Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Schächte
WIE
Es ist nicht nur regnerisch, sondern auch später Nachmittag, und in dieser Jahreszeit verliert sich das Tageslicht langsam zu einer trüben Farblosigkeit. Bis auf die vielen roten Warnlichter, weißen Autoscheinwerfer und bunten Leuchtreklamen, die sich dann doch in den Vordergrund schieben.
Ich schiebe mein Fahrrad an einer Baustellenabsperrung vorbei, nicht ohne einen Blick in den Erdaushub neben mir zu werfen. Im ersten Moment denke ich noch, in eine dunkle Gruft zu schauen. Hatte ich doch kurz das Bild im Kopf, nur dunkles Gewirr zu sehen, in dem dunkles Getier haust, eine Unterwelt, wie auf einem Bild von Hyronymus Bosch.
Doch zu meiner Überraschung schaue ich nicht in einen finsteren Schacht, wie wie ich spontan vermutet habe, vielmehr strahlt ein Baustellenscheinwerfer die unterirdische Szenerie aus. Ein hell erleuchtetes Geschehen in sechs Metern gegen 17 Uhr mitten in einer Geschäftsstraße.
Ich bin fasziniert, nahezu gebannt, von diesem gut sichtbaren unterirdischen Durcheinander. Ich kann es gar nicht einfach nur als Baustelle sehen, es erscheint vielmehr wie eine Theaterbühne, eine Inszenierung, die man lange betrachten möchte.
Dieses unvergleichliche Farbenspiel, einerseits eine farbliche Einheitlichkeit in Gelb und Orange, anderseits alles erdig und dunkel beschmiert, doch die Nässe da unten lässt unzählige winzige Reflexionslichter glänzen. Dazu bildet das große und grobe Baumaterial, das aus riesigen Platten und Halterungen besteht, eine fantastische Bühnenkulisse, rostig und stumpf, aber mächtig und imposant.
Dazwischen liegt das neue, noch zu verbauende Rohrmaterial in aller Farbenpracht, frisch aus der Fabrikhalle: grell gelbe, lange Rohrelemente, hellblaue Verbindungsstücke, goldene Messingteile. Jetzt sind es noch fröhlichen Farbkleckse, doch irgendwann wird der Bagger alles mit dunkler Erde wieder zuschütten und diese herrliche farbige Szenerie unter sich begraben.
Doch jetzt zieht mich diese kleine unterirdische Welt geradezu noch an. Trotz der Enge da unten hat es auch etwas Heimisches, fast Gemütliches. Die Bauarbeiter, geschützt vor dem hektischen Treiben in der Straße über ihnen, geborgen wie in einer eigenen Spielsituation, ihre Hantieren mit vertrauten Dingen in einer sehr überschaubaren Welt.
Anscheinend sind gerade nur zwei Bauarbeiter da unten beschäftigt. Sie bekommen nicht mit, wie ich ihnen voller Bewunderung zuschaue. Oder vertue ich mich sehr, wenn ich ihre schlecht bezahlte Drecksarbeit da unten bestaune? Ist es vielleicht nur eine kindliche Erinnerung, die gerade wach wird? Jetzt da unten dabei sein und spielen zu dürfen, so wie wir als Kinder Höhlen, Gruften und Hütten gesucht oder uns gebaut haben, um sich darin zurückziehen zu können. Eng aufeinander hockend, beim Schein einer Taschenlampe, abgeschieden von der Welt da draußen. Weit weg von Ansprüchen wie Hausaufgaben, Händewaschen und sich nicht dreckig zu machen.
Die Bauarbeiter da unten scheinen das ähnlich zu sehen. Es ist ihnen vollkommen egal, was die fein gekleideten Fußgänger mit ihren schicken Einkaufstaschen über ihren Köpfen gerade treiben. Sie kennen nur ihre eigene Ordnung, ihre eigene Welt mit ihren eigenen Maßstäben.
Das finde ich klasse und denke, wartet bitte, ich komme gleich dazu.
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WIE
Es ist nicht nur regnerisch, sondern auch später Nachmittag, und in dieser Jahreszeit verliert sich das Tageslicht langsam zu einer trüben Farblosigkeit. Bis auf die vielen roten Warnlichter, weißen Autoscheinwerfer und bunten Leuchtreklamen, die sich dann doch in den Vordergrund schieben.
Ich schiebe mein Fahrrad an einer Baustellenabsperrung vorbei, nicht ohne einen Blick in den Erdaushub neben mir zu werfen. Im ersten Moment denke ich noch, in eine dunkle Gruft zu schauen. Hatte ich doch kurz das Bild im Kopf, nur dunkles Gewirr zu sehen, in dem dunkles Getier haust, eine Unterwelt, wie auf einem Bild von Hyronymus Bosch.
Doch zu meiner Überraschung schaue ich nicht in einen finsteren Schacht, wie wie ich spontan vermutet habe, vielmehr strahlt ein Baustellenscheinwerfer die unterirdische Szenerie aus. Ein hell erleuchtetes Geschehen in sechs Metern gegen 17 Uhr mitten in einer Geschäftsstraße.
Ich bin fasziniert, nahezu gebannt, von diesem gut sichtbaren unterirdischen Durcheinander. Ich kann es gar nicht einfach nur als Baustelle sehen, es erscheint vielmehr wie eine Theaterbühne, eine Inszenierung, die man lange betrachten möchte.
Dieses unvergleichliche Farbenspiel, einerseits eine farbliche Einheitlichkeit in Gelb und Orange, anderseits alles erdig und dunkel beschmiert, doch die Nässe da unten lässt unzählige winzige Reflexionslichter glänzen. Dazu bildet das große und grobe Baumaterial, das aus riesigen Platten und Halterungen besteht, eine fantastische Bühnenkulisse, rostig und stumpf, aber mächtig und imposant.
Dazwischen liegt das neue, noch zu verbauende Rohrmaterial in aller Farbenpracht, frisch aus der Fabrikhalle: grell gelbe, lange Rohrelemente, hellblaue Verbindungsstücke, goldene Messingteile. Jetzt sind es noch fröhlichen Farbkleckse, doch irgendwann wird der Bagger alles mit dunkler Erde wieder zuschütten und diese herrliche farbige Szenerie unter sich begraben.
Doch jetzt zieht mich diese kleine unterirdische Welt geradezu noch an. Trotz der Enge da unten hat es auch etwas Heimisches, fast Gemütliches. Die Bauarbeiter, geschützt vor dem hektischen Treiben in der Straße über ihnen, geborgen wie in einer eigenen Spielsituation, ihre Hantieren mit vertrauten Dingen in einer sehr überschaubaren Welt.
Anscheinend sind gerade nur zwei Bauarbeiter da unten beschäftigt. Sie bekommen nicht mit, wie ich ihnen voller Bewunderung zuschaue. Oder vertue ich mich sehr, wenn ich ihre schlecht bezahlte Drecksarbeit da unten bestaune? Ist es vielleicht nur eine kindliche Erinnerung, die gerade wach wird? Jetzt da unten dabei sein und spielen zu dürfen, so wie wir als Kinder Höhlen, Gruften und Hütten gesucht oder uns gebaut haben, um sich darin zurückziehen zu können. Eng aufeinander hockend, beim Schein einer Taschenlampe, abgeschieden von der Welt da draußen. Weit weg von Ansprüchen wie Hausaufgaben, Händewaschen und sich nicht dreckig zu machen.
Die Bauarbeiter da unten scheinen das ähnlich zu sehen. Es ist ihnen vollkommen egal, was die fein gekleideten Fußgänger mit ihren schicken Einkaufstaschen über ihren Köpfen gerade treiben. Sie kennen nur ihre eigene Ordnung, ihre eigene Welt mit ihren eigenen Maßstäben.
Das finde ich klasse und denke, wartet bitte, ich komme gleich dazu.