Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Rückenwind
WIE
1. Zunächst ist er einfach nur stolz auf sich: „Wie gut ich mal wieder in Form bin“, denkt er. Dort, wo die Fahrstrecke normalerweise endet, und er umdreht, fühlt er sich heute stark genug noch ein paar Kilometerchen drauf zu legen. Ein Grund mehr den Vorsatz schmieden, auch die nächsten Male die längere Routenvariante zu wählen. Und überhaupt, mehr für seine Fitness zu tun.
Als er dann einige Zeit später doch zur Rückfahrt antritt, wird er skeptisch. Da scheint etwas nicht mit den Bremsen nicht stimmen, alles geht so unheimlich schwer. Bis er bemerkt, was für ein Gegenwind ihm entgegen bläst. War wohl vorher auch etwas Rückenwind mit im Spiel. „Man soll das mit der Fitness auch nicht übertreiben“, überlegt er sich.
2. Der Arzttermin verläuft schneller als erwartet. Nicht schlecht, da bleibt noch Zeit in der Stadt zum Schoppen. Dann sieht sie das weiße Zettelchen an der Windschutzscheibe ihres Autos. Eine Knolle, nicht wegen eines Parkverbots, sondern weil zwei Reifen ihres Wagens auf dem Bürgersteig stehen. Das kostet.
Wenig später in der Stadt beschließt sie auf dem Rückweg doch noch ihren Lieblingsschuhladen zu besuchen. Und tatsächlich, da stehen die Stiefel, von denen sie immer geträumt hat. Genau der Absatz, die Sohlen, die Schafthöhe und exakt das hellblaue Wildleder. Mit sage und schreibe 40 % Rabatt. Als sie mit einer großen Tüte in der Hand den Laden verlässt, weiß sie: „Was für ein Glück ich so in meinem Leben habe, auch in Sachen Klamottenkauf.“
3. Ganz zum Schluss haben sie ihn noch in der Mannschaft für das Spiel zum Aufstieg in die Kreisliga aufgestellt. Hat sich doch gelohnt, die viele Zeit, die er auf dem Platz beim Training verbrachte, und die wenige Zeit, die er für Frau und die beiden kleinen Kinder hatte. Das wird sich jetzt ändern. Vielleicht gelingt ihm ja heute der entscheidende Schuss aufs Tor, der ihn zum Held der Mannschaft macht. Er weiß genau, warum er diesen Sport liebt.
In den folgenden 90 Minuten gelingt ihm so gut wie nichts. Den Mitspielern in der Mannschaft leider auch nicht. Mit einer Niederlage von 4:0 treten sie die Rückfahrt an. Schon im Bus redet der Trainer von radikalen Änderungen in der Mannschaft, die er vornehmen muss.
4. Die Bahn hat Verspätung, und er ist später als geplant im Büro. Dann wartet da auch noch der Stapel mit den Beschwerdebriefen auf seinem Schreibtisch. Ist es seine Schuld, dass sich seit der Einführung der neuen Benutzeroberfläche die Zahl der Beschwerden verdreifacht hat? Was ist das für ein Sch….verein, in dem er hier arbeiten muss. Und warum ist gerade er für die Kundenbeschwerden zuständig?
Die hübsche Kollegin, die noch ganz neu dabei ist, bringt ihm einen frisch gebrühten doppelten Espresso, hat auch ein Kompliment für ihn parat und bekundet ihren Neid auf seinen Schreibtischplatz, auf den die Sonne so schön strahlt. Das alles hat seine Wirkung. „So schlecht ist der Job nicht“, denkt er. Eigentlich doch ganz gut, dass er sich in diese Abteilung hat versetzen lassen.
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Rückenwind
WIE
1. Zunächst ist er einfach nur stolz auf sich: „Wie gut ich mal wieder in Form bin“, denkt er. Dort, wo die Fahrstrecke normalerweise endet, und er umdreht, fühlt er sich heute stark genug noch ein paar Kilometerchen drauf zu legen. Ein Grund mehr den Vorsatz schmieden, auch die nächsten Male die längere Routenvariante zu wählen. Und überhaupt, mehr für seine Fitness zu tun.
Als er dann einige Zeit später doch zur Rückfahrt antritt, wird er skeptisch. Da scheint etwas nicht mit den Bremsen nicht stimmen, alles geht so unheimlich schwer. Bis er bemerkt, was für ein Gegenwind ihm entgegen bläst. War wohl vorher auch etwas Rückenwind mit im Spiel. „Man soll das mit der Fitness auch nicht übertreiben“, überlegt er sich.
2. Der Arzttermin verläuft schneller als erwartet. Nicht schlecht, da bleibt noch Zeit in der Stadt zum Schoppen. Dann sieht sie das weiße Zettelchen an der Windschutzscheibe ihres Autos. Eine Knolle, nicht wegen eines Parkverbots, sondern weil zwei Reifen ihres Wagens auf dem Bürgersteig stehen. Das kostet.
Wenig später in der Stadt beschließt sie auf dem Rückweg doch noch ihren Lieblingsschuhladen zu besuchen. Und tatsächlich, da stehen die Stiefel, von denen sie immer geträumt hat. Genau der Absatz, die Sohlen, die Schafthöhe und exakt das hellblaue Wildleder. Mit sage und schreibe 40 % Rabatt. Als sie mit einer großen Tüte in der Hand den Laden verlässt, weiß sie: „Was für ein Glück ich so in meinem Leben habe, auch in Sachen Klamottenkauf.“
3. Ganz zum Schluss haben sie ihn noch in der Mannschaft für das Spiel zum Aufstieg in die Kreisliga aufgestellt. Hat sich doch gelohnt, die viele Zeit, die er auf dem Platz beim Training verbrachte, und die wenige Zeit, die er für Frau und die beiden kleinen Kinder hatte. Das wird sich jetzt ändern. Vielleicht gelingt ihm ja heute der entscheidende Schuss aufs Tor, der ihn zum Held der Mannschaft macht. Er weiß genau, warum er diesen Sport liebt.
In den folgenden 90 Minuten gelingt ihm so gut wie nichts. Den Mitspielern in der Mannschaft leider auch nicht. Mit einer Niederlage von 4:0 treten sie die Rückfahrt an. Schon im Bus redet der Trainer von radikalen Änderungen in der Mannschaft, die er vornehmen muss.
4. Die Bahn hat Verspätung, und er ist später als geplant im Büro. Dann wartet da auch noch der Stapel mit den Beschwerdebriefen auf seinem Schreibtisch. Ist es seine Schuld, dass sich seit der Einführung der neuen Benutzeroberfläche die Zahl der Beschwerden verdreifacht hat? Was ist das für ein Sch….verein, in dem er hier arbeiten muss. Und warum ist gerade er für die Kundenbeschwerden zuständig?
Die hübsche Kollegin, die noch ganz neu dabei ist, bringt ihm einen frisch gebrühten doppelten Espresso, hat auch ein Kompliment für ihn parat und bekundet ihren Neid auf seinen Schreibtischplatz, auf den die Sonne so schön strahlt. Das alles hat seine Wirkung. „So schlecht ist der Job nicht“, denkt er. Eigentlich doch ganz gut, dass er sich in diese Abteilung hat versetzen lassen.