Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wenn der Alltag mal aussetzt
RAU
"Was machen wir eigentlich heute?“, fragt sie und beißt in ihr dunkles Dinkelbrot mit vegetarischem Aufschnitt.
„Weiß nicht, nichts.“
„Haben wir doch gestern schon gemacht“, sagt sie.
„Bin aber nicht fertig geworden“, antworte ich forsch, sehe wieder auf mein Pad und versuche die Zeitung weiterzulesen, aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Anna dasselbe macht. Na prima, denke ich und streiche mit den Fingern über mein Kinn. Ein Ehepaar im vierzehnten Jahr in Bademänteln mit zwei iPads an einem reich gedeckten Frühstückstisch. Kein Lächeln und kein richtiges Gespräch, dabei sind die Kinder für drei Tage bei den Großeltern. Wir könnten es so richtig krachen lassen, früher wären wir bis mittags nicht aus dem Bett gekommen, aber wir sind eben doch schon im vierzehnten Jahr. Ich überblättere die Wirtschaftsseiten der Zeitung und bleibe bei einer Werbung von Saturn hängen.
„Es soll trocken bleiben und nachmittags sogar die Sonne kommen, wir könnten doch zur Müritz fahren?“
schlägt Anna vor.
„Ist schon zu spät dafür.“
„Dann nach Werder?“
„Meinetwegen“, brumme ich.
„Schlecht geschlafen oder was ist los?“, fragt sie mit diesem Ton in der Stimme, der alles andere als angenehm ist.
„Nix ist los.“
Wenn Anna wüsste. Die ganzen Feiertage schon habe ich ihr nichts erzählt. Meine Firma strukturiert mal wieder um, und für den neuen Chefposten in meiner Abteilung gibt es plötzlich doch eine Mitbewerberin. Natürlich eine Frau, dieses elendige Genderthema, dazu auch noch jünger. Wenn ich Pech habe, bekommt sie den Job. Und ich kann mir mit Mitte Vierzig was Neues suchen. Als hochdotierter Mathematiker würde ich natürlich was finden, aber ich habe absolut keine Lust, mich wieder umzuorientieren. So einfach ist das. Ich mag keine Veränderungen, habe ich noch nie gemocht, und ich mag auch keinen Zwangsurlaub von der Firma verordnet bekommen. Zwischen den Jahren wird nicht gearbeitet, hieß es schon im Herbst. Haben die eine Vorstellung davon, was es bedeutet, viele Tage am Stück im grauen Berliner Winter mit der Familie zu verbringen? Welcher Tag ist eigentlich heute? Wochenende oder noch oder schon wieder Feiertag?
„Wir können auch nach Caputh fahren und abends im Fährhaus was essen, soll ich einen Tisch bestellen?“, sagt Anna.
„Ja“, murmele ich, "Saturn bietet günstige Netzwerk Audioplayer an, das könnte ich wirklich brauchen. Wir könnten vorher kurz bei Saturn …“.
„Auf keinen Fall, du weißt doch, wie ich diese Läden und alles, was sie verkaufen, hasse,“ unterbricht sie mich sofort.
„Aber es liegt auf dem Weg, und ich springe nur kurz rein. Die haben gerade ein interessantes Angebot.“
„Kannst du doch morgen oder übermorgen machen, da soll es regnen“, meint sie.
„Morgen ist Sonntag.“
„Quatsch, Dienstag.“
„Ich komme ganz durcheinander mit all den freien Tagen“, sage ich.
„Ich fasse es nicht“, sagt sie, „hier steht es Schwarz auf Weiß, dass es dafür wirklich einen Begriff gibt. WAF, woman accepted factor. Männer schaffen ja meist elektronische Geräte an, die ihren Frauen nicht gefallen.“
„Und dafür gibt es einen Begriff? Wofür manche Leute Zeit haben“, sage ich und studiere wieder die Anzeige von Saturn.
„Frauen mögen es nicht, dass ihre Männer mit der neuen Anschaffung soviel Zeit verbringen, wir hassen diese großen, hässlichen, meist schwarzen Gehäuse, den endlosen Kabelsalat, aberwitzig viele Fernbedienungen, Lärm von Lüftern und Festplatten. Wir wollen, dass der Mann Zeit mit uns verbringt statt mit diesem Technikkram“, sagt sie im leicht überheblichen Ton einer Oberlehrerin.
„Und deshalb darf ich heute nicht zu Saturn und morgen dann wohl auch nicht? Das ist ja wohl der Gipfel.“ Am liebsten würde ich aufstehen und mich wieder im Bett verkrümeln. Soll sie doch alleine an die Müritz oder nach Caputh fahren. Wenn wir so weitermachen, können wir die nächsten drei kinderfreien Tage komplett abschreiben, denke ich mir und habe dennoch keine Idee, was ich jetzt sagen soll. Gieße mir frischen Kaffee ein und sehe meine Frau im Bademantel und den beiden Furchen zwischen den Augen an.
„Ich hab’s“, sagt sie, heute machen wir nix und morgen stehen wir früh auf, fahren zu deinem geliebten Saturn. Aber du kaufst nichts Schwarzes, versprochen? Und dann weiter nach Caputh, was meinst du?
„Und morgen ist wirklich kein Sonntag und kein Feiertag?“, frage ich einigermaßen erleichtert über ihren Vorschlag.
„Morgen ist Dienstag, hörst du mir eigentlich überhaupt nicht zu?“
„Aber klar doch Schatz.“
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wenn der Alltag mal aussetzt
RAU
"Was machen wir eigentlich heute?“, fragt sie und beißt in ihr dunkles Dinkelbrot mit vegetarischem Aufschnitt.
„Weiß nicht, nichts.“
„Haben wir doch gestern schon gemacht“, sagt sie.
„Bin aber nicht fertig geworden“, antworte ich forsch, sehe wieder auf mein Pad und versuche die Zeitung weiterzulesen, aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Anna dasselbe macht. Na prima, denke ich und streiche mit den Fingern über mein Kinn. Ein Ehepaar im vierzehnten Jahr in Bademänteln mit zwei iPads an einem reich gedeckten Frühstückstisch. Kein Lächeln und kein richtiges Gespräch, dabei sind die Kinder für drei Tage bei den Großeltern. Wir könnten es so richtig krachen lassen, früher wären wir bis mittags nicht aus dem Bett gekommen, aber wir sind eben doch schon im vierzehnten Jahr. Ich überblättere die Wirtschaftsseiten der Zeitung und bleibe bei einer Werbung von Saturn hängen.
„Es soll trocken bleiben und nachmittags sogar die Sonne kommen, wir könnten doch zur Müritz fahren?“
schlägt Anna vor.
„Ist schon zu spät dafür.“
„Dann nach Werder?“
„Meinetwegen“, brumme ich.
„Schlecht geschlafen oder was ist los?“, fragt sie mit diesem Ton in der Stimme, der alles andere als angenehm ist.
„Nix ist los.“
Wenn Anna wüsste. Die ganzen Feiertage schon habe ich ihr nichts erzählt. Meine Firma strukturiert mal wieder um, und für den neuen Chefposten in meiner Abteilung gibt es plötzlich doch eine Mitbewerberin. Natürlich eine Frau, dieses elendige Genderthema, dazu auch noch jünger. Wenn ich Pech habe, bekommt sie den Job. Und ich kann mir mit Mitte Vierzig was Neues suchen. Als hochdotierter Mathematiker würde ich natürlich was finden, aber ich habe absolut keine Lust, mich wieder umzuorientieren. So einfach ist das. Ich mag keine Veränderungen, habe ich noch nie gemocht, und ich mag auch keinen Zwangsurlaub von der Firma verordnet bekommen. Zwischen den Jahren wird nicht gearbeitet, hieß es schon im Herbst. Haben die eine Vorstellung davon, was es bedeutet, viele Tage am Stück im grauen Berliner Winter mit der Familie zu verbringen? Welcher Tag ist eigentlich heute? Wochenende oder noch oder schon wieder Feiertag?
„Wir können auch nach Caputh fahren und abends im Fährhaus was essen, soll ich einen Tisch bestellen?“, sagt Anna.
„Ja“, murmele ich, "Saturn bietet günstige Netzwerk Audioplayer an, das könnte ich wirklich brauchen. Wir könnten vorher kurz bei Saturn …“.
„Auf keinen Fall, du weißt doch, wie ich diese Läden und alles, was sie verkaufen, hasse,“ unterbricht sie mich sofort.
„Aber es liegt auf dem Weg, und ich springe nur kurz rein. Die haben gerade ein interessantes Angebot.“
„Kannst du doch morgen oder übermorgen machen, da soll es regnen“, meint sie.
„Morgen ist Sonntag.“
„Quatsch, Dienstag.“
„Ich komme ganz durcheinander mit all den freien Tagen“, sage ich.
„Ich fasse es nicht“, sagt sie, „hier steht es Schwarz auf Weiß, dass es dafür wirklich einen Begriff gibt. WAF, woman accepted factor. Männer schaffen ja meist elektronische Geräte an, die ihren Frauen nicht gefallen.“
„Und dafür gibt es einen Begriff? Wofür manche Leute Zeit haben“, sage ich und studiere wieder die Anzeige von Saturn.
„Frauen mögen es nicht, dass ihre Männer mit der neuen Anschaffung soviel Zeit verbringen, wir hassen diese großen, hässlichen, meist schwarzen Gehäuse, den endlosen Kabelsalat, aberwitzig viele Fernbedienungen, Lärm von Lüftern und Festplatten. Wir wollen, dass der Mann Zeit mit uns verbringt statt mit diesem Technikkram“, sagt sie im leicht überheblichen Ton einer Oberlehrerin.
„Und deshalb darf ich heute nicht zu Saturn und morgen dann wohl auch nicht? Das ist ja wohl der Gipfel.“ Am liebsten würde ich aufstehen und mich wieder im Bett verkrümeln. Soll sie doch alleine an die Müritz oder nach Caputh fahren. Wenn wir so weitermachen, können wir die nächsten drei kinderfreien Tage komplett abschreiben, denke ich mir und habe dennoch keine Idee, was ich jetzt sagen soll. Gieße mir frischen Kaffee ein und sehe meine Frau im Bademantel und den beiden Furchen zwischen den Augen an.
„Ich hab’s“, sagt sie, heute machen wir nix und morgen stehen wir früh auf, fahren zu deinem geliebten Saturn. Aber du kaufst nichts Schwarzes, versprochen? Und dann weiter nach Caputh, was meinst du?
„Und morgen ist wirklich kein Sonntag und kein Feiertag?“, frage ich einigermaßen erleichtert über ihren Vorschlag.
„Morgen ist Dienstag, hörst du mir eigentlich überhaupt nicht zu?“
„Aber klar doch Schatz.“