Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Sitzen
RAU
„Das war ganz schön viel, mehr als ich gedacht habe“, seufzt Cara und setzt sich auf die Bank. Wie ein schwerer Sack lässt er sich neben sie plumsen, aber zum Glück sagt sie nichts. Vater und Tochter nebeneinander im Park, wann hat es das zuletzt gegeben? Vielleicht früher, als er sie manchmal vom Kindergarten abgeholt hat, und sie dann noch unbedingt auf den Spielplatz wollte, um ihm etwas Neues zu zeigen. Ganz schön lange her.
Diesen Park hier kennt er überhaupt nicht, wie auch das Viertel nicht, eigentlich ist ihm der ganze Bezirk fremd. Ehemaliger Osten, so denkt nicht nur er immer noch, beliebt bei den Jungen, weil es hier noch bezahlbar ist. Die Mieten und damit das Leben. Schöne alte Häuser erzählen von einem Bürgertum vor und zwischen den Jahren der Kriege, dann kam der Sozialismus, und was ist heute? Post-Turbo-Kapitalismus oder wie nennt man diese Zeit jetzt? Der Park ist irgendwie ist gepflegt und doch ziemlich vermüllt. Coffee-to-go und andere Verpackungen liegen auf dem Boden, leere Flaschen stehen neben den Abfalleimern, auch benutzte Spritzen liegen rum, Hundekot sowieso. Keine zwanzig Meter weiter toben Kinder auf dem Spielplatz, ein Stückchen weiter sitzen zwei jüngere Männer in Anzügen und gut geschnittenen Haaren und trinken aus Flaschen, die in einer braunen Papiertüte stecken. Das kennt er nur aus Amerika, und macht eigentlich keinen Sinn, denkt er, weiß doch jeder, dass da Alkohol drin ist. Die beiden scheinen ihn jetzt schon zu brauchen, genauso wie die Penner am Parkeingang vorhin. Vor der großen Hecke links sitzen zwei ziemlich dürre Frauen in Sportklamotten auf der Bank und tauschen neue Fitness-Tipps aus, auf der Nebenbank daddeln zwei schwarze Männer auf ihren Smartphones.
Ganz schön viel los hier, wie viele Menschen am späten Vormittag schon im Park sitzen und irgendwie nichts zu tun haben, denkt er und schließt die Augen. Zeit für seinen Sekundenschlaf, wie er es nennt. Schnell im Sitzen drei, vier Minuten schlafen, und dann ist die Kraft wieder da, Cara kennt das und ist ja auch schon die ganze Zeit still. So wirklich viel zu besprechen haben sie auch gerade nicht, aber es war gut, dass er ihr beim Umziehen geholfen hat, immerhin das. Viel war es nicht, seine Tochter ist Minimalistin, besitzt nur das Nötigste. Bett, Schrank und Tisch, zwei Lampen, Küchenkram, Wäsche und Kleider, eine Zimmerpflanze. Und zwei Stühle, die zwar unbequem sind, aber immerhin rechnet sie manchmal mit Besuch. Vielleicht lehnt er sich doch ein wenig an sie oder greift schnell mal ihre Hand? Aber erstmal die Augen schließen, tut das gut, das Sitzen an der frischen Luft neben seiner Jüngsten.
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Sitzen
RAU
„Das war ganz schön viel, mehr als ich gedacht habe“, seufzt Cara und setzt sich auf die Bank. Wie ein schwerer Sack lässt er sich neben sie plumsen, aber zum Glück sagt sie nichts. Vater und Tochter nebeneinander im Park, wann hat es das zuletzt gegeben? Vielleicht früher, als er sie manchmal vom Kindergarten abgeholt hat, und sie dann noch unbedingt auf den Spielplatz wollte, um ihm etwas Neues zu zeigen. Ganz schön lange her.
Diesen Park hier kennt er überhaupt nicht, wie auch das Viertel nicht, eigentlich ist ihm der ganze Bezirk fremd. Ehemaliger Osten, so denkt nicht nur er immer noch, beliebt bei den Jungen, weil es hier noch bezahlbar ist. Die Mieten und damit das Leben. Schöne alte Häuser erzählen von einem Bürgertum vor und zwischen den Jahren der Kriege, dann kam der Sozialismus, und was ist heute? Post-Turbo-Kapitalismus oder wie nennt man diese Zeit jetzt? Der Park ist irgendwie ist gepflegt und doch ziemlich vermüllt. Coffee-to-go und andere Verpackungen liegen auf dem Boden, leere Flaschen stehen neben den Abfalleimern, auch benutzte Spritzen liegen rum, Hundekot sowieso. Keine zwanzig Meter weiter toben Kinder auf dem Spielplatz, ein Stückchen weiter sitzen zwei jüngere Männer in Anzügen und gut geschnittenen Haaren und trinken aus Flaschen, die in einer braunen Papiertüte stecken. Das kennt er nur aus Amerika, und macht eigentlich keinen Sinn, denkt er, weiß doch jeder, dass da Alkohol drin ist. Die beiden scheinen ihn jetzt schon zu brauchen, genauso wie die Penner am Parkeingang vorhin. Vor der großen Hecke links sitzen zwei ziemlich dürre Frauen in Sportklamotten auf der Bank und tauschen neue Fitness-Tipps aus, auf der Nebenbank daddeln zwei schwarze Männer auf ihren Smartphones.
Ganz schön viel los hier, wie viele Menschen am späten Vormittag schon im Park sitzen und irgendwie nichts zu tun haben, denkt er und schließt die Augen. Zeit für seinen Sekundenschlaf, wie er es nennt. Schnell im Sitzen drei, vier Minuten schlafen, und dann ist die Kraft wieder da, Cara kennt das und ist ja auch schon die ganze Zeit still. So wirklich viel zu besprechen haben sie auch gerade nicht, aber es war gut, dass er ihr beim Umziehen geholfen hat, immerhin das. Viel war es nicht, seine Tochter ist Minimalistin, besitzt nur das Nötigste. Bett, Schrank und Tisch, zwei Lampen, Küchenkram, Wäsche und Kleider, eine Zimmerpflanze. Und zwei Stühle, die zwar unbequem sind, aber immerhin rechnet sie manchmal mit Besuch. Vielleicht lehnt er sich doch ein wenig an sie oder greift schnell mal ihre Hand? Aber erstmal die Augen schließen, tut das gut, das Sitzen an der frischen Luft neben seiner Jüngsten.