Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Schief
WIE
„Höher, höher, Stopp, das war zu viel, wieder etwas runter. Nein, nicht die Seite, die andere Seite.“
„Dann sag doch rechts oder links.“
„Du weiß doch, wie leicht ich das verwechsle.“
„Aber ich soll wissen welche Seite du meinst?“
„Siehst du das nicht selber?“
„Wie denn, ich stehe oben auf der Leiter, nur eine Handbreit von der Jalousie entfernt.“
Bernhard hält mit ausgestreckten Armen die Jalousie nach oben, zwischen den Zähnen den Bleistift, von dem er noch nicht weiß, wie er ihn zum Anzeichnen der Bohrlöcher benutzen soll. „Vielleicht sollten wir doch besser eine Wasserwaage holen.“
Er ist etwas ungehalten. Die Frage an ihn, hast du mal eine Sekunde Zeit, war wohl nicht wörtlich gemeint. Das hier droht eine längere Baustelle zu werden. Gut, seit mehreren Wochen liegt die neu Jalousie jetzt da. Die alte ist seit dem letzten Gewittersturm unwiderruflich und altersbedingt in eine Schieflage geraten.
Altersbedingte Schieflage? Er muss unweigerlich an letzte Woche denken, als er ein Jackett kaufen wollte und die Verkäuferin meinte:„Vielleicht können sie versuchen, sich gerader zu halten. So wie sie jetzt da stehen, ist das recht schief.“
Dabei hatte er nur versucht, etwas lässiger da zu stehen vor dem großen Spiegel. Weil er es immer als recht gekünstelt empfindet, wenn Männer in Herrenbekleidungsabteilungen vor Spiegeln stehen und etwas Neues auszuprobieren. Und dann wird die lässige Haltung als schief bezeichnet.
Nicht viel anders wie vor einem Jahr, als die Physiotherapeutin ihn aufforderte, sich mal ganz natürlich vor den Spiegel zu stellen und erläuterte „Das sehen sie selbst, wie schief sie sind.
Da hätte er sich lieber wie der alte Griechen damals auf Naxos zwischen den Olivenbäumen gefühlt, von dem keiner verlangte gerade zu sein. Aber leider konnte er keine fünfzig Jahre Feldarbeit aufweisen.
Im Gegenteil, Körper und Haltung müssen heute wie bei 30-jährigen sein. Als Zeichen des Alters sind nur weiße Haare, weißer Bart, leichte Falten bei braungebrannter Haut erlaubt. Alles andere hat rüstig und fit zu sein. So wie er jetzt mit Ende sechzig mit hochgestreckten Armen auf einer drei Meter hohen Leiter steht, um eine neue Jalousie anzubringen. Und das mit dem Anspruch, sie gerade zu hängen, weil jeder Millimeter Abweichung auf zwei Meter fünfzig oben weiter unten um so mehr zu sehen ist und in einer Schieflage endet.
„Soll ich nicht doch die Wasserwaage holen? Du kannst oben bleiben, du musst mir nur sagen, wo ich sie finde.“
„Das kann kann ich dir leider nicht genau sagen.“
„Na hör mal, du wirst doch noch wissen, wann du sie zuletzt gebraucht hast.“
„Nein, das weiß ich leider nicht genau. Kann sein, dass sie noch bei den Sachen auf der Veranda liegt, oder in der Garage, vielleicht auch im Keller.“
Hoffentlich wird jetzt das mit der Schieflage des Gedächtnisses im Alter nicht auch noch ein Thema.
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Schief
WIE
„Höher, höher, Stopp, das war zu viel, wieder etwas runter. Nein, nicht die Seite, die andere Seite.“
„Dann sag doch rechts oder links.“
„Du weiß doch, wie leicht ich das verwechsle.“
„Aber ich soll wissen welche Seite du meinst?“
„Siehst du das nicht selber?“
„Wie denn, ich stehe oben auf der Leiter, nur eine Handbreit von der Jalousie entfernt.“
Bernhard hält mit ausgestreckten Armen die Jalousie nach oben, zwischen den Zähnen den Bleistift, von dem er noch nicht weiß, wie er ihn zum Anzeichnen der Bohrlöcher benutzen soll. „Vielleicht sollten wir doch besser eine Wasserwaage holen.“
Er ist etwas ungehalten. Die Frage an ihn, hast du mal eine Sekunde Zeit, war wohl nicht wörtlich gemeint. Das hier droht eine längere Baustelle zu werden. Gut, seit mehreren Wochen liegt die neu Jalousie jetzt da. Die alte ist seit dem letzten Gewittersturm unwiderruflich und altersbedingt in eine Schieflage geraten.
Altersbedingte Schieflage? Er muss unweigerlich an letzte Woche denken, als er ein Jackett kaufen wollte und die Verkäuferin meinte:„Vielleicht können sie versuchen, sich gerader zu halten. So wie sie jetzt da stehen, ist das recht schief.“
Dabei hatte er nur versucht, etwas lässiger da zu stehen vor dem großen Spiegel. Weil er es immer als recht gekünstelt empfindet, wenn Männer in Herrenbekleidungsabteilungen vor Spiegeln stehen und etwas Neues auszuprobieren. Und dann wird die lässige Haltung als schief bezeichnet.
Nicht viel anders wie vor einem Jahr, als die Physiotherapeutin ihn aufforderte, sich mal ganz natürlich vor den Spiegel zu stellen und erläuterte „Das sehen sie selbst, wie schief sie sind.
Da hätte er sich lieber wie der alte Griechen damals auf Naxos zwischen den Olivenbäumen gefühlt, von dem keiner verlangte gerade zu sein. Aber leider konnte er keine fünfzig Jahre Feldarbeit aufweisen.
Im Gegenteil, Körper und Haltung müssen heute wie bei 30-jährigen sein. Als Zeichen des Alters sind nur weiße Haare, weißer Bart, leichte Falten bei braungebrannter Haut erlaubt. Alles andere hat rüstig und fit zu sein. So wie er jetzt mit Ende sechzig mit hochgestreckten Armen auf einer drei Meter hohen Leiter steht, um eine neue Jalousie anzubringen. Und das mit dem Anspruch, sie gerade zu hängen, weil jeder Millimeter Abweichung auf zwei Meter fünfzig oben weiter unten um so mehr zu sehen ist und in einer Schieflage endet.
„Soll ich nicht doch die Wasserwaage holen? Du kannst oben bleiben, du musst mir nur sagen, wo ich sie finde.“
„Das kann kann ich dir leider nicht genau sagen.“
„Na hör mal, du wirst doch noch wissen, wann du sie zuletzt gebraucht hast.“
„Nein, das weiß ich leider nicht genau. Kann sein, dass sie noch bei den Sachen auf der Veranda liegt, oder in der Garage, vielleicht auch im Keller.“
Hoffentlich wird jetzt das mit der Schieflage des Gedächtnisses im Alter nicht auch noch ein Thema.