Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wenn ich wollte
WIE
Das Grundstück und das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, wird von einer Hainbuchenhecke und einem Jägerzaun umrandet. Das Haus gehört uns noch, auch wenn ich nicht dort lebe, und Hecke wie Zaun stehen noch, seit über 60 Jahren. Da es sich um ein Eckhaus handelt, müssen zwei Seiten des Grundstückes auf diese Weise zur Straße hin abgrenzt werden. Das bedeutete immer schon, dass es an diesem Grundstück viel zu tun gab.
Das wurde früher gerne uns Kindern zugetragen, denn mein Vater entzog sich gerne Arbeiten, bei denen er der Öffentlichkeit ausgesetzt war. Obwohl, sollte überhaupt mal ein Fußgänger oder ein Auto vorbeikommen, es sich in den meisten Fälle ja um vertraute Nachbarn handelte, die Straße endet in einer Sackgasse .
Schon früh habe ich also die Aufgabe übernommen, Bürgersteig und Bordstein zu fegen und später dann auch die Hecke zu schneiden. Dieser samstägliche Fleiß wurde oft von Nachbarn mit den Worten bedacht: „Na Jan, bist du wieder fleißig, toll wie du das machst.“ Schon damals hatte ich das Bedürfnis, eine schlagfertige Antwort zu haben. Die hätte ich mir aber vorher zurecht legen müssen, spontan wollte mir nichts einfallen. Denn mir war mir nicht immer klar, ob es anerkennend oder auch mitleidig gemeint war. Oft meinte ich Letzteres raus zuhören, weil ich immer noch eine einfache Heckenschere per Hand benutzte, während auf allen anderen Grundstücken bereits Elektro- und Benzinvarianten surrten oder knatterten.
Auch nach meinem Auszug nach Bonn war ich für diese Arbeiten noch manchmal zuständig, wenn etwas mit den Terminen der Gärtner nicht klappte. Und auch letztens musste ich noch einmal einspringen, weil ein gründlicher Hecken- und Sträucherbeschnitt anstand, um den Bürgersteig freizuhalten.
Damit war ich gut zwei Tage beschäftigt, genug Zeit also, um die vertraute Atmosphäre der Gartenarbeit auf der Straße noch einmal intensiv zu erleben. Mit allem was immer schon dazu gehörte, dem Rauschen der Autobahn im Hintergrund, dass zur Seite Treten und schnelle, provisorische Zusammenfegen auf der relativ schmalen Straße, sobald ein Auto vorbeikommt. Und auch weiterhin die Benutzung einer Hecken- und Astschere per Hand, weil der Beschnitt der mittlerweile recht chaotisch gewachsenen Hecke anders gar nicht möglich ist. Auch die Arbeit des Zusammenfegens und Saubermachens ist geblieben, die Bürgersteigplatten sind unregelmäßig hoch, die Oberfläche des Straßenasphalts noch schlechter als früher. Genauso wie das abschließende Zusammenfegen, bei dem mit jeder weiteren Stufe weitere Kleinigkeiten auffallen, die auch noch schnell gemacht werden könnten, wo ich schon mal dabei bin. Das alles auf einer recht langen Strecke, bei der Besen, Schaufel und Abfallbehälter ständig hin und her getragen werden müssen, weil sie immer viel zu weit auseinander stehen, wenn man sie braucht. Das alles ist geblieben. Und auch das Gefühl, mich bei dieser Arbeit beobachtet zu fühlen, wenn ich morgens mit der Arbeit beginne und nachmittags langsam fertig werde.
Und tatsächlich, obwohl nahezu alle Nachbarn aus der damaligen Zeit nicht mehr in den Häusern leben, kommt morgens doch eine der wenig Verbliebenen vorbei. Damals war sie deutlich jünger als ich, vielleicht vier oder fünf Jahre, heute sind wir so gut wie gleichaltrig. Und doch hört sie sich genauso an wie die Erwachsenen von damals: „Na Jan, das sieht aber nach Arbeit aus.“ Und als sie abends noch einmal vorbeikommt, nachdem sie die Enkel, die sie betreut, zurückgebracht hat, ruft sie noch mal in vertrauten Weise zu: „Fleißig fleißig, ganz schön viel Arbeit, was?“
In dem Moment denke ich, dass ich diese Arbeit auch eine Gartenfirma hätte machen lassen können. „Wenn ich gewollt hätte,“ sage ich leise zu mir. Ich wollte aber nicht, sondern wollte diese bis heute identische Atmosphäre noch einmal erleben. Wo gelingt einem das schließlich noch?
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Wenn ich wollte
WIE
Das Grundstück und das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, wird von einer Hainbuchenhecke und einem Jägerzaun umrandet. Das Haus gehört uns noch, auch wenn ich nicht dort lebe, und Hecke wie Zaun stehen noch, seit über 60 Jahren. Da es sich um ein Eckhaus handelt, müssen zwei Seiten des Grundstückes auf diese Weise zur Straße hin abgrenzt werden. Das bedeutete immer schon, dass es an diesem Grundstück viel zu tun gab.
Das wurde früher gerne uns Kindern zugetragen, denn mein Vater entzog sich gerne Arbeiten, bei denen er der Öffentlichkeit ausgesetzt war. Obwohl, sollte überhaupt mal ein Fußgänger oder ein Auto vorbeikommen, es sich in den meisten Fälle ja um vertraute Nachbarn handelte, die Straße endet in einer Sackgasse .
Schon früh habe ich also die Aufgabe übernommen, Bürgersteig und Bordstein zu fegen und später dann auch die Hecke zu schneiden. Dieser samstägliche Fleiß wurde oft von Nachbarn mit den Worten bedacht: „Na Jan, bist du wieder fleißig, toll wie du das machst.“ Schon damals hatte ich das Bedürfnis, eine schlagfertige Antwort zu haben. Die hätte ich mir aber vorher zurecht legen müssen, spontan wollte mir nichts einfallen. Denn mir war mir nicht immer klar, ob es anerkennend oder auch mitleidig gemeint war. Oft meinte ich Letzteres raus zuhören, weil ich immer noch eine einfache Heckenschere per Hand benutzte, während auf allen anderen Grundstücken bereits Elektro- und Benzinvarianten surrten oder knatterten.
Auch nach meinem Auszug nach Bonn war ich für diese Arbeiten noch manchmal zuständig, wenn etwas mit den Terminen der Gärtner nicht klappte. Und auch letztens musste ich noch einmal einspringen, weil ein gründlicher Hecken- und Sträucherbeschnitt anstand, um den Bürgersteig freizuhalten.
Damit war ich gut zwei Tage beschäftigt, genug Zeit also, um die vertraute Atmosphäre der Gartenarbeit auf der Straße noch einmal intensiv zu erleben. Mit allem was immer schon dazu gehörte, dem Rauschen der Autobahn im Hintergrund, dass zur Seite Treten und schnelle, provisorische Zusammenfegen auf der relativ schmalen Straße, sobald ein Auto vorbeikommt. Und auch weiterhin die Benutzung einer Hecken- und Astschere per Hand, weil der Beschnitt der mittlerweile recht chaotisch gewachsenen Hecke anders gar nicht möglich ist. Auch die Arbeit des Zusammenfegens und Saubermachens ist geblieben, die Bürgersteigplatten sind unregelmäßig hoch, die Oberfläche des Straßenasphalts noch schlechter als früher. Genauso wie das abschließende Zusammenfegen, bei dem mit jeder weiteren Stufe weitere Kleinigkeiten auffallen, die auch noch schnell gemacht werden könnten, wo ich schon mal dabei bin. Das alles auf einer recht langen Strecke, bei der Besen, Schaufel und Abfallbehälter ständig hin und her getragen werden müssen, weil sie immer viel zu weit auseinander stehen, wenn man sie braucht. Das alles ist geblieben. Und auch das Gefühl, mich bei dieser Arbeit beobachtet zu fühlen, wenn ich morgens mit der Arbeit beginne und nachmittags langsam fertig werde.
Und tatsächlich, obwohl nahezu alle Nachbarn aus der damaligen Zeit nicht mehr in den Häusern leben, kommt morgens doch eine der wenig Verbliebenen vorbei. Damals war sie deutlich jünger als ich, vielleicht vier oder fünf Jahre, heute sind wir so gut wie gleichaltrig. Und doch hört sie sich genauso an wie die Erwachsenen von damals: „Na Jan, das sieht aber nach Arbeit aus.“ Und als sie abends noch einmal vorbeikommt, nachdem sie die Enkel, die sie betreut, zurückgebracht hat, ruft sie noch mal in vertrauten Weise zu: „Fleißig fleißig, ganz schön viel Arbeit, was?“
In dem Moment denke ich, dass ich diese Arbeit auch eine Gartenfirma hätte machen lassen können. „Wenn ich gewollt hätte,“ sage ich leise zu mir. Ich wollte aber nicht, sondern wollte diese bis heute identische Atmosphäre noch einmal erleben. Wo gelingt einem das schließlich noch?