Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Was wäre dir lieber?
RAU
Gut gefragt und sicher auch lieb gemeint, denkt sie, als Konrad sie genau das auf der Rückfahrt kurz vor Berlin fragt. Aber auch so was von daneben, findet sie. Doch vielleicht ist sie auch nur müde und erschöpft von dem langen Tag. Bestimmt ist es das, dazu all das Ungewohnte der vergangenen Stunden. Erst der Anruf schon kurz nach sieben, als sie erst gut fünf Stunden im Bett gelegen waren, denn die Jahresfeier ihrer Firma war opulent, überaus witzig und dank guter Musik sehr lang gegangen. Erst um zwei lagen sie völlig überdreht und erschossen schließlich in ihren Betten und freuten sich auf einen erholsamen Samstag ohne Programm.
Und dann das: der Anruf des Krankenhauses, dass Mutter zusammengebrochen sei und nun auf der Intensivstation liege. Ihre Mutter, der doch im Leben nie irgendetwas anhaben kann, die immer standhaft und aufrecht jedweden Krisen, und davon gab es wahrlich genug in ihrem langen Leben, zu begegnen weiß. Intensivstation? Echt jetzt? Von Hundert auf …. auf was eigentlich? Sie haben zu wenig Informationen, also machen sie sich nach Katzenwäsche und schnellem Frühstück auf den Weg. Sprich auf die Autobahn und düsen die zweihundertachtzig Kilometer nach Hamburg in Rekordzeit. Konrad fährt hochkonzentriert und ist still, das ist am allerbesten. Ach, auf ihn ist doch Verlass wenn es drauf ankommt, denkt sie und drückt seine Hand.
Dank Navi finden sie sofort das Krankenhaus, der behandelnde Arzt ist freundlich und ehrlich. Eine Rückkehr zum alten, selbstbestimmten Leben hält er für ausgeschlossen, sie müssten sich darauf einstellen, dass sie nicht mehr nach Hause zurückkehren könne, es sei denn, sie könnten Pflege rund um die Uhr besorgen. Der Schlaganfall hätte beinahe alle Funktionen betroffen, Beweglichkeit, Sehfähigkeit und auch das Sprachvermögen.
„Sie kann nicht mehr sprechen? Wird nie mehr sprechen können?“, haspelte Charlotte.
„Ja, das kann sein“, antwortete der Arzt.
Nachdem sie sie kurz besuchen konnten inmitten all der Geräte und Schläuche schleichen sie stumm zurück zum Wagen, gehen nicht mehr in eine Pizzeria oder in ein Cafe, holen sich an der Tankstelle je ein belegtes Brötchen und eine Cola Zero und fahren zurück. Konrad lenkt den Wagen, und Charlotte ringt mit der Fassung. Wirre Gedanken schwirren durch ihren Kopf, die sie mit Mühe beiseite schiebt. Will nicht denken, nicht weinen, möchte gar nichts. Kurz bevor sie die Augen schließt, hört sie Konrads Frage: „Was wäre dir lieber?“ Aber sie mag nicht antworten, kann es auch nicht. Möchte nur neben ihm sitzen und greift seine rechte Hand.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Was wäre dir lieber?
RAU
Gut gefragt und sicher auch lieb gemeint, denkt sie, als Konrad sie genau das auf der Rückfahrt kurz vor Berlin fragt. Aber auch so was von daneben, findet sie. Doch vielleicht ist sie auch nur müde und erschöpft von dem langen Tag. Bestimmt ist es das, dazu all das Ungewohnte der vergangenen Stunden. Erst der Anruf schon kurz nach sieben, als sie erst gut fünf Stunden im Bett gelegen waren, denn die Jahresfeier ihrer Firma war opulent, überaus witzig und dank guter Musik sehr lang gegangen. Erst um zwei lagen sie völlig überdreht und erschossen schließlich in ihren Betten und freuten sich auf einen erholsamen Samstag ohne Programm.
Und dann das: der Anruf des Krankenhauses, dass Mutter zusammengebrochen sei und nun auf der Intensivstation liege. Ihre Mutter, der doch im Leben nie irgendetwas anhaben kann, die immer standhaft und aufrecht jedweden Krisen, und davon gab es wahrlich genug in ihrem langen Leben, zu begegnen weiß. Intensivstation? Echt jetzt? Von Hundert auf …. auf was eigentlich? Sie haben zu wenig Informationen, also machen sie sich nach Katzenwäsche und schnellem Frühstück auf den Weg. Sprich auf die Autobahn und düsen die zweihundertachtzig Kilometer nach Hamburg in Rekordzeit. Konrad fährt hochkonzentriert und ist still, das ist am allerbesten. Ach, auf ihn ist doch Verlass wenn es drauf ankommt, denkt sie und drückt seine Hand.
Dank Navi finden sie sofort das Krankenhaus, der behandelnde Arzt ist freundlich und ehrlich. Eine Rückkehr zum alten, selbstbestimmten Leben hält er für ausgeschlossen, sie müssten sich darauf einstellen, dass sie nicht mehr nach Hause zurückkehren könne, es sei denn, sie könnten Pflege rund um die Uhr besorgen. Der Schlaganfall hätte beinahe alle Funktionen betroffen, Beweglichkeit, Sehfähigkeit und auch das Sprachvermögen.
„Sie kann nicht mehr sprechen? Wird nie mehr sprechen können?“, haspelte Charlotte.
„Ja, das kann sein“, antwortete der Arzt.
Nachdem sie sie kurz besuchen konnten inmitten all der Geräte und Schläuche schleichen sie stumm zurück zum Wagen, gehen nicht mehr in eine Pizzeria oder in ein Cafe, holen sich an der Tankstelle je ein belegtes Brötchen und eine Cola Zero und fahren zurück. Konrad lenkt den Wagen, und Charlotte ringt mit der Fassung. Wirre Gedanken schwirren durch ihren Kopf, die sie mit Mühe beiseite schiebt. Will nicht denken, nicht weinen, möchte gar nichts. Kurz bevor sie die Augen schließt, hört sie Konrads Frage: „Was wäre dir lieber?“ Aber sie mag nicht antworten, kann es auch nicht. Möchte nur neben ihm sitzen und greift seine rechte Hand.