Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wolke Vier
RAU
Dort oben am Himmel steht eine Menge für uns bereit. Sterne, die gut durchs Leben leiten, ein Mond, der ruhig schlafen lässt, die Sonne, die wärmt. Und Wolken, die ins Wunderland entführen, zumindest die Wolke Sieben. So hieß es in der Kindheit, daran erinnert sie sich noch genau.
Nun steht sie im Stau und das Autoradio spielt einen deutschen Song.
"Lass uns die Wolke vier bitte nie mehr verlassen,
weil wir auf Wolke sieben viel zu viel verpassen.
Ich war da schon einmal, bin zu tief gefallen,
lieber Wolke vier mit Dir als unten wieder ganz allein.
Geht’s noch, denkt sie. Da ist jemand mit dem Mittelmaß zufrieden und ist noch nicht einmal alt, höchstens in seinen Dreißigern. Damals hat sie nach den Sternen gegriffen, wollte alles und noch viel mehr. „Für mich soll‘ rote Rosen regnen“, Hilde‘s Hymne war nicht nur das Lieblingslied ihrer Mutter. Dass sie nicht alles bekommen hat, geschenkt. So ist es eben. Immerhin ist sie gesund, hat einen guten Job, drei Kinder und einen Mann, der sie liebt. Glaubt sie zumindest, denn gesagt hat er es schon lange nicht mehr. Wie es andersherum ist? Weiß sie gerade nicht so genau. Wieviel Liebe passt zwischen Gewohnheit und Vertrautheit oder was ist sie überhaupt? Ist sie nicht alle paar Jahre etwas anderes?
Sie schüttelt den Kopf, ärgert sich über das Stopp and Go im Feierabendverkehr auf der Stadtautobahn und bekommt den Song nicht mehr aus dem Kopf. Was verpasst ihr denn auf Wolke sieben? Den ultimativen Rausch und den Zauber des unendlichen Glücks ja wohl nicht, wohl aber das Normale. Und das nervt euch?Und wenn Wolke Sieben nicht mehr wirkt, fallt ihr gleich tief runter? Könnt vom Glück nicht ins Alltägliche switchen? Deshalb lieber Wolke Vier als unten ganz allein? Ist das nicht ein wenig einfach gedacht, beschämend sogar?
An der nächsten Möglichkeit biegt sie ab und nimmt den längeren Weg über die Seitenstraßen. Genauso ist es doch auch im Leben, immer wieder abbiegen und neue Wege suchen. Aber vielleicht ist Wolke Vier ja genau das, was sie gerade lebt und nicht wahrhaben will. Beruhigende Sicherheit und ständige Kompromisse, zwei Schritte vor und einen zurück. Und schon tönt Adele‘s Song „Set fire to the rain“ aus dem Radio. Immer dagegenhalten, feste kämpfen und nie das Feuer des Lebens aufgeben, dieser Text gefällt ihr eindeutig besser. Sie gibt Gas und singt lauthals mit.
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Wolke Vier
RAU
Dort oben am Himmel steht eine Menge für uns bereit. Sterne, die gut durchs Leben leiten, ein Mond, der ruhig schlafen lässt, die Sonne, die wärmt. Und Wolken, die ins Wunderland entführen, zumindest die Wolke Sieben. So hieß es in der Kindheit, daran erinnert sie sich noch genau.
Nun steht sie im Stau und das Autoradio spielt einen deutschen Song.
"Lass uns die Wolke vier bitte nie mehr verlassen,
weil wir auf Wolke sieben viel zu viel verpassen.
Ich war da schon einmal, bin zu tief gefallen,
lieber Wolke vier mit Dir als unten wieder ganz allein.
Geht’s noch, denkt sie. Da ist jemand mit dem Mittelmaß zufrieden und ist noch nicht einmal alt, höchstens in seinen Dreißigern. Damals hat sie nach den Sternen gegriffen, wollte alles und noch viel mehr. „Für mich soll‘ rote Rosen regnen“, Hilde‘s Hymne war nicht nur das Lieblingslied ihrer Mutter. Dass sie nicht alles bekommen hat, geschenkt. So ist es eben. Immerhin ist sie gesund, hat einen guten Job, drei Kinder und einen Mann, der sie liebt. Glaubt sie zumindest, denn gesagt hat er es schon lange nicht mehr. Wie es andersherum ist? Weiß sie gerade nicht so genau. Wieviel Liebe passt zwischen Gewohnheit und Vertrautheit oder was ist sie überhaupt? Ist sie nicht alle paar Jahre etwas anderes?
Sie schüttelt den Kopf, ärgert sich über das Stopp and Go im Feierabendverkehr auf der Stadtautobahn und bekommt den Song nicht mehr aus dem Kopf. Was verpasst ihr denn auf Wolke sieben? Den ultimativen Rausch und den Zauber des unendlichen Glücks ja wohl nicht, wohl aber das Normale. Und das nervt euch?Und wenn Wolke Sieben nicht mehr wirkt, fallt ihr gleich tief runter? Könnt vom Glück nicht ins Alltägliche switchen? Deshalb lieber Wolke Vier als unten ganz allein? Ist das nicht ein wenig einfach gedacht, beschämend sogar?
An der nächsten Möglichkeit biegt sie ab und nimmt den längeren Weg über die Seitenstraßen. Genauso ist es doch auch im Leben, immer wieder abbiegen und neue Wege suchen. Aber vielleicht ist Wolke Vier ja genau das, was sie gerade lebt und nicht wahrhaben will. Beruhigende Sicherheit und ständige Kompromisse, zwei Schritte vor und einen zurück. Und schon tönt Adele‘s Song „Set fire to the rain“ aus dem Radio. Immer dagegenhalten, feste kämpfen und nie das Feuer des Lebens aufgeben, dieser Text gefällt ihr eindeutig besser. Sie gibt Gas und singt lauthals mit.