Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Runterkommen
WIE
„Kannst du nicht ganz einfach mal nur runterkommen, das kann doch nicht so schwer sein.“ Eine junge Frau und ein Mann besteigen gerade auch die Straßenbahn. „Komm doch selber erst mal runter“, höre ich den jungen Mann entgegnen. Sie halten beide eine Dose Bier in der Hand, es scheint nicht die erste am diesem Tag zu sein. Dem weitergehenden Gespräch gehe ich lieber aus dem Weg und drehe die Musik in meinen Kopfhörern lauter.
Selber wollte ich mich gerade nicht in der Enge der Bahn von der Aufregung anderer anstecken lassen und erst mal runterkommen. Das letzte Telefonat mit den Eltern eines Problemschülers war schwierig genug gewesen. Wie soll man Eltern etwas über ihre Kinder mitteilen, wenn diese das gleiche Verhalten in noch stärkerer Weise zeigen.
Also werfe ich einen kurzen Blick auf die Zeitung mir gegenüber. Aber auch die Schlagzeilen sind nicht dazu geeignet runterzukommen. Die Streikenden an Flughäfen und Bahnöfen gehen nicht von ihren Lohnforderungen herunter, die andere Seite ist sich sicher, den Forderungen nicht entgegen kommen zu dürfen. Bei der Räumung der Braunkohlegebiete verbeißen sich Energiekonzerne in ihren Forderungen, die Vernichtung der Wirtschaft vermeiden zu müssen. Die Demonstranten krallen sich an die Bäume, um die Vernichtung des Klimas zu verhindern. Und dann erst die aktuell schwelenden Kriege. Alle reden von Verhandlungen statt kriegerischer Auseinandersetzung. Nur dazu müsste man erst mal runterkommen, und zwar alle Beteiligten.
Als ich mich von der Zeitung abwende, beobachte ich die Leute in der dicht besetzten Bahn. Das zugestiegene Pärchen ist immer noch damit beschäftigt dem anderen vorzuwerfen, nicht runterkommen zu können. Die Bierdosen scheinen mittlerweile leer zu sein.
Die daneben stehenden Personen sind bemüht, sich nicht von den beiden Streitenden provozieren zu lassen. Zwei ältere Herren haben es sogar geschafft, in der vollen Bahn einzuschlafen. Auf der anderen Seite des Ganges sitzt eine Frau mittleren Alters, sie trägt auf ihrem Gesicht ein überzeugendes Strahlen und hält dabei eine zusammengerollte Yogamatte vor ihrer Brust fest in ihren Armen. Zwei Schüler mit überschweren Rucksäcken versüßen sich die Zeit, in dem sie sich abwechselnd gegen das Schienbein treten oder sonstige Klapse austauschen. Ein anderes junges Pärchen ist ganz mit sich selber beschäftigt. Er pustet ihr immer wieder in den Nacken, sie scheint es mit Geduld zu ertragen. Außerdem ist sie, wie viele Personen in der Bahn, mit ihrem Handy beschäftigt. Das scheint genügend zu beruhigen, diese Runterkommtechnik scheint zu funktionieren.
Ich blättere in der Zeitungsbeilage, die neben mir auf dem Sitz liegengeblieben ist. Dort finde ich reihenweise Dinge, die auch dabei helfen sollen runterzukommen. Es werden Couchlandschaften und Lümmelsofas angeboten genauso wie Gartenmöbel mit kuscheligen Sitzauflagen. Dazu smarte Beleuchtungssysteme, die Farbe und Helligkeit wechseln können, genauso wie Aromaspender, Luftbefeuchter und Klimaanlagen. Runterkommtechnik, die aber leider nicht in der Straßenbahn funktioniert.
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Runterkommen
WIE
„Kannst du nicht ganz einfach mal nur runterkommen, das kann doch nicht so schwer sein.“ Eine junge Frau und ein Mann besteigen gerade auch die Straßenbahn. „Komm doch selber erst mal runter“, höre ich den jungen Mann entgegnen. Sie halten beide eine Dose Bier in der Hand, es scheint nicht die erste am diesem Tag zu sein. Dem weitergehenden Gespräch gehe ich lieber aus dem Weg und drehe die Musik in meinen Kopfhörern lauter.
Selber wollte ich mich gerade nicht in der Enge der Bahn von der Aufregung anderer anstecken lassen und erst mal runterkommen. Das letzte Telefonat mit den Eltern eines Problemschülers war schwierig genug gewesen. Wie soll man Eltern etwas über ihre Kinder mitteilen, wenn diese das gleiche Verhalten in noch stärkerer Weise zeigen.
Also werfe ich einen kurzen Blick auf die Zeitung mir gegenüber. Aber auch die Schlagzeilen sind nicht dazu geeignet runterzukommen. Die Streikenden an Flughäfen und Bahnöfen gehen nicht von ihren Lohnforderungen herunter, die andere Seite ist sich sicher, den Forderungen nicht entgegen kommen zu dürfen. Bei der Räumung der Braunkohlegebiete verbeißen sich Energiekonzerne in ihren Forderungen, die Vernichtung der Wirtschaft vermeiden zu müssen. Die Demonstranten krallen sich an die Bäume, um die Vernichtung des Klimas zu verhindern. Und dann erst die aktuell schwelenden Kriege. Alle reden von Verhandlungen statt kriegerischer Auseinandersetzung. Nur dazu müsste man erst mal runterkommen, und zwar alle Beteiligten.
Als ich mich von der Zeitung abwende, beobachte ich die Leute in der dicht besetzten Bahn. Das zugestiegene Pärchen ist immer noch damit beschäftigt dem anderen vorzuwerfen, nicht runterkommen zu können. Die Bierdosen scheinen mittlerweile leer zu sein.
Die daneben stehenden Personen sind bemüht, sich nicht von den beiden Streitenden provozieren zu lassen. Zwei ältere Herren haben es sogar geschafft, in der vollen Bahn einzuschlafen. Auf der anderen Seite des Ganges sitzt eine Frau mittleren Alters, sie trägt auf ihrem Gesicht ein überzeugendes Strahlen und hält dabei eine zusammengerollte Yogamatte vor ihrer Brust fest in ihren Armen. Zwei Schüler mit überschweren Rucksäcken versüßen sich die Zeit, in dem sie sich abwechselnd gegen das Schienbein treten oder sonstige Klapse austauschen. Ein anderes junges Pärchen ist ganz mit sich selber beschäftigt. Er pustet ihr immer wieder in den Nacken, sie scheint es mit Geduld zu ertragen. Außerdem ist sie, wie viele Personen in der Bahn, mit ihrem Handy beschäftigt. Das scheint genügend zu beruhigen, diese Runterkommtechnik scheint zu funktionieren.
Ich blättere in der Zeitungsbeilage, die neben mir auf dem Sitz liegengeblieben ist. Dort finde ich reihenweise Dinge, die auch dabei helfen sollen runterzukommen. Es werden Couchlandschaften und Lümmelsofas angeboten genauso wie Gartenmöbel mit kuscheligen Sitzauflagen. Dazu smarte Beleuchtungssysteme, die Farbe und Helligkeit wechseln können, genauso wie Aromaspender, Luftbefeuchter und Klimaanlagen. Runterkommtechnik, die aber leider nicht in der Straßenbahn funktioniert.