Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Ruhe
WIE
„Ruhe“, hört man eine Stimme brüllen, „Ruhe, verdammt noch mal“, und danach ein lautes Poltern, das durch den Fußboden dringt.
Das beste Mittel, sich gegen Ruhestörung zu wehren, ist sich beschweren und den Ärger nicht runterschlucken, sondern sich mit entsprechender Vehemenz durchsetzen. Obwohl, der- oder diejenige, die oben drüber wohnen, gerade das Gleiche machen. Vielleicht auch nur mit lauter Musik und etwas heftigerem Gepolter den Ärger und Frust rauslassen. Doch helfen solche Überlegungen die Lautstärke anderer besser zu ertragen?
„Jetzt sei doch mal ruhig“, sagt seine innere Stimme. Es will nicht gelingen, diese innere Ruhe. Von der überall gesprochen wird, diese wichtige Maßnahme für Lebensqualität und Lebensverlängerung. Der Kopf will aber nicht, beschwert sich, schimpft und klagt, ärgert sich über die Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit auf der Welt.
"Jetzt sei doch einfach mal ruhig“, fährt er sich selber an, doch irgendwie will es nicht so richtig gelingen.
Die neueste Erfindung sind diese kleinen weiße Plastikstöpsel in den Ohren. Man sieht sie bei immer mehr Menschen auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Warteschlangen. Kopfhörer, klein und raffiniert. Dahinter verbirgt sich keine Ruhe, aber die Möglichkeit, selber zu bestimmen, was man hören will. Ruhe, indem man das, was man nicht hören will, mit anderem überdeckt. Auf Knopfdruck die Umgebungsgeräusche abstellen können, Stimmen, Hintergrundmusik, Verkehrsgeräusche. Den Ton einfach runter drehen, ausschalten, in allen Lebenslagen, in Räumen drinnen, auf Straßen und Plätze draußen. Alles wie durch eine Fensterscheibe betrachten. Oder statt dessen mit einer bestimmten Musik versehen: Leichte, sphärische, klassische oder schnulzige Klänge. So wie man es aus Film, Fernsehen und Werbung kennt. Alles weich gewaschen und besser zu ertragen.
Doch wo bleibt die viel gepriesene innere Ruhe? Die Ruhe, wo wirklich nichts ist, keine Ersatzklänge, keine Musik, Hörspiel oder Nachrichten, kein Kommentar so nebenbei, keine Dokumentation, kein Wort über die Lage der Welt, im Einzelnen, im Allgemeinen, im Besonderen, im Jetzt und Hier? Aber wenn ich auch das nocvh abschalte, auch das fern halte, heißt es dann nicht schnell: „Dir ist wohl alles egal? Das ist doch die Haltung der Weggucker, der Geht-mich-nichts-an-Menschen, die sagen, kümmert mich nicht, was hab ich damit zu tun?“
Könnte es aber nicht dennoch erstrebenswert sein, Ruhe zuzulassen? Ohne Ticker und ohne News, ohne Einmischen, Kommentare und Besserwisserei? Und ja nicht glauben, man hätte mit viel Empörung oder Betroffenheit bereits an der Lösung von Probleme mitgeholfen.
Einfach Ruhe zulassen, nichts ist perfekt, es lässt sich nicht alles entscheiden, ich kann nicht alles vorhersagen. Etwas so sein lassen, wie es ist, nicht vorantreiben, nicht entscheiden oder bestimmen, nichts schaffen oder lösen wollen. Kein Ziel haben, keinen Anspruch setzen, keine Kritik an sich ran kommen lassen. Und da ist sie plötzlich, die Ruhe, ohne brüllen und ohne etwas dagegen setzen zu müssen. Mich nicht selber anbrüllen, nicht andere anbrüllen, egal, was da draußen zu hören ist.
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Ruhe
WIE
„Ruhe“, hört man eine Stimme brüllen, „Ruhe, verdammt noch mal“, und danach ein lautes Poltern, das durch den Fußboden dringt.
Das beste Mittel, sich gegen Ruhestörung zu wehren, ist sich beschweren und den Ärger nicht runterschlucken, sondern sich mit entsprechender Vehemenz durchsetzen. Obwohl, der- oder diejenige, die oben drüber wohnen, gerade das Gleiche machen. Vielleicht auch nur mit lauter Musik und etwas heftigerem Gepolter den Ärger und Frust rauslassen. Doch helfen solche Überlegungen die Lautstärke anderer besser zu ertragen?
„Jetzt sei doch mal ruhig“, sagt seine innere Stimme. Es will nicht gelingen, diese innere Ruhe. Von der überall gesprochen wird, diese wichtige Maßnahme für Lebensqualität und Lebensverlängerung. Der Kopf will aber nicht, beschwert sich, schimpft und klagt, ärgert sich über die Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit auf der Welt.
"Jetzt sei doch einfach mal ruhig“, fährt er sich selber an, doch irgendwie will es nicht so richtig gelingen.
Die neueste Erfindung sind diese kleinen weiße Plastikstöpsel in den Ohren. Man sieht sie bei immer mehr Menschen auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Warteschlangen. Kopfhörer, klein und raffiniert. Dahinter verbirgt sich keine Ruhe, aber die Möglichkeit, selber zu bestimmen, was man hören will. Ruhe, indem man das, was man nicht hören will, mit anderem überdeckt. Auf Knopfdruck die Umgebungsgeräusche abstellen können, Stimmen, Hintergrundmusik, Verkehrsgeräusche. Den Ton einfach runter drehen, ausschalten, in allen Lebenslagen, in Räumen drinnen, auf Straßen und Plätze draußen. Alles wie durch eine Fensterscheibe betrachten. Oder statt dessen mit einer bestimmten Musik versehen: Leichte, sphärische, klassische oder schnulzige Klänge. So wie man es aus Film, Fernsehen und Werbung kennt. Alles weich gewaschen und besser zu ertragen.
Doch wo bleibt die viel gepriesene innere Ruhe? Die Ruhe, wo wirklich nichts ist, keine Ersatzklänge, keine Musik, Hörspiel oder Nachrichten, kein Kommentar so nebenbei, keine Dokumentation, kein Wort über die Lage der Welt, im Einzelnen, im Allgemeinen, im Besonderen, im Jetzt und Hier? Aber wenn ich auch das nocvh abschalte, auch das fern halte, heißt es dann nicht schnell: „Dir ist wohl alles egal? Das ist doch die Haltung der Weggucker, der Geht-mich-nichts-an-Menschen, die sagen, kümmert mich nicht, was hab ich damit zu tun?“
Könnte es aber nicht dennoch erstrebenswert sein, Ruhe zuzulassen? Ohne Ticker und ohne News, ohne Einmischen, Kommentare und Besserwisserei? Und ja nicht glauben, man hätte mit viel Empörung oder Betroffenheit bereits an der Lösung von Probleme mitgeholfen.
Einfach Ruhe zulassen, nichts ist perfekt, es lässt sich nicht alles entscheiden, ich kann nicht alles vorhersagen. Etwas so sein lassen, wie es ist, nicht vorantreiben, nicht entscheiden oder bestimmen, nichts schaffen oder lösen wollen. Kein Ziel haben, keinen Anspruch setzen, keine Kritik an sich ran kommen lassen. Und da ist sie plötzlich, die Ruhe, ohne brüllen und ohne etwas dagegen setzen zu müssen. Mich nicht selber anbrüllen, nicht andere anbrüllen, egal, was da draußen zu hören ist.