Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog

Türen
WIE
Türen? Da stelle ich mir einen Film vor, die Kamera fährt einen langen Gang entlang, bleibt dann stehen und eine Türklingel kommt groß ins Bild. Kurze Pause, Klingeln, anschließendes Klopfen, noch längere Pause, schlürfende Schritte, ganz langsam öffnete sich die Tür. Und in der ersten Sekunde ist alles da, was es vorher nur in der Vorstellung gab. Mehr oder weniger groß, hell oder dunkel, aufgeräumt, durcheinander, eng, weit, modern oder bieder. Dieser erste Moment, ein bestimmter Geruch, eine bestimmte Sache, die als erstes ins Auge fällt. Etwas Angenehmes, Erleichterndes, Sympathisches, vielleicht auch etwas Unangenehmes, Befremdliches, das mein erstes Urteil bestimmt, ohne etwas dagegen machen zu können.
Vielleicht ist es aber schon vorher gefallen, mein Urteil, auf der Straße, vor dem Haus, an der Eingangstür, im Treppenhaus. Manche Bewohner versuchen etwas von sich bereits draußen zu zeigen, beliebt sind jahreszeitliche Dekorationen an der Tür, Kinderwägen, Sportschuhe oder Altglas sind auch aufschlussreich. An Kinderzimmer-, WG- und Bürotüren hängen gerne Sprüche, Cartoons, mehr oder weniger witzig, frech.
Doch das Überraschendste offenbart sich, wenn ich das Zuhause eines Menschen betrete, den ich schon länger kenne, mit dem ich schon viel Zeit verbracht habe, mit dem ich womöglich schon eine intime Beziehung habe. Wenn das Gefühl über Vertrautheit, Humor und Einstimmigkeit schon da ist und gefällt. Und wenn dann hinter der Privattür etwas zum Vorschein kommt, das gar nicht ins Bild passen will. Schummriges Licht, ein Sammelsurium von romantischen Accessoires, unzählige Verschönerungen, verschlungene LED-Lichterketten an Pflanzen und Lampen, gestrichene Wände in Farbtönen zwischen Rosa und Rot, Sammlungen von Stofftieren, Trinkgläser in beleuchteten Vitrinen, überdimensionierte Wohnzimmermöbel mit Bergen von Kissen, Bilder an den Wänden, die über Träume und Phantasien erzählen sollen und mich einfach nur ernüchtern. Und ich möchte die Türen wieder schließen, möchte das alles gar nicht so genau wissen. Lieber den Eindruck stehen lassen, den ich kurz zuvor noch hatte. Hätte es vorgezogen, diese Türen gar nicht erst zu öffnen und nicht alles sehen zu müssen. Dafür sind sie doch auch da, die vielen Türen.
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Türen
WIE
Türen? Da stelle ich mir einen Film vor, die Kamera fährt einen langen Gang entlang, bleibt dann stehen und eine Türklingel kommt groß ins Bild. Kurze Pause, Klingeln, anschließendes Klopfen, noch längere Pause, schlürfende Schritte, ganz langsam öffnete sich die Tür. Und in der ersten Sekunde ist alles da, was es vorher nur in der Vorstellung gab. Mehr oder weniger groß, hell oder dunkel, aufgeräumt, durcheinander, eng, weit, modern oder bieder. Dieser erste Moment, ein bestimmter Geruch, eine bestimmte Sache, die als erstes ins Auge fällt. Etwas Angenehmes, Erleichterndes, Sympathisches, vielleicht auch etwas Unangenehmes, Befremdliches, das mein erstes Urteil bestimmt, ohne etwas dagegen machen zu können.
Vielleicht ist es aber schon vorher gefallen, mein Urteil, auf der Straße, vor dem Haus, an der Eingangstür, im Treppenhaus. Manche Bewohner versuchen etwas von sich bereits draußen zu zeigen, beliebt sind jahreszeitliche Dekorationen an der Tür, Kinderwägen, Sportschuhe oder Altglas sind auch aufschlussreich. An Kinderzimmer-, WG- und Bürotüren hängen gerne Sprüche, Cartoons, mehr oder weniger witzig, frech.
Doch das Überraschendste offenbart sich, wenn ich das Zuhause eines Menschen betrete, den ich schon länger kenne, mit dem ich schon viel Zeit verbracht habe, mit dem ich womöglich schon eine intime Beziehung habe. Wenn das Gefühl über Vertrautheit, Humor und Einstimmigkeit schon da ist und gefällt. Und wenn dann hinter der Privattür etwas zum Vorschein kommt, das gar nicht ins Bild passen will. Schummriges Licht, ein Sammelsurium von romantischen Accessoires, unzählige Verschönerungen, verschlungene LED-Lichterketten an Pflanzen und Lampen, gestrichene Wände in Farbtönen zwischen Rosa und Rot, Sammlungen von Stofftieren, Trinkgläser in beleuchteten Vitrinen, überdimensionierte Wohnzimmermöbel mit Bergen von Kissen, Bilder an den Wänden, die über Träume und Phantasien erzählen sollen und mich einfach nur ernüchtern. Und ich möchte die Türen wieder schließen, möchte das alles gar nicht so genau wissen. Lieber den Eindruck stehen lassen, den ich kurz zuvor noch hatte. Hätte es vorgezogen, diese Türen gar nicht erst zu öffnen und nicht alles sehen zu müssen. Dafür sind sie doch auch da, die vielen Türen.