Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog

So ein Geschmack von ...
RAU
Natürlich weiß sie, dass es bei Weinproben die Standardformulierung schlechthin ist, aber sie trinkt schon seit Jahren keinen Alkohol mehr. Auch bei Kaffee, Tee, Spirituosen und generell etwas besseren Nahrungsmitteln wird mittlerweile gerne geredet als wäre all dies Poesie. Bewahrheitet sich doch der Spruch ihrer geliebten Tante? Essen ist der Sex des Alters?
Damals dachte sie noch, typisch Tante Bella. Immer provakant. Leider kam sie nicht so oft zu Besuch, weil Mutter ihre jüngere Schwester rundum unmöglich fand. Für sie aber war Tante Bella schon als kleines Mädchen ein großes Vorbild, diese bunte Fee mit verschieden farbig lackierten Fußnägeln, bunten Tüchern im Haar und indischen Kleidern.
Ist sie jetzt auch schon in dem gewissen Alter? Weil, ja weil plötzlich so viele Erinnerungen auftauchen. Zum Beispiel der Geschmack von Griechenland. Damals auf Paros, Naxos und Amorgus. Das erste Mal Schafskäse, Oliven und Retsina, im Schlafsack am Strand übernachten. Nach dem Schwimmen im warmen Meer gegenseitig den Salzgeschmack von der Haut lecken. An der Nordsee ist er stärker und die Luft dazu voller Aerosole, außerdem ist es dort selten zu heiß. Trotzdem, mal wieder nach Griechenland fahren, das wäre was. Oder mal wieder in Marseille Pastis trinken und eingelegte Sardinen essen wie damals. Venedig schmeckt heute noch nach den ersten Artischocken und klar, Neapel nach dem ersten Hummer.
Grade kommt sie nicht fort wegen Diesem und Jenem, von dem es gerade leider nur allzu viel gibt, dann müssen zuhause meist ein kühles alkoholfreies 'Flens' und ein Krabbenbrötchen reichen. Sofort atmet sie gesunde Luft, spürt den Wind und sieht die Weite.
Neulich rief ihr großer Sohn an. „Gestern habe ich mal Griesbrei gekocht, und sofort war alles wieder da. Du standest im alten Haus am Herd, ich konnte als kleiner Junge kaum über den Tisch schauen, die warme Milch, der Zimtzucker. Alles war wieder da, der Geschmack meiner Kindheit, so schön.“
Hier ist es der Hummer, dort der Griesbrei, immer geht es ganz schnell und das alte, vertraute Gefühl ist sofort da. Freisein und Weite garniert mit einem unübertroffenen Geschmack von Ferien oder behüteter Kindheit. Wie einfach. Wie zeitlos.
Die nicht so angenehmen Geschmäcker klammern wir heute mal lieber aus, einverstanden?
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So ein Geschmack von ...
RAU
Natürlich weiß sie, dass es bei Weinproben die Standardformulierung schlechthin ist, aber sie trinkt schon seit Jahren keinen Alkohol mehr. Auch bei Kaffee, Tee, Spirituosen und generell etwas besseren Nahrungsmitteln wird mittlerweile gerne geredet als wäre all dies Poesie. Bewahrheitet sich doch der Spruch ihrer geliebten Tante? Essen ist der Sex des Alters?
Damals dachte sie noch, typisch Tante Bella. Immer provakant. Leider kam sie nicht so oft zu Besuch, weil Mutter ihre jüngere Schwester rundum unmöglich fand. Für sie aber war Tante Bella schon als kleines Mädchen ein großes Vorbild, diese bunte Fee mit verschieden farbig lackierten Fußnägeln, bunten Tüchern im Haar und indischen Kleidern.
Ist sie jetzt auch schon in dem gewissen Alter? Weil, ja weil plötzlich so viele Erinnerungen auftauchen. Zum Beispiel der Geschmack von Griechenland. Damals auf Paros, Naxos und Amorgus. Das erste Mal Schafskäse, Oliven und Retsina, im Schlafsack am Strand übernachten. Nach dem Schwimmen im warmen Meer gegenseitig den Salzgeschmack von der Haut lecken. An der Nordsee ist er stärker und die Luft dazu voller Aerosole, außerdem ist es dort selten zu heiß. Trotzdem, mal wieder nach Griechenland fahren, das wäre was. Oder mal wieder in Marseille Pastis trinken und eingelegte Sardinen essen wie damals. Venedig schmeckt heute noch nach den ersten Artischocken und klar, Neapel nach dem ersten Hummer.
Grade kommt sie nicht fort wegen Diesem und Jenem, von dem es gerade leider nur allzu viel gibt, dann müssen zuhause meist ein kühles alkoholfreies 'Flens' und ein Krabbenbrötchen reichen. Sofort atmet sie gesunde Luft, spürt den Wind und sieht die Weite.
Neulich rief ihr großer Sohn an. „Gestern habe ich mal Griesbrei gekocht, und sofort war alles wieder da. Du standest im alten Haus am Herd, ich konnte als kleiner Junge kaum über den Tisch schauen, die warme Milch, der Zimtzucker. Alles war wieder da, der Geschmack meiner Kindheit, so schön.“
Hier ist es der Hummer, dort der Griesbrei, immer geht es ganz schnell und das alte, vertraute Gefühl ist sofort da. Freisein und Weite garniert mit einem unübertroffenen Geschmack von Ferien oder behüteter Kindheit. Wie einfach. Wie zeitlos.
Die nicht so angenehmen Geschmäcker klammern wir heute mal lieber aus, einverstanden?