Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Verzichten
RAU
Was meinst du, Balu? Die Großen streiten ganz schön oft in letzter Zeit, oder? Schreien sich auch manchmal an, wobei Papa lauter wird als Mama. Sie dagegen wird schrill und stößt dann so furchtbar laute Töne wie auf einer Trillerpfeife aus. Und wenn es ganz schlimm wird, schmeißt sie auch irgendetwas durch das Zimmer wie gestern erst ihre schöne, bunte Kaffeetasse. Das hast du nicht mitbekommen, weil du da gerade wie jeden Morgen im Garten deine Runde gedreht hast. Wie gerne würde ich auch mit dir da morgens über den feuchten Rasen tapsen und an den bunten Blumenblüten riechen oder gleich auf den großen Baum hinaufklettern und mit dir zusammen – irgendwie wirst du schon auch da hochkommen – alles von oben betrachten.
Den schönen Garten, das moderne Haus mit den bodentiefen Fenstern und Mama und Papa, wie sie sich morgens in aller Eile zurechtmachen, ihren Espresso trinken, ihre Handys checken und sich seit ein paar Tagen, oder geht es schon länger, leider auch streiten.
Alles wird schwieriger werden, als es schon ist, sagen sie, und dass es so nicht weitergehen kann. Sprechen wechselweise von Gas und Strom und Benzin, von teuren Lebensmitteln und nicht funktionierenden Lieferketten, von heißen Sommern, trocknen Böden und Wassermangel und dass es Vielen jetzt schon schlechter geht. Reden darüber, was man selber machen kann. Nichts Neues mehr kaufen, irgendwie sparen, bewusster umgehen.
Weißt du was sie damit meinen Balu? Ich werde wohl Ghada gleich nach dem Essen danach fragen. Anderen helfen möchte Mama auch, sagt sie. Papa redet eher von anderen Dingen, von Geräten, die zu viel Strom verbrauchen, und auch davon, bald abdunkelnde Jalousien für die großen Fenster zu kaufen und einen Kamin einbauen zu lassen. Dann könnten wir beide draußen im Garten ja beim Brennholz stapeln helfen, das wäre doch lustig.
Oma und Opa streiten nicht, wenn sie zu Besuch kommen, aber erzählen jetzt viel mehr von früher, als sie selber so alt waren wie ich und längst nicht alles hatten. Bananen und Orangen hätte es zum Beispiel nicht immer in den Läden gegeben, und für einen Wagen hätten ihre Eltern fast sieben Jahre warten müssen. So alt wie ich jetzt bin, dass hieße ja, dass Mama und Papa ihren schon bei meiner Geburt hätten bestellen müssen.
Ach Balu, irgendwie ist die Stimmung zuhause ganz schön unfreundlich, nur gut, dass ich Dich und Ghada habe. Falls die Eltern auf die blöde Idee kommen sollten, auf sie zu verzichten, packe ich sofort meinen Rucksack und gehe mit ihr. Du kommst natürlich mit, bist doch mein bester Freund der Welt.
Vorhin haben mich die Eltern gefragt, auf was ich verzichten würde. Die Antwort ist mir nicht schwergefallen. Auf keinen Fall auf dich und Ghada und auch nicht auf meine Legosteine, aber auf das blöde, tägliche Duschen, auf die Schule, die Hälfte meiner anderen Spielsachen und auf Gemüse natürlich. Komm‘ her Balu und lass Dich feste kraulen, mir ist auf einmal so kalt.
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RAU
Was meinst du, Balu? Die Großen streiten ganz schön oft in letzter Zeit, oder? Schreien sich auch manchmal an, wobei Papa lauter wird als Mama. Sie dagegen wird schrill und stößt dann so furchtbar laute Töne wie auf einer Trillerpfeife aus. Und wenn es ganz schlimm wird, schmeißt sie auch irgendetwas durch das Zimmer wie gestern erst ihre schöne, bunte Kaffeetasse. Das hast du nicht mitbekommen, weil du da gerade wie jeden Morgen im Garten deine Runde gedreht hast. Wie gerne würde ich auch mit dir da morgens über den feuchten Rasen tapsen und an den bunten Blumenblüten riechen oder gleich auf den großen Baum hinaufklettern und mit dir zusammen – irgendwie wirst du schon auch da hochkommen – alles von oben betrachten.
Den schönen Garten, das moderne Haus mit den bodentiefen Fenstern und Mama und Papa, wie sie sich morgens in aller Eile zurechtmachen, ihren Espresso trinken, ihre Handys checken und sich seit ein paar Tagen, oder geht es schon länger, leider auch streiten.
Alles wird schwieriger werden, als es schon ist, sagen sie, und dass es so nicht weitergehen kann. Sprechen wechselweise von Gas und Strom und Benzin, von teuren Lebensmitteln und nicht funktionierenden Lieferketten, von heißen Sommern, trocknen Böden und Wassermangel und dass es Vielen jetzt schon schlechter geht. Reden darüber, was man selber machen kann. Nichts Neues mehr kaufen, irgendwie sparen, bewusster umgehen.
Weißt du was sie damit meinen Balu? Ich werde wohl Ghada gleich nach dem Essen danach fragen. Anderen helfen möchte Mama auch, sagt sie. Papa redet eher von anderen Dingen, von Geräten, die zu viel Strom verbrauchen, und auch davon, bald abdunkelnde Jalousien für die großen Fenster zu kaufen und einen Kamin einbauen zu lassen. Dann könnten wir beide draußen im Garten ja beim Brennholz stapeln helfen, das wäre doch lustig.
Oma und Opa streiten nicht, wenn sie zu Besuch kommen, aber erzählen jetzt viel mehr von früher, als sie selber so alt waren wie ich und längst nicht alles hatten. Bananen und Orangen hätte es zum Beispiel nicht immer in den Läden gegeben, und für einen Wagen hätten ihre Eltern fast sieben Jahre warten müssen. So alt wie ich jetzt bin, dass hieße ja, dass Mama und Papa ihren schon bei meiner Geburt hätten bestellen müssen.
Ach Balu, irgendwie ist die Stimmung zuhause ganz schön unfreundlich, nur gut, dass ich Dich und Ghada habe. Falls die Eltern auf die blöde Idee kommen sollten, auf sie zu verzichten, packe ich sofort meinen Rucksack und gehe mit ihr. Du kommst natürlich mit, bist doch mein bester Freund der Welt.
Vorhin haben mich die Eltern gefragt, auf was ich verzichten würde. Die Antwort ist mir nicht schwergefallen. Auf keinen Fall auf dich und Ghada und auch nicht auf meine Legosteine, aber auf das blöde, tägliche Duschen, auf die Schule, die Hälfte meiner anderen Spielsachen und auf Gemüse natürlich. Komm‘ her Balu und lass Dich feste kraulen, mir ist auf einmal so kalt.