Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wenn ich wollte
RAU
Nassgeschwitzt wacht Konrad auf und weiß zuerst nicht, wo er ist. Vier Uhr zehn zeigt der Wecker. Neben ihm liegt seine Frau, von der er nur ihre dunklen Haare sieht. Schon wieder, wann hört es auf, denkt er und dreht sich auf die andere Seite. Hört Charlotte ruhig atmen und weiß nicht, ob ihm das gefällt. Nach diesem Traum gerade eben.
Leise schält er sich aus dem Bett und verlässt das Schlafzimmer. Geht kurz auf die Toilette und dann in die Küche, zu seinem Bosch, wohin auch sonst. Vor Jahren gab es in der Zeitung eine Kolumne, in der der Autor alle möglichen Dinge seines Lebens nachts mit dem Kühlschrank besprach. Das hat Konrad damals sehr gefallen, und vielleicht hat er beim Kauf des neuen Gerätes auch daran gedacht.
Dieser Traum eben war heftig, war der heftigste von einer Reihe von Träumen, die ihn seit einiger Zeit plagen. Nicht die Institutsträume, die er auch immer noch hat. Sein Buchbeitrag wird nicht rechtzeitig fertig, seine Sekretärin kündigt, weil er sie angeschnauzt hat, seine Kollegen tuscheln hinter seinem Rücken, sein Vortrag misslingt. Nein, diese Träume kennt er schon fast wie gute Bekannte, die jagen ihm keinen Schrecken mehr ein, nur lästig findet er sie. Aber die neuen Träume, die von Birgit, die will er nicht haben. Oder vielleicht doch?
Konrad öffnet den Bosch und sieht Charlottes Ordnung. Alles an seinem Platz, so wie sie ist. Er würde schon gerne häufiger mal etwas suchen müssen und sich überraschen lassen wollen von etwas Leckerem. Birgit war genauso wie er, und vielleicht ist sie auch aus diesem Grund damals nicht seine Frau geworden. Birgit, die sinnliche Rothaarige aus dem Rheinland, wie hat sie ihn um den Finger wickeln können. Und das hat etwas geheißen bei ihm. Schließlich war er schon Mitte Dreißig, als sie sich in München über den Weg gelaufen sind, und hatte jede Menge Erfahrungen mit Frauen.
Warum jetzt wieder diese Träume? In den beiden letzten waren sie nackt und gerade eben war er in ihr, ganz tief in ihr, spürte seine und ihre Erregung und ihre Finger fest in seinem Rücken, hörte ihr Keuchen. Immer war es intensiv gewesen mit ihr und so unglaublich wie nie zuvor mit einer anderen. Monatelang, ach was, Jahre lebte er mit ihr diesen Rausch und hat sich dann doch für Charlotte entschieden. Wollte Familie und Struktur, endlich so etwas wie Normalität. Birgit hat ihm das lange nicht verziehen. Erst letztes Jahr hat sie sich wieder gemeldet, seitdem haben sie ein paar Mal telefoniert. Fast wie früher, vertraut in jedem Moment. Sie wohnt wieder im Rheinland und hat ihren jüngeren Lebenspartner an den Krebs verloren. Als sie das ausgesprochen hatte, lag ihre Frage sofort in der Luft, die sie beim nächsten Telefonat dann stellte oder vielleicht auch erst beim übernächsten. Ob sie sich mal treffen wollen, sie beide?
Seitdem hat er diese Träume, die ihn erregen, die er mag und die ihn verstören, die ihn viel zu früh wach werden und nicht wieder einschlafen lassen. Seitdem kommen Erinnerungen wieder an eine Zeit, an die er einfach nicht mehr gedacht hat. Oder nein, erst neulich bei Wolf nach dem Schach hat er sich wieder erinnert, als der Freund auch von einer bestimmten Frau erzählte. Und nun hört er doch tatsächlich wieder Musik von früher und sieht sich alte Fotos an. Sieht auch Charlotte anders an, ohne dass sie irgendetwas weiß oder ahnt. Ach mein lieber Bosch, wenn ich wollte, wenn ich könnte, wenn ich könnte, wie ich wollte oder doch nicht, was sagst Du dazu?
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Wenn ich wollte
RAU
Nassgeschwitzt wacht Konrad auf und weiß zuerst nicht, wo er ist. Vier Uhr zehn zeigt der Wecker. Neben ihm liegt seine Frau, von der er nur ihre dunklen Haare sieht. Schon wieder, wann hört es auf, denkt er und dreht sich auf die andere Seite. Hört Charlotte ruhig atmen und weiß nicht, ob ihm das gefällt. Nach diesem Traum gerade eben.
Leise schält er sich aus dem Bett und verlässt das Schlafzimmer. Geht kurz auf die Toilette und dann in die Küche, zu seinem Bosch, wohin auch sonst. Vor Jahren gab es in der Zeitung eine Kolumne, in der der Autor alle möglichen Dinge seines Lebens nachts mit dem Kühlschrank besprach. Das hat Konrad damals sehr gefallen, und vielleicht hat er beim Kauf des neuen Gerätes auch daran gedacht.
Dieser Traum eben war heftig, war der heftigste von einer Reihe von Träumen, die ihn seit einiger Zeit plagen. Nicht die Institutsträume, die er auch immer noch hat. Sein Buchbeitrag wird nicht rechtzeitig fertig, seine Sekretärin kündigt, weil er sie angeschnauzt hat, seine Kollegen tuscheln hinter seinem Rücken, sein Vortrag misslingt. Nein, diese Träume kennt er schon fast wie gute Bekannte, die jagen ihm keinen Schrecken mehr ein, nur lästig findet er sie. Aber die neuen Träume, die von Birgit, die will er nicht haben. Oder vielleicht doch?
Konrad öffnet den Bosch und sieht Charlottes Ordnung. Alles an seinem Platz, so wie sie ist. Er würde schon gerne häufiger mal etwas suchen müssen und sich überraschen lassen wollen von etwas Leckerem. Birgit war genauso wie er, und vielleicht ist sie auch aus diesem Grund damals nicht seine Frau geworden. Birgit, die sinnliche Rothaarige aus dem Rheinland, wie hat sie ihn um den Finger wickeln können. Und das hat etwas geheißen bei ihm. Schließlich war er schon Mitte Dreißig, als sie sich in München über den Weg gelaufen sind, und hatte jede Menge Erfahrungen mit Frauen.
Warum jetzt wieder diese Träume? In den beiden letzten waren sie nackt und gerade eben war er in ihr, ganz tief in ihr, spürte seine und ihre Erregung und ihre Finger fest in seinem Rücken, hörte ihr Keuchen. Immer war es intensiv gewesen mit ihr und so unglaublich wie nie zuvor mit einer anderen. Monatelang, ach was, Jahre lebte er mit ihr diesen Rausch und hat sich dann doch für Charlotte entschieden. Wollte Familie und Struktur, endlich so etwas wie Normalität. Birgit hat ihm das lange nicht verziehen. Erst letztes Jahr hat sie sich wieder gemeldet, seitdem haben sie ein paar Mal telefoniert. Fast wie früher, vertraut in jedem Moment. Sie wohnt wieder im Rheinland und hat ihren jüngeren Lebenspartner an den Krebs verloren. Als sie das ausgesprochen hatte, lag ihre Frage sofort in der Luft, die sie beim nächsten Telefonat dann stellte oder vielleicht auch erst beim übernächsten. Ob sie sich mal treffen wollen, sie beide?
Seitdem hat er diese Träume, die ihn erregen, die er mag und die ihn verstören, die ihn viel zu früh wach werden und nicht wieder einschlafen lassen. Seitdem kommen Erinnerungen wieder an eine Zeit, an die er einfach nicht mehr gedacht hat. Oder nein, erst neulich bei Wolf nach dem Schach hat er sich wieder erinnert, als der Freund auch von einer bestimmten Frau erzählte. Und nun hört er doch tatsächlich wieder Musik von früher und sieht sich alte Fotos an. Sieht auch Charlotte anders an, ohne dass sie irgendetwas weiß oder ahnt. Ach mein lieber Bosch, wenn ich wollte, wenn ich könnte, wenn ich könnte, wie ich wollte oder doch nicht, was sagst Du dazu?