Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Versteckspiel
RAU
„Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein“, ruft eine helle Kinderstimme. Sofort steigt der Geruch von Kindheit in seine Nase, als er im Vorbeigehen an einer Schule diesen Abzählrein hört und murmelt leise vor sich hin „ein, zwei, drei … ich komme.“
Peter, Andreas, Michael und Simon, die Namen seiner Freunde von damals sind sofort wieder da. Simon Häuser, der Pfarrerssohn mit den roten Haaren und dem frechen Lachen war schon damals sein bester Freund, mit dem er früher schon durch Dick und Dünn gegangen ist. Jeden Nachmittag waren sie nach Mittagessen und Hausaufgaben gemeinsam draußen, stromerten bei Wind und Wetter durch die Gegend und die langen Kellergänge der Neubauhäuser im Viertel, spielten Fußball oder Verstecken. Frische Luft gab es gratis, kalte Hände und Ohren im Winter sowieso. Ab und an sind sie vor zum Büdchen und haben vom schmalen Taschengeld eine Tüte Lakritz gekauft. Stundenlange Freiheiten ohne Erwachsene.
Und heute? Nichts mehr davon, niente. Weder Lakritz, noch kalte Hände, kein Fußball und durch die Gegend stromern und auch keine Versteckspiele mehr. Die Zeiten seiner gelegentlichen Affären, streng genommen waren es drei, und diesbezüglichen Absprachen, Heimlichkeiten, Lügen und Versteckspielchen sind auch schon etwas länger her. Irgendwie auch schade, andrerseits genießt er jetzt die eheliche Unaufgeregtheit und alles, was damit zusammenhängt auch sehr. Kraft und Nerven für Heimliches hat er einfach nicht mehr. Im Job gab es all das nie bei ihm, aber bei seinem immer noch besten Freund Simon dagegen reichlich, der ist ja auch in die Partei und später in die Landespolitik gegangen. Was er ihm beim gemeinsamen Bier so alles erzählt, von Macht- und Versteckspielchen, von Lügen und Unwahrheiten geht nach seinem Geschmack auf keine Kuhhaut, scheint aber in diesen Kreisen absolut normal zu sein.
Der Junge auf dem Schulhof hat mittlerweile alle Freunde in ihren Verstecken aufgestöbert, nur einer konnte sich unbemerkt freiklopfen. Ob sie noch eine neue Runde machen werden? Soll er fragen, ob er mitspielen darf? Zu schön wäre es, aber er hat noch einen Termin und geht schmunzelnd weiter. Auf jeden Fall wird er nächste Woche Simon beim Bier davon erzählen und summt leise vor sich hin „Eckstein, Eckstein …“.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Versteckspiel
RAU
„Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein“, ruft eine helle Kinderstimme. Sofort steigt der Geruch von Kindheit in seine Nase, als er im Vorbeigehen an einer Schule diesen Abzählrein hört und murmelt leise vor sich hin „ein, zwei, drei … ich komme.“
Peter, Andreas, Michael und Simon, die Namen seiner Freunde von damals sind sofort wieder da. Simon Häuser, der Pfarrerssohn mit den roten Haaren und dem frechen Lachen war schon damals sein bester Freund, mit dem er früher schon durch Dick und Dünn gegangen ist. Jeden Nachmittag waren sie nach Mittagessen und Hausaufgaben gemeinsam draußen, stromerten bei Wind und Wetter durch die Gegend und die langen Kellergänge der Neubauhäuser im Viertel, spielten Fußball oder Verstecken. Frische Luft gab es gratis, kalte Hände und Ohren im Winter sowieso. Ab und an sind sie vor zum Büdchen und haben vom schmalen Taschengeld eine Tüte Lakritz gekauft. Stundenlange Freiheiten ohne Erwachsene.
Und heute? Nichts mehr davon, niente. Weder Lakritz, noch kalte Hände, kein Fußball und durch die Gegend stromern und auch keine Versteckspiele mehr. Die Zeiten seiner gelegentlichen Affären, streng genommen waren es drei, und diesbezüglichen Absprachen, Heimlichkeiten, Lügen und Versteckspielchen sind auch schon etwas länger her. Irgendwie auch schade, andrerseits genießt er jetzt die eheliche Unaufgeregtheit und alles, was damit zusammenhängt auch sehr. Kraft und Nerven für Heimliches hat er einfach nicht mehr. Im Job gab es all das nie bei ihm, aber bei seinem immer noch besten Freund Simon dagegen reichlich, der ist ja auch in die Partei und später in die Landespolitik gegangen. Was er ihm beim gemeinsamen Bier so alles erzählt, von Macht- und Versteckspielchen, von Lügen und Unwahrheiten geht nach seinem Geschmack auf keine Kuhhaut, scheint aber in diesen Kreisen absolut normal zu sein.
Der Junge auf dem Schulhof hat mittlerweile alle Freunde in ihren Verstecken aufgestöbert, nur einer konnte sich unbemerkt freiklopfen. Ob sie noch eine neue Runde machen werden? Soll er fragen, ob er mitspielen darf? Zu schön wäre es, aber er hat noch einen Termin und geht schmunzelnd weiter. Auf jeden Fall wird er nächste Woche Simon beim Bier davon erzählen und summt leise vor sich hin „Eckstein, Eckstein …“.