Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Warum nicht?
WIE
1
„Kommst du heute Abend mit auf die Kirmes?"
„Warum nicht“, denkt er, auf einer Kirmes war er seit über dreissig Jahren nicht mehr.
Nach eineinhalb Stunden auf der Autobahn erreichen sie endlich die Abfahrt.
„Vielleicht sollten wir schon mal hier nach einem Parkplatz suchen?“, sagt er.
Notgedrungen stellen sie das Auto in einer Seitenstraße im Anwohnerbereich ab und ziehen zu Fuß weiter. Es nieselt, die Straßen sind dunkel und kleinteilig in diesem Reihenhausviertel. Sie versuchen dem Gehör nach zu gehen und erreichen irgendwann tatsächlich das Kirmesgelände, von nun an schlägt ihnen zusätzlich zum Lärm vor allem diese typische Geruchsmischung entgegen. Jetzt erinnert er sich wieder, warum er seit über dreißig Jahren nicht mehr auf die Kirmes gehen wollte.
„Ich glaube, ich gehe noch mal zum Auto zurück Auto, nicht dass sie uns am Ende noch abschleppen.“
2
"Probier erstmal die Schnecken, die sind wirklich köstlich.“
Warum nicht, denkt sie, hat sie nicht gerade erst gelesen, wie wichtig es ist, öfters mal was Neues zu probieren.
Als die gusseiserne Pfanne mit den Vertiefungen vor ihr auf dem Tisch steht, sie das Brot hinein taucht und dann hineinbeißt, verbrennt sie sich als erstes den Mund. Dann wird ihr klar, wie zäh das Fleisch der Schnecken ist, was sie glücklicherweise wegen der verbrannten Zunge nicht schmeckt. Die Kollegin, die ihr die Probierempfehlung gab, hat sich selber wohlweislich einen kleinen Salat als Vorspeise bestellt.
3
„Darf ich sie in meinem Wagen mitnehmen?“
Sie versucht möglichst keck zu antworten: „Warum nicht?“
Was sollte schon dabei sein, wenn der Juniorchef ihr anbietet, sie in seinem neuen Ferrari mit zur Afterworkparty ins Museum zu nehmen. Sie darf sich nur nicht anmerken lassen, dass sie furchtbar aufgeregt ist, endlich mal in so einem Geschoss unterwegs zu sein.
Was sie bis dahin aber noch nicht wusste, dass man sich in so einem Sportwagen liegend fortbewegt. So flach, dass man ausschließlich die dreckigen Unterseiten der Lastkraftwagen zu sehen bekommt und noch nicht mal die Personen in den Fenstern andere Autos. Für die kurze Strecke zum Museum stecken sie ausschließlich im Berufsverkehr. Genügend Zeit, in der ihr der Juniorchef vorschwärmt, welche Geheimnisse in so einem Autokunstwerk stecken. Doch leider gibt es gerade keine Gelegenheit, ihr diese vorzuführen.
4
"Ich lade dir mal diese neue FitnessApp auf dein Handy.“
„Warum nicht“, sagt sie etwas unüberlegt.
„Du wirst schon sehen, ich kann das alles für dich machen.“
Gewicht, Alter, Durchschnittliche bisherigen Aktivitäten, das alles kennt ihre beste Freundin und reicht ihr kurz darauf das präparierte Handy zurück.
„Ich habe für dich erst mal das Level gemäßigte Anfängerstufe eingegeben, du wirst sehen, du kommst ganz schnell auf das nächste Level.“
Drei Wochen später, die gereizte Stimmung zwischen ihrem Mann und ihr hat zugenommen. Gemeinsame Gesprächsthemen und Unternehmungen haben abgenommen. So wie sie selber auch. Doch ihr Mann weigert sich stur, die App zu installieren. Sie unternimmt hingegen nichts mehr, bei dem sie nicht gleichzeitig auch Kalorien verbraucht, Schritte zählen und sonstige Beugungen und Streckungen integrieren kann. Schließlich ist sie jetzt seit zwei Wochen Mitglied in der Unterstützungsgruppe. Und die Mädels dieser Gruppe, wie sie sich selber nennen, legen ein ganz schönes Tempo vor.
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Warum nicht?
WIE
1
„Kommst du heute Abend mit auf die Kirmes?"
„Warum nicht“, denkt er, auf einer Kirmes war er seit über dreissig Jahren nicht mehr.
Nach eineinhalb Stunden auf der Autobahn erreichen sie endlich die Abfahrt.
„Vielleicht sollten wir schon mal hier nach einem Parkplatz suchen?“, sagt er.
Notgedrungen stellen sie das Auto in einer Seitenstraße im Anwohnerbereich ab und ziehen zu Fuß weiter. Es nieselt, die Straßen sind dunkel und kleinteilig in diesem Reihenhausviertel. Sie versuchen dem Gehör nach zu gehen und erreichen irgendwann tatsächlich das Kirmesgelände, von nun an schlägt ihnen zusätzlich zum Lärm vor allem diese typische Geruchsmischung entgegen. Jetzt erinnert er sich wieder, warum er seit über dreißig Jahren nicht mehr auf die Kirmes gehen wollte.
„Ich glaube, ich gehe noch mal zum Auto zurück Auto, nicht dass sie uns am Ende noch abschleppen.“
2
"Probier erstmal die Schnecken, die sind wirklich köstlich.“
Warum nicht, denkt sie, hat sie nicht gerade erst gelesen, wie wichtig es ist, öfters mal was Neues zu probieren.
Als die gusseiserne Pfanne mit den Vertiefungen vor ihr auf dem Tisch steht, sie das Brot hinein taucht und dann hineinbeißt, verbrennt sie sich als erstes den Mund. Dann wird ihr klar, wie zäh das Fleisch der Schnecken ist, was sie glücklicherweise wegen der verbrannten Zunge nicht schmeckt. Die Kollegin, die ihr die Probierempfehlung gab, hat sich selber wohlweislich einen kleinen Salat als Vorspeise bestellt.
3
„Darf ich sie in meinem Wagen mitnehmen?“
Sie versucht möglichst keck zu antworten: „Warum nicht?“
Was sollte schon dabei sein, wenn der Juniorchef ihr anbietet, sie in seinem neuen Ferrari mit zur Afterworkparty ins Museum zu nehmen. Sie darf sich nur nicht anmerken lassen, dass sie furchtbar aufgeregt ist, endlich mal in so einem Geschoss unterwegs zu sein.
Was sie bis dahin aber noch nicht wusste, dass man sich in so einem Sportwagen liegend fortbewegt. So flach, dass man ausschließlich die dreckigen Unterseiten der Lastkraftwagen zu sehen bekommt und noch nicht mal die Personen in den Fenstern andere Autos. Für die kurze Strecke zum Museum stecken sie ausschließlich im Berufsverkehr. Genügend Zeit, in der ihr der Juniorchef vorschwärmt, welche Geheimnisse in so einem Autokunstwerk stecken. Doch leider gibt es gerade keine Gelegenheit, ihr diese vorzuführen.
4
"Ich lade dir mal diese neue FitnessApp auf dein Handy.“
„Warum nicht“, sagt sie etwas unüberlegt.
„Du wirst schon sehen, ich kann das alles für dich machen.“
Gewicht, Alter, Durchschnittliche bisherigen Aktivitäten, das alles kennt ihre beste Freundin und reicht ihr kurz darauf das präparierte Handy zurück.
„Ich habe für dich erst mal das Level gemäßigte Anfängerstufe eingegeben, du wirst sehen, du kommst ganz schnell auf das nächste Level.“
Drei Wochen später, die gereizte Stimmung zwischen ihrem Mann und ihr hat zugenommen. Gemeinsame Gesprächsthemen und Unternehmungen haben abgenommen. So wie sie selber auch. Doch ihr Mann weigert sich stur, die App zu installieren. Sie unternimmt hingegen nichts mehr, bei dem sie nicht gleichzeitig auch Kalorien verbraucht, Schritte zählen und sonstige Beugungen und Streckungen integrieren kann. Schließlich ist sie jetzt seit zwei Wochen Mitglied in der Unterstützungsgruppe. Und die Mädels dieser Gruppe, wie sie sich selber nennen, legen ein ganz schönes Tempo vor.