Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog

So ein Geschmack von ...
WIE
„Und?“, fragt der Weinhändler meines Vertrauens mit großen Augen. Er hat mir und meinem Freund Arndt gerade einen Rotwein eingeschenkt. Wir probieren. Der erste Schluck zählt. Ich weiß: Ein Urteil darf nicht zu schnell erfolgen. Schließlich haben wir es mit hochwertigen Rotweinen zu tun, bei denen entfalten sich die Aromen langsam und geben im Abgang weitere Nuancen frei.
Ein einfaches „Oh, der ist aber lecker“ reicht da nicht aus. Ich bin ja öfter bei meinem Weinhändler, aber zum ersten Mal mit Arndt. Warum ich auf die Idee gekommen bin, ihn mitzunehmen? Ich weiß es nicht. Ich kenne Arndt gut und weiß, was mich womöglich erwartet.
„So ein leichter Geschmack von Weingummi“, lautet sein erster Kommentar, obwohl er den Wein fachmännisch lange im Mund gespült hat. Er schmunzelt. Natürlich gefällt ihm der Vergleich mit den Weingummis. Ist schließlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. Der Weinhändler sagt nichts, er wartet auf meinen Kommentar.
„Angenehm, eine leichte Note von Brombeere. Man schmeckt auch etwas den Schiefer, auf dem der Wein wächst“, versuche ich die Situation zu retten. „Nicht zu schwer, aber doch recht gehaltvoll im Aroma.“
„Ich überlege noch, an welche farbliche Variante der Weingummis mich das erinnert“, mischt sich Arndt ein, „natürlich drängt sich bei einem Rotwein die Farbe Rot auf. Aber das stimmt hier nicht, da ist auch ein Anflug von Grün mit drin.“
Ich versuche Arndt zu überhören und betrachte kennerhaft eine andere Flasche. „Ich glaube, wir sollten da eine weitere Probe zum Vergleich folgen lassen.“
Der Händler holt zwei neue Gläser. Doch Arndt hat sein Glas bereits geleert und wischt mit dem Zeigefinger den letzten Tropfen heraus. „Für mich kein neues Glas – das geht auch so.“
„Klar“, denke ich, „in der Tüte sind ja auch alle Weingummis zusammen.“
Diesmal möchte ich meinem Freund zuvorkommen und kippe den ersten Schluck runter. „Ja, interessant – ein Geschmack von Nuss, eine leichte Note von Kakao vielleicht“, versuche ich kennerhaft festzustellen.
„Ja genau, so etwas von Nussschokolade“, ergänzt Arndt grinsend.
Der Weinhändler lässt sich nicht beirren. Er schwärmt von den beiden Winzern dieses Weinguts. Er kennt sie persönlich gut. Zwei junge Männer, schwul und bereits äußerst ambitioniert. Erst vor kurzem haben sie zwei weitere, vielversprechende Hänge erworben. Die wollen sie nachhaltig rekultivieren. Denn sie sind nicht auf den puren Profit aus, sondern … weiter kommt er nicht.
Denn Arndt hat seine eigene Meinung zum Thema: „Ich halte ja nicht so viel von jungen Winzern. Winzer müssen einfach alt sein, wie guter Wein, schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Die jungen Dinger wissen doch gar nicht, was einen guten Wein ausmacht.“
„Aber nicht bei diesen beiden Winzern. Sie müssten mal sehen, wie liebevoll sie mit dem Wein umgehen, genauso wie mit sich selbst.“
„Danke, nicht nötig. Wir sind auch so überzeugt“, wirft Arndt ein, „wir nehmen sechs Flaschen von dem Wein mit Nussschokoladenaroma. Die Weingummis kommen nächstes Mal dran.“ Dann streichelt er mir über die Wange. „Oder, Liebster, du bist doch einverstanden.“
Ach ja, mein Freund Arndt.
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So ein Geschmack von ...
WIE
„Und?“, fragt der Weinhändler meines Vertrauens mit großen Augen. Er hat mir und meinem Freund Arndt gerade einen Rotwein eingeschenkt. Wir probieren. Der erste Schluck zählt. Ich weiß: Ein Urteil darf nicht zu schnell erfolgen. Schließlich haben wir es mit hochwertigen Rotweinen zu tun, bei denen entfalten sich die Aromen langsam und geben im Abgang weitere Nuancen frei.
Ein einfaches „Oh, der ist aber lecker“ reicht da nicht aus. Ich bin ja öfter bei meinem Weinhändler, aber zum ersten Mal mit Arndt. Warum ich auf die Idee gekommen bin, ihn mitzunehmen? Ich weiß es nicht. Ich kenne Arndt gut und weiß, was mich womöglich erwartet.
„So ein leichter Geschmack von Weingummi“, lautet sein erster Kommentar, obwohl er den Wein fachmännisch lange im Mund gespült hat. Er schmunzelt. Natürlich gefällt ihm der Vergleich mit den Weingummis. Ist schließlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. Der Weinhändler sagt nichts, er wartet auf meinen Kommentar.
„Angenehm, eine leichte Note von Brombeere. Man schmeckt auch etwas den Schiefer, auf dem der Wein wächst“, versuche ich die Situation zu retten. „Nicht zu schwer, aber doch recht gehaltvoll im Aroma.“
„Ich überlege noch, an welche farbliche Variante der Weingummis mich das erinnert“, mischt sich Arndt ein, „natürlich drängt sich bei einem Rotwein die Farbe Rot auf. Aber das stimmt hier nicht, da ist auch ein Anflug von Grün mit drin.“
Ich versuche Arndt zu überhören und betrachte kennerhaft eine andere Flasche. „Ich glaube, wir sollten da eine weitere Probe zum Vergleich folgen lassen.“
Der Händler holt zwei neue Gläser. Doch Arndt hat sein Glas bereits geleert und wischt mit dem Zeigefinger den letzten Tropfen heraus. „Für mich kein neues Glas – das geht auch so.“
„Klar“, denke ich, „in der Tüte sind ja auch alle Weingummis zusammen.“
Diesmal möchte ich meinem Freund zuvorkommen und kippe den ersten Schluck runter. „Ja, interessant – ein Geschmack von Nuss, eine leichte Note von Kakao vielleicht“, versuche ich kennerhaft festzustellen.
„Ja genau, so etwas von Nussschokolade“, ergänzt Arndt grinsend.
Der Weinhändler lässt sich nicht beirren. Er schwärmt von den beiden Winzern dieses Weinguts. Er kennt sie persönlich gut. Zwei junge Männer, schwul und bereits äußerst ambitioniert. Erst vor kurzem haben sie zwei weitere, vielversprechende Hänge erworben. Die wollen sie nachhaltig rekultivieren. Denn sie sind nicht auf den puren Profit aus, sondern … weiter kommt er nicht.
Denn Arndt hat seine eigene Meinung zum Thema: „Ich halte ja nicht so viel von jungen Winzern. Winzer müssen einfach alt sein, wie guter Wein, schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Die jungen Dinger wissen doch gar nicht, was einen guten Wein ausmacht.“
„Aber nicht bei diesen beiden Winzern. Sie müssten mal sehen, wie liebevoll sie mit dem Wein umgehen, genauso wie mit sich selbst.“
„Danke, nicht nötig. Wir sind auch so überzeugt“, wirft Arndt ein, „wir nehmen sechs Flaschen von dem Wein mit Nussschokoladenaroma. Die Weingummis kommen nächstes Mal dran.“ Dann streichelt er mir über die Wange. „Oder, Liebster, du bist doch einverstanden.“
Ach ja, mein Freund Arndt.