter und mittlerweile drei Enkel, Ferienzielen, anstehenden Renovierungen, Anschaffungen, Geschenken und Gelddingen lässt er alles Sabine entscheiden, seine Frau seit nunmehr sechsundzwanzig Jahren. Sich mit achtzehn in sie verliebt und sie ein Jahr später geheiratet zu haben, war sicherlich die beste Entscheidung seines Lebens. Die zweitbeste war es, schon während der Ausbildung voll und ganz seinem Chef vertraut zu haben. Heute sitzt er auf seinen Stuhl.
Seine Brüder, der eine ist Orchestermusiker geworden und der andere Manager bei Roche, finden sein Leben komplett langweilig und spießig, seine Töchter vielleicht auch. Sei’s drum, für ihn ist es die beste Weise durchs Leben zu kommen. Nur Sabine weiß, wen er wählt und welche Musik er wirklich mag. Diskussionen oder gar Streitgespräche sind ihm ein Graus.
Morgen sehen sie im größeren Familienkreis das Pokalfinale, nicht so wirklich sein Ding, aber er geht Sabine zuliebe natürlich mit und bedient den Grill. Sein Schwiegervater fragte ihn gestern schon, zu wem er hält. Die Antwort ging ihm rasch über die Lippen: die Besseren sollen gewinnen. Gedacht hat er natürlich was anderes.