Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Seit etlichen Jahren ist mal wieder Gelegenheit, sich mit den alten WG-Genossen zu treffen.
„Martin, hab' dich erst letzte Woche wieder im Fernsehen gesehen. Jetzt hast du es aber geschafft.“
„Nee du, ich hab‘ es so dicke ...“, Martin dreht an seinem Weizenbierglas.
„Was? Du bist doch jetzt ganz oben, was willst du mehr? Bist bekannt wie ein bunter Hund, als Kabarettist in der Top-Liga. Selbst mein Nachbar spricht mich darauf an.“ Rüdiger ist nicht wenig stolz, mit jemand so Bekannten mal zusammen gewohnt zu haben.
„Ja, genau, als Kabarettist ein bunter Hund. Mein bissiger Stil, meine typischen Gags, meine Art, auch vor gemeinen und weniger korrekten Formulierungen nicht zurückzuschrecken. Weil ich genau weiß, wie ich so mein Publikum immer auf meine Seite bekomme.“
„Ja und, was willst du mehr? Ein eindeutiges Markenzeichen, man nennt das auch Branding.“ Rüdiger weiß, wovon er spricht, ihn hat es damals in die Werbung verschlagen, wo er heute noch erfolgreich tätig ist.
„Ja toll, du bescheinigst mir gute Marketingstrategien, einem kritischen Kabarettisten, der genau diese Machenschaften und Geschäftsstrategien der Gesellschaft kritisiert.“
„So läuft das nun mal, da kannst du nichts machen.“
„Ich bräuchte mal eine Zeit zum Umsteigen. Würde gerne mal ein ganz anderes Programm machen, eines, das wirklich Fragen stellt und nicht nur alles über einen Kamm schert.“
Rüdiger schaut Martin etwas verwundert an.
„Siehst du, und wenn mein Publikum das gleiche Gesicht macht wie du, dann weiß ich, es stimmt etwas nicht, und ich muss alles machen, um sie wieder zum Lachen zu bringen. Egal welche Klischees ich bringe, das Publikum will sich in seinen Vorurteilen und Ansichten bestätigt sehen.“
Oliver mischt sich ins Gespräch, ursprünglich Pressesprecher eines großen Verbandes ist er heute als Coach oder Berater unterwegs. „Dann mache ein ganz anderes Programm, bestätige nicht nur das, was dein Publikum schon längst weiß.“
„Wie denn, dann müsste es ja über die eigenen Ansichten nachdenken.“
„Genau, warum traust du dich das nicht mal?“
„Weil ich es mir nicht leisten kann!“
„Du nicht leisten?“, Rüdiger interveniert, „hör mal, letztens hast du mir noch erzählt, wie groß deine Umsätze sind, und dein Steuerberater dir zu mehr Investitionen rät, um nicht alles dem Finanzamt zu schenken. Zwei Stadtwohnungen und ein eigenes Weingut, wer hat schon so was?“
„Und jetzt hänge sich selbst genau da, wovor ich auf der Bühne immer warne. Ich mache mich lustig über Bürokratie, Abhängigkeiten, über das Leben im Hamsterrad, aus dem man nicht mehr rauskommt. Dabei dachte ich nur, endlich mehr Platz für mehr Kreativität zu haben, und was habe ich jetzt? Mehrere Baustellen, viel Ärger und Organisation, und ich wünsche mir so sehr eine Umsteigezeit.“
„Hast du die Nase voll, immer nur Publikumsliebling zu sein?“, fragt Oliver mit einer einstudierten Verständnismine.
„Ja.“
„Dann steig‘ doch aus.“
„Geht nicht.“
„Wieso?“
„Ich habe Exfrauen, erwachsene Kinder, Immobilien mitten im Umbau, ein Weingut und neuerdings eine eigene Produktionsfirma zu finanzieren. Das alles nur der Ruhe und Kreativität wegen.“
„Nimm dir mal eine Auszeit oder besser Umsteigezeit. Wirb‘ bei deinen Fans um Verständnis in den sozialen Medien.“
„In Form von Herzchen und Likes, nur kann ich mir davon nichts kaufen. Und die Fans wollen mich dann doch wieder so zurück, wie sie mich kennen.“
Die Männer drehen schweigend an ihren Weizenbiergläsern. Die Stille wird erst unterbrochen, als Rüdiger meint: „Machst du uns noch drei Weizen?“
Texte zum Alltäglichen -
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Seit etlichen Jahren ist mal wieder Gelegenheit, sich mit den alten WG-Genossen zu treffen.
„Martin, hab' dich erst letzte Woche wieder im Fernsehen gesehen. Jetzt hast du es aber geschafft.“
„Nee du, ich hab‘ es so dicke ...“, Martin dreht an seinem Weizenbierglas.
„Was? Du bist doch jetzt ganz oben, was willst du mehr? Bist bekannt wie ein bunter Hund, als Kabarettist in der Top-Liga. Selbst mein Nachbar spricht mich darauf an.“ Rüdiger ist nicht wenig stolz, mit jemand so Bekannten mal zusammen gewohnt zu haben.
„Ja, genau, als Kabarettist ein bunter Hund. Mein bissiger Stil, meine typischen Gags, meine Art, auch vor gemeinen und weniger korrekten Formulierungen nicht zurückzuschrecken. Weil ich genau weiß, wie ich so mein Publikum immer auf meine Seite bekomme.“
„Ja und, was willst du mehr? Ein eindeutiges Markenzeichen, man nennt das auch Branding.“ Rüdiger weiß, wovon er spricht, ihn hat es damals in die Werbung verschlagen, wo er heute noch erfolgreich tätig ist.
„Ja toll, du bescheinigst mir gute Marketingstrategien, einem kritischen Kabarettisten, der genau diese Machenschaften und Geschäftsstrategien der Gesellschaft kritisiert.“
„So läuft das nun mal, da kannst du nichts machen.“
„Ich bräuchte mal eine Zeit zum Umsteigen. Würde gerne mal ein ganz anderes Programm machen, eines, das wirklich Fragen stellt und nicht nur alles über einen Kamm schert.“
Rüdiger schaut Martin etwas verwundert an.
„Siehst du, und wenn mein Publikum das gleiche Gesicht macht wie du, dann weiß ich, es stimmt etwas nicht, und ich muss alles machen, um sie wieder zum Lachen zu bringen. Egal welche Klischees ich bringe, das Publikum will sich in seinen Vorurteilen und Ansichten bestätigt sehen.“
Oliver mischt sich ins Gespräch, ursprünglich Pressesprecher eines großen Verbandes ist er heute als Coach oder Berater unterwegs. „Dann mache ein ganz anderes Programm, bestätige nicht nur das, was dein Publikum schon längst weiß.“
„Wie denn, dann müsste es ja über die eigenen Ansichten nachdenken.“
„Genau, warum traust du dich das nicht mal?“
„Weil ich es mir nicht leisten kann!“
„Du nicht leisten?“, Rüdiger interveniert, „hör mal, letztens hast du mir noch erzählt, wie groß deine Umsätze sind, und dein Steuerberater dir zu mehr Investitionen rät, um nicht alles dem Finanzamt zu schenken. Zwei Stadtwohnungen und ein eigenes Weingut, wer hat schon so was?“
„Und jetzt hänge sich selbst genau da, wovor ich auf der Bühne immer warne. Ich mache mich lustig über Bürokratie, Abhängigkeiten, über das Leben im Hamsterrad, aus dem man nicht mehr rauskommt. Dabei dachte ich nur, endlich mehr Platz für mehr Kreativität zu haben, und was habe ich jetzt? Mehrere Baustellen, viel Ärger und Organisation, und ich wünsche mir so sehr eine Umsteigezeit.“
„Hast du die Nase voll, immer nur Publikumsliebling zu sein?“, fragt Oliver mit einer einstudierten Verständnismine.
„Ja.“
„Dann steig‘ doch aus.“
„Geht nicht.“
„Wieso?“
„Ich habe Exfrauen, erwachsene Kinder, Immobilien mitten im Umbau, ein Weingut und neuerdings eine eigene Produktionsfirma zu finanzieren. Das alles nur der Ruhe und Kreativität wegen.“
„Nimm dir mal eine Auszeit oder besser Umsteigezeit. Wirb‘ bei deinen Fans um Verständnis in den sozialen Medien.“
„In Form von Herzchen und Likes, nur kann ich mir davon nichts kaufen. Und die Fans wollen mich dann doch wieder so zurück, wie sie mich kennen.“
Die Männer drehen schweigend an ihren Weizenbiergläsern. Die Stille wird erst unterbrochen, als Rüdiger meint: „Machst du uns noch drei Weizen?“