Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Sommer
Doch dann möchte ich Marie etwas versöhnlicher antworten: „Nein, weißt du was, ich mag Sommer."
„Das wollte ich doch nur wissen.“
Marie will sich gerade damit zufrieden geben, als ich doch noch mal ansetze: „Aber das hängst sicherlich mit den Erinnerungen aus der Kindheit zusammen. Die Sommer früher, wo es glücklicherweise recht unbekümmert zuging. Dazu zählte der Garten, der Wasserschlauch, das Regenfass, das Baggerloch zum Schwimmen, das Mähen der Kornfelder, satte Wiesen, die langen Abende, an denen es hell war, man länger aufblieb, draußen auf der Veranda aß."
„Gab es damals eigentlich gar keinen Regen oder auch mal einen Sommer, der viel zu heiß oder zu kalt war?“, dämpfte Marie meine Kindheitsromantik.
„Sicherlich, aber das Schönste am Sommer war eben diese Sorglosigkeit, diese Selbstverständlichkeit, mit der Sommer war, und alles andere zusammen schrumpfte. Schule, Hausaufgaben, andere Termine am Nachmittag, an alles das kann ich mich kaum erinnern.“
„Heute ist der Sommer so verdammt kompliziert geworden“, gibt Marie nach einer Weile zu bedenken, „zumindest redet man nahezu ununterbrochen von ihm. Zunächst einmal wartet man auf ihn, spricht vor allem davon, wie toll es wäre, wenn er jetzt endlich käme, weil man ihn sich verdient hat. Weil die Jahreszeiten davor und danach auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Nur noch Zeiten des Übergangs, des Mischwetters. Was keinen richtigen Winter bedeutet, auch keinen richtigen Frühling, nur Wetter. Wetter, das da ist, das man spürt, weil es nass, windig, diesig ist. Was vor allem ärgert, weil es eben noch kein Sommer ist.“
"Und wenn der Sommer kommt, gibt es genügend Anlass, sich auch wieder zu beschweren“, führe ich Maries Sommerskepsis weiter aus, „denn es ist anders als in der Kindheit. Weil man viel arbeiten muss, man wegen der vielen Sommerbaustellen im Stau steht, die Klimaanlagen schnell zu kalt, die Ventilatoren zu rasant, die Temperaturen zu hoch sind. Weil die Zeitungen fast jedem Tag dazu eine eigene Überschrift mit entsprechenden Fotos liefern. Der Vergleich zu allen anderen Sommern des letzten Jahrhunderts, des letzten Jahres, immer auf der Suche nach Superlativen.“
„Ich finde Sommer trotzdem schön!“ lautete Maries kurzes und eindeutiges Statement, „ich mag Sommer.“
„Keine Frage", stimme ich ihr zu, "wir mögen alle den Sommer. Das ist es ja gerade, Sommer ist eine so eindeutig schöne Jahreszeit, gewissermaßen die Zeit zum glücklich sein. Wir verbinden mit Sommer alles, was das Leben beneidenswert macht: Sitzen in Parks, Biergärten und auf Dachgärten, Schwimmen in Seen, Picknicken in der Landschaft, Grillen im Garten. Eine ganze Sommerindustrie hilft dabei: Decken, Grillküchen, Markisen, Sonnenschirme, Gartenmöbel, und am besten einen Cabrio fahren."
„Jetzt lass den Sommer doch einfach mal Sommer sein“, erwidert sie.
„Das möchte ich ja, den Sommer einfach Sommer sein lassen. Und das hat ja auch Vor-und Nachteile, wie alles auf der Welt. Im Sommer bleibt die Steuer liegen, neben einigen anderen guten Vorsätzen, man trinkt mehr Alkohol, sitzt viel rum und unterhält sich gut auch ohne heiße Diskussionen. Ich bin ja nur skeptisch, wenn man den Sommer zur besten Jahreszeit machen will."
„Das geht heutzutage doch gar nicht mehr“, meint Marie mit einem leichten Stöhnen. „Der Sommer ist längst nicht mehr das, was er mal war, wirklich nicht einfach. Jede Temperatur, jeder Regen, jedes Gewitter sind leider auch schon ein Vorbote, ein Beweis, ein Zeichen dafür, was was uns noch erwartet. Und das ist ja nun wirklich nicht ohne."
„Nichts ist mehr ohne, leider“, sage ich.
„Ja, ist ja gut, war ja nur so eine Frage mit dem Sommer“, winkt Marie ab.
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Sommer
Doch dann möchte ich Marie etwas versöhnlicher antworten: „Nein, weißt du was, ich mag Sommer."
„Das wollte ich doch nur wissen.“
Marie will sich gerade damit zufrieden geben, als ich doch noch mal ansetze: „Aber das hängst sicherlich mit den Erinnerungen aus der Kindheit zusammen. Die Sommer früher, wo es glücklicherweise recht unbekümmert zuging. Dazu zählte der Garten, der Wasserschlauch, das Regenfass, das Baggerloch zum Schwimmen, das Mähen der Kornfelder, satte Wiesen, die langen Abende, an denen es hell war, man länger aufblieb, draußen auf der Veranda aß."
„Gab es damals eigentlich gar keinen Regen oder auch mal einen Sommer, der viel zu heiß oder zu kalt war?“, dämpfte Marie meine Kindheitsromantik.
„Sicherlich, aber das Schönste am Sommer war eben diese Sorglosigkeit, diese Selbstverständlichkeit, mit der Sommer war, und alles andere zusammen schrumpfte. Schule, Hausaufgaben, andere Termine am Nachmittag, an alles das kann ich mich kaum erinnern.“
„Heute ist der Sommer so verdammt kompliziert geworden“, gibt Marie nach einer Weile zu bedenken, „zumindest redet man nahezu ununterbrochen von ihm. Zunächst einmal wartet man auf ihn, spricht vor allem davon, wie toll es wäre, wenn er jetzt endlich käme, weil man ihn sich verdient hat. Weil die Jahreszeiten davor und danach auch nicht mehr das sind, was sie mal waren. Nur noch Zeiten des Übergangs, des Mischwetters. Was keinen richtigen Winter bedeutet, auch keinen richtigen Frühling, nur Wetter. Wetter, das da ist, das man spürt, weil es nass, windig, diesig ist. Was vor allem ärgert, weil es eben noch kein Sommer ist.“
"Und wenn der Sommer kommt, gibt es genügend Anlass, sich auch wieder zu beschweren“, führe ich Maries Sommerskepsis weiter aus, „denn es ist anders als in der Kindheit. Weil man viel arbeiten muss, man wegen der vielen Sommerbaustellen im Stau steht, die Klimaanlagen schnell zu kalt, die Ventilatoren zu rasant, die Temperaturen zu hoch sind. Weil die Zeitungen fast jedem Tag dazu eine eigene Überschrift mit entsprechenden Fotos liefern. Der Vergleich zu allen anderen Sommern des letzten Jahrhunderts, des letzten Jahres, immer auf der Suche nach Superlativen.“
„Ich finde Sommer trotzdem schön!“ lautete Maries kurzes und eindeutiges Statement, „ich mag Sommer.“
„Keine Frage", stimme ich ihr zu, "wir mögen alle den Sommer. Das ist es ja gerade, Sommer ist eine so eindeutig schöne Jahreszeit, gewissermaßen die Zeit zum glücklich sein. Wir verbinden mit Sommer alles, was das Leben beneidenswert macht: Sitzen in Parks, Biergärten und auf Dachgärten, Schwimmen in Seen, Picknicken in der Landschaft, Grillen im Garten. Eine ganze Sommerindustrie hilft dabei: Decken, Grillküchen, Markisen, Sonnenschirme, Gartenmöbel, und am besten einen Cabrio fahren."
„Jetzt lass den Sommer doch einfach mal Sommer sein“, erwidert sie.
„Das möchte ich ja, den Sommer einfach Sommer sein lassen. Und das hat ja auch Vor-und Nachteile, wie alles auf der Welt. Im Sommer bleibt die Steuer liegen, neben einigen anderen guten Vorsätzen, man trinkt mehr Alkohol, sitzt viel rum und unterhält sich gut auch ohne heiße Diskussionen. Ich bin ja nur skeptisch, wenn man den Sommer zur besten Jahreszeit machen will."
„Das geht heutzutage doch gar nicht mehr“, meint Marie mit einem leichten Stöhnen. „Der Sommer ist längst nicht mehr das, was er mal war, wirklich nicht einfach. Jede Temperatur, jeder Regen, jedes Gewitter sind leider auch schon ein Vorbote, ein Beweis, ein Zeichen dafür, was was uns noch erwartet. Und das ist ja nun wirklich nicht ohne."
„Nichts ist mehr ohne, leider“, sage ich.
„Ja, ist ja gut, war ja nur so eine Frage mit dem Sommer“, winkt Marie ab.