Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Worauf es ankommt
WIE
„Gibst du den Tomaten noch Wasser, bevor du gehst? Und sprich mit ihnen, das ist auch wichtig.“
Er hörte die Nachbarin hinter der Mauer seiner Dachterrasse, während er Blumenkübel verschob, da sie womöglich zu eng standen, etwas mehr Sonne bräuchten, vielleicht auch nur mehr Aufmerksamkeit. Um die eigenen Tomaten ging es ihm jetzt gerade gar nicht. Hatte er doch gerade beschlossen, sie eine Zeit lang sich selber zu überlassen, einfach nur vertrauen ohne ständig an ihnen rum zu zupfen, kleine Sprösslinge zu entfernen und mit Bindfäden den geraden Wuchs zu kontrollieren.
Doch insgesamt ließ die Begrünung seiner Dachterrasse noch zu wünschen übrig, im Gegensatz zum üppigen Bewuchs bei der Nachbarin. Vielleicht wusste er einfach noch zu wenig, worauf es ankommt.
Worauf es ankommt. In den letzten beiden Jahren hatte er, wie viele andere um ihn herum auch , des öfteren Neuland betreten und Neues ausprobiert. Die vielen Zeiten des Zuhauseseins ließ einen Einiges ausprobieren, sei es im Garten, auf dem Balkon, im Keller oder in der Küche. Und um so umfangreicher wurden die Gespräche, in denen man großzügig die bereits gemachten Erfahrungen an andere weiter gab.
Gerade mal eine Tomatensaison hinter sich gebracht, und schon sieht man sich als Experte, der dem vollkommenen Neuling auf dem Gebiet wichtig Tipps geben kann. Er hatte vor kurzem mit dem Brotbacken begonnen. Egal ob es um Sauerteig oder Hefeteig ging, immer wieder ergaben sich Gelegenheiten, Erfahrungen beim Selbermachen auszutauschen. Ihm hätten ein paar einfache Tipps gereicht, um überhaupt mal etwas Brauchbares hinzubekommen. Doch diejenigen, die ihm schon ein paar Sauerteige voraus waren, überluden ihn gleich mit Tricks und Varianten, konfrontierten ihn mit Hinweisen, die weit über das hinausgingen, was er wissen wollte. Unterschiedliche Varianten in Konsistenz, Dicke, Geschmack ließen sich so erreichen, wo er froh gewesen wäre, überhaupt mal eine Variante hin zu bekommen. Doch dann wurden schon verschiedene Vorgehensweisen beschrieben, die je nach Stil und Vorlieben angemessener waren.
Diese fachkundigen Small Talks sind sehr beliebt in den Zeiten, in denen das eigene Haus, Garten, Ernährung und Gesundheit den Mittelpunkt des Lebens bilden. Und dabei erarbeitet sich jeder weiteres Spezialwissen an. Nicht nur Renovierungstechniken wie Estrich- und Fußbodenverlegen oder die Wiederbelebung traditioneller Einmach- und Konservierungstechniken für Lebensmittel, die eigene Herstellung von Mayonnaise, Senf, Pesto, Lebensmittel, die es bereits in guter Qualität in Gläsern oder Tuben zu kaufen gibt.
In den meisten Fällen stand er nur dabei und staunte, worauf es alles ankommen kann. Auch bei Kapitalanleihen, Aktiendepots, Leasingverträgen, staatlichen Prämien oder privaten Zusatzversicherungen, bei der Stärkung des eigenen Immunsystems, der Krebsabwehr oder der Gewichtsreduktion. Überall war zu hören:
„Was überhaupt nichts bringt ...“.
„Was man immer dachte, was man aber seit neuesten weiß ...“.
„Worauf es wirklich ankommt ...“.
Jedenfalls muss man bei diesen Themen nie lange auf Ratschläge warten. Sie werden gerne ungefragt verteilt, man wird regelrecht überfallen damit. Und was anfänglich als rein freundschaftliche und großzügige Geste daherkommt, endet nicht selten in wohldosierter Angstmacherei.
„Mach bloß nicht den Fehler ...“.
„Pass bloß auf ...“.
„Was du niemals falsch machen solltest ...“.
Diese Angebote, jemanden vor allem Übel und Frust retten zu wollen, beinhalten andererseits immer auch gar nicht so geheime Botschaften:
„So naiv würde ich nicht daran gehen ...“.
„Typischer Anfängerfehler ...“.
„Ganz so einfach ist es dann doch nicht ...“.
„Alles etwas komplizierter als gedacht ...“.
Jetzt weiß ich, worauf es ankommt, dachte er und versuchte von nun an nicht mehr so oft ungefragt Ratschläge und Belehrungen zu verteilen.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Worauf es ankommt
WIE
„Gibst du den Tomaten noch Wasser, bevor du gehst? Und sprich mit ihnen, das ist auch wichtig.“
Er hörte die Nachbarin hinter der Mauer seiner Dachterrasse, während er Blumenkübel verschob, da sie womöglich zu eng standen, etwas mehr Sonne bräuchten, vielleicht auch nur mehr Aufmerksamkeit. Um die eigenen Tomaten ging es ihm jetzt gerade gar nicht. Hatte er doch gerade beschlossen, sie eine Zeit lang sich selber zu überlassen, einfach nur vertrauen ohne ständig an ihnen rum zu zupfen, kleine Sprösslinge zu entfernen und mit Bindfäden den geraden Wuchs zu kontrollieren.
Doch insgesamt ließ die Begrünung seiner Dachterrasse noch zu wünschen übrig, im Gegensatz zum üppigen Bewuchs bei der Nachbarin. Vielleicht wusste er einfach noch zu wenig, worauf es ankommt.
Worauf es ankommt. In den letzten beiden Jahren hatte er, wie viele andere um ihn herum auch , des öfteren Neuland betreten und Neues ausprobiert. Die vielen Zeiten des Zuhauseseins ließ einen Einiges ausprobieren, sei es im Garten, auf dem Balkon, im Keller oder in der Küche. Und um so umfangreicher wurden die Gespräche, in denen man großzügig die bereits gemachten Erfahrungen an andere weiter gab.
Gerade mal eine Tomatensaison hinter sich gebracht, und schon sieht man sich als Experte, der dem vollkommenen Neuling auf dem Gebiet wichtig Tipps geben kann. Er hatte vor kurzem mit dem Brotbacken begonnen. Egal ob es um Sauerteig oder Hefeteig ging, immer wieder ergaben sich Gelegenheiten, Erfahrungen beim Selbermachen auszutauschen. Ihm hätten ein paar einfache Tipps gereicht, um überhaupt mal etwas Brauchbares hinzubekommen. Doch diejenigen, die ihm schon ein paar Sauerteige voraus waren, überluden ihn gleich mit Tricks und Varianten, konfrontierten ihn mit Hinweisen, die weit über das hinausgingen, was er wissen wollte. Unterschiedliche Varianten in Konsistenz, Dicke, Geschmack ließen sich so erreichen, wo er froh gewesen wäre, überhaupt mal eine Variante hin zu bekommen. Doch dann wurden schon verschiedene Vorgehensweisen beschrieben, die je nach Stil und Vorlieben angemessener waren.
Diese fachkundigen Small Talks sind sehr beliebt in den Zeiten, in denen das eigene Haus, Garten, Ernährung und Gesundheit den Mittelpunkt des Lebens bilden. Und dabei erarbeitet sich jeder weiteres Spezialwissen an. Nicht nur Renovierungstechniken wie Estrich- und Fußbodenverlegen oder die Wiederbelebung traditioneller Einmach- und Konservierungstechniken für Lebensmittel, die eigene Herstellung von Mayonnaise, Senf, Pesto, Lebensmittel, die es bereits in guter Qualität in Gläsern oder Tuben zu kaufen gibt.
In den meisten Fällen stand er nur dabei und staunte, worauf es alles ankommen kann. Auch bei Kapitalanleihen, Aktiendepots, Leasingverträgen, staatlichen Prämien oder privaten Zusatzversicherungen, bei der Stärkung des eigenen Immunsystems, der Krebsabwehr oder der Gewichtsreduktion. Überall war zu hören:
„Was überhaupt nichts bringt ...“.
„Was man immer dachte, was man aber seit neuesten weiß ...“.
„Worauf es wirklich ankommt ...“.
Jedenfalls muss man bei diesen Themen nie lange auf Ratschläge warten. Sie werden gerne ungefragt verteilt, man wird regelrecht überfallen damit. Und was anfänglich als rein freundschaftliche und großzügige Geste daherkommt, endet nicht selten in wohldosierter Angstmacherei.
„Mach bloß nicht den Fehler ...“.
„Pass bloß auf ...“.
„Was du niemals falsch machen solltest ...“.
Diese Angebote, jemanden vor allem Übel und Frust retten zu wollen, beinhalten andererseits immer auch gar nicht so geheime Botschaften:
„So naiv würde ich nicht daran gehen ...“.
„Typischer Anfängerfehler ...“.
„Ganz so einfach ist es dann doch nicht ...“.
„Alles etwas komplizierter als gedacht ...“.
Jetzt weiß ich, worauf es ankommt, dachte er und versuchte von nun an nicht mehr so oft ungefragt Ratschläge und Belehrungen zu verteilen.