Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wenn der Alltag mal aussetzt
WIE
„Frühstück um halb drei, ich weiß nicht, ob ich das kann“, bemerkt meine Freundin, als ich Brötchen und Aufschnitt auf den Tisch stelle, dazu ein paar Bratkartoffeln und etwas Salat.
„Wir erwarten doch Besuch aus Übersee, frisch vom Flughafen, und da kommt schon mal einiges durcheinander. Ich denke, es muss auch mal so gehen“, sage ich.
„Ja, aber schon irgendwie komisch, alles so vollkommen aus der Reihe. Welche Teller sollen wir denn nehmen?“
Da bin ich allerdings selber etwas überfragt. “Ich finde es schon sehr schön, wenn man es sich leisten kann, es einfach mal so richtig durcheinander zu haben“, muss an meine Kindheit denken und hänge schnell noch dran, „ich habe nichts dagegen, wenn der Alltag mal aussetzt.“
„Ja, vielleicht mal nach durchzechten Nächten, nach Umzügen, aber doch nicht freiwillig“, gibt sie mir zu verstehen.
„Hast du es als Kind nicht genossen, wenn der Alltag mal aussetzte?“, frage ich.
“Ja, sicherlich war es nicht schlecht, wenn dieses dämpfende Gefühl des Alltäglichen mal weg blieb. In der Schulzeit gab es ja fast nur hektische Frühstücke, Vormittage in der Schule, Mittagessen und Hausaufgabenzeit, nachmittags dann Musikschule, Schwimmunterricht und andere Pflichtprogramme.“
„Genau, umso mehr sind mir die Tage in Erinnerung, die doch ganz anders verliefen, anders als geplant. Wenn zum Beispiel die Küche renoviert wurde, und es keinen Herd gab, wenn Freunde meiner Eltern zu Besuch waren, wenn sich die Schlafplätze veränderten, weil auch die Gäste Betten brauchten. Wenn Essens- und Zubettgehzeiten außer Kraft gesetzt wurden, wenn Hausaufgaben nicht so wichtig waren, wenn andere Rituale durch Ausnahmen ersetzt wurden. Wenn wir mit der sogenannten Katzenwäsche abends ins Bett gehen durften. Auch kleine Katastrophen gehören dazu, ein Defekt an der Spülmaschine, eine zersprungene Verandatür aus Glas, die zugeklebt werden musste, ein längerer Stromausfall bei einem Gewitter, eine defekte Heizung.“
„Mir hat sowas eher Angst gemacht.“
„Ich habe immer die Ruhe und Gelassenheit meiner Eltern bewundert, die mit dem Nichtfunktionierenden ganz gut zurechtkamen auch mit uns drei Kindern. Und ich habe improvisierte Mittagessen genossen, kalte Käsebrötchen mit Kakao, alles auf provisorischen Tischen, das hat besonders gut geschmeckt. Als die Heizung ausfiel, haben wir mit Mänteln und dicken Mützen drinnen gesessen, als der Strom ausfiel, sind wir mit Kerzen in der Hand ins Bett gegangen. Es wurde bei solchen Gelegenheiten viel gelacht, mein Vater hat gerne Quatsch gemacht. Und meine Mutter hat von früher erzählt und geschwärmt.“
„Na, da beneide ich dich richtig um deine Erinnerungen.“
„Ja, und ich mag es heute noch sehr, wenn alles mal anders läuft. An anderen Stellen in der Wohnung zu essen oder einfach mal an einem Montagmittag in einem Café in der Stadt zu sitzen und um halb drei ein Frühstück zu bestellen. Und dieses ferientypische Gefühl zu bekommen und den entsprechenden Blick dazu. Menschen beobachten, wie sie arbeiten und beschäftigt sind, auf die Dächer und Fassaden zu gucken statt in die Geschäfte.“
„Und was ist mit den Ausnahmetagen im Jahr, zum Beispiel Weihnachten, Sylvester, Ostern und runden Geburtstagen?“
„Hm, da habe ich eigentlich weniger das Gefühl von Ausnahme. Da läuft alles genau so wie es an Weihnachten oder Ostern zu laufen hat. Eben doch wieder nach festen Regeln, weil so viel geschafft und richtig gemacht werden muss, aber leider nicht improvisiert.“
„Verstehe, das Schönste sind für dich Alltage ohne Alltag.“
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Wenn der Alltag mal aussetzt
WIE
„Frühstück um halb drei, ich weiß nicht, ob ich das kann“, bemerkt meine Freundin, als ich Brötchen und Aufschnitt auf den Tisch stelle, dazu ein paar Bratkartoffeln und etwas Salat.
„Wir erwarten doch Besuch aus Übersee, frisch vom Flughafen, und da kommt schon mal einiges durcheinander. Ich denke, es muss auch mal so gehen“, sage ich.
„Ja, aber schon irgendwie komisch, alles so vollkommen aus der Reihe. Welche Teller sollen wir denn nehmen?“
Da bin ich allerdings selber etwas überfragt. “Ich finde es schon sehr schön, wenn man es sich leisten kann, es einfach mal so richtig durcheinander zu haben“, muss an meine Kindheit denken und hänge schnell noch dran, „ich habe nichts dagegen, wenn der Alltag mal aussetzt.“
„Ja, vielleicht mal nach durchzechten Nächten, nach Umzügen, aber doch nicht freiwillig“, gibt sie mir zu verstehen.
„Hast du es als Kind nicht genossen, wenn der Alltag mal aussetzte?“, frage ich.
“Ja, sicherlich war es nicht schlecht, wenn dieses dämpfende Gefühl des Alltäglichen mal weg blieb. In der Schulzeit gab es ja fast nur hektische Frühstücke, Vormittage in der Schule, Mittagessen und Hausaufgabenzeit, nachmittags dann Musikschule, Schwimmunterricht und andere Pflichtprogramme.“
„Genau, umso mehr sind mir die Tage in Erinnerung, die doch ganz anders verliefen, anders als geplant. Wenn zum Beispiel die Küche renoviert wurde, und es keinen Herd gab, wenn Freunde meiner Eltern zu Besuch waren, wenn sich die Schlafplätze veränderten, weil auch die Gäste Betten brauchten. Wenn Essens- und Zubettgehzeiten außer Kraft gesetzt wurden, wenn Hausaufgaben nicht so wichtig waren, wenn andere Rituale durch Ausnahmen ersetzt wurden. Wenn wir mit der sogenannten Katzenwäsche abends ins Bett gehen durften. Auch kleine Katastrophen gehören dazu, ein Defekt an der Spülmaschine, eine zersprungene Verandatür aus Glas, die zugeklebt werden musste, ein längerer Stromausfall bei einem Gewitter, eine defekte Heizung.“
„Mir hat sowas eher Angst gemacht.“
„Ich habe immer die Ruhe und Gelassenheit meiner Eltern bewundert, die mit dem Nichtfunktionierenden ganz gut zurechtkamen auch mit uns drei Kindern. Und ich habe improvisierte Mittagessen genossen, kalte Käsebrötchen mit Kakao, alles auf provisorischen Tischen, das hat besonders gut geschmeckt. Als die Heizung ausfiel, haben wir mit Mänteln und dicken Mützen drinnen gesessen, als der Strom ausfiel, sind wir mit Kerzen in der Hand ins Bett gegangen. Es wurde bei solchen Gelegenheiten viel gelacht, mein Vater hat gerne Quatsch gemacht. Und meine Mutter hat von früher erzählt und geschwärmt.“
„Na, da beneide ich dich richtig um deine Erinnerungen.“
„Ja, und ich mag es heute noch sehr, wenn alles mal anders läuft. An anderen Stellen in der Wohnung zu essen oder einfach mal an einem Montagmittag in einem Café in der Stadt zu sitzen und um halb drei ein Frühstück zu bestellen. Und dieses ferientypische Gefühl zu bekommen und den entsprechenden Blick dazu. Menschen beobachten, wie sie arbeiten und beschäftigt sind, auf die Dächer und Fassaden zu gucken statt in die Geschäfte.“
„Und was ist mit den Ausnahmetagen im Jahr, zum Beispiel Weihnachten, Sylvester, Ostern und runden Geburtstagen?“
„Hm, da habe ich eigentlich weniger das Gefühl von Ausnahme. Da läuft alles genau so wie es an Weihnachten oder Ostern zu laufen hat. Eben doch wieder nach festen Regeln, weil so viel geschafft und richtig gemacht werden muss, aber leider nicht improvisiert.“
„Verstehe, das Schönste sind für dich Alltage ohne Alltag.“