Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Reichlich Vorrat
WIE
Eigentlich sollte es ein unkomplizierter Abend werden, eine kleine Einladung unter der Woche bei Freunden in der Nachbarschaft. Ein frühsommerliches Treffen auf der Terrasse bei Weinschorle, kleinen Köstlichkeiten und unkomplizierten Themen über wichtige Neuanschaffungen, alltägliche Sorgen und erstaunliche Überraschungen im Garten. Wenn längst vergessene Stauden doch noch mal ausschlagen, aber jahrelang vertraute Bodendecker doch plötzlich eingehen.
Bis das Gespräch an einem Stapel Blumenerde hängen bleibt. Zwanzig Packungen Blumenerde in weißer Plastikfolie stramm verpackt liegen auf der Terrasse, direkt neben dem Grill. Während der Gastgeber die Augen verdreht, verteidigt die Gastgeberin ihre Anschaffung: „Die waren im Angebot, Blumenerde brauche ich ständig, und die wird nicht schlecht.“
Nicht alle Gäste können diesen Argumenten folgen, und schon geht es bald darum, von welchen Sachen es sich wirklich lohnt einen Vorrat anzulegen. Hier prallen die Meinungen aufeinander. Der Gastgeber outet sich mit seiner Vorliebe für Weinvorräte, wie zum Beispiel ein hervorragender Sauvignon, von dem er gleich zehn Kartons gekauft hat, die ja sogar mit jedem Jahr der Lagerung besser werden. Was die Damen unter gesundheitlichen Gesichtspunkten (Leber) bedenklich finden, gerade mit steigendem Alter.
Schnell finden sich weitere Beispiele: In der Hobbywerkstatt sind sich die Männer einig, auch Werkzeuge für seltene Heimwerkerarbeiten besitzen zu müssen, selbst wenn diese Sachen lange im ungebrauchten Zustand verpackt sind, irgendwann wird ihr Einsatz für spezielle Problemstellungen kommen. Und von anderen wichtigen Teilen kann man überhaupt nie genug haben wie zum Sägeblätter, Schraubenbits und Schraubzwingen.
Die gleichen Argumente finden sich bei den Frauen für die Küche, wo unzählige Spezialwerkzeuge auf ihren Einsatz warten. Spritztüten mit unterschiedliche Düsenaufsätzen, spezielle, seltene Hilfsmittel fürs Backen, diverse Werkzeuge zum Schneiden, Schnibbeln, Pressen und Formen, die entsprechenden Schubladen und Regalfächer füllen. Vorräte, die von ihren Besitzern mit viel Liebe zusammengetragen und gehortet werden, die bei anderen Mitbewohnern aber auf völliges Unverständnis stoßen.
Der Abend hätte so schön werden können, wären die Gespräche nicht auf dieses empfindliche Thema gekommen. Und jedes einzelne Beispiel angeblich unnötiger Vorratshaltung zieht weitere Gegenbeispiele nach sich. Was für die einen ein Muss im alltäglichen Haushalt ist, ist für die anderen ein ständiger Anlass zum Ärgern. Alles das kommt an diesem Abend zur Sprache, denn egal ob zu Tisch, in der Küche, in der Garage oder im Gartenhäuschen, überall findet sich das Thema.
Die Gespräche werden immer ernster, geht es doch auch darum, mit Vorräten bestimmte Ängste zu bewältigen. Sich vor möglichen Bedrohungen schützen zu wollen oder bestimmte Katastrophen besser überstehen zu können. Für die einen sind es Akkuladestationen, Batterien und Sammlungen von Adaptern und Kabeln, für andere sind es Kräutermischungen, Immunpräparate und Handcremes. Vorratsüberzeugungen sollten nicht hinterfragt, sondern als persönlicher Glücksbringer einfach zugelassen werden. Kaum jemand ist in der Lage, für alles Verständnis aufzubringen.
Texte zum Alltäglichen -
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Reichlich Vorrat
WIE
Eigentlich sollte es ein unkomplizierter Abend werden, eine kleine Einladung unter der Woche bei Freunden in der Nachbarschaft. Ein frühsommerliches Treffen auf der Terrasse bei Weinschorle, kleinen Köstlichkeiten und unkomplizierten Themen über wichtige Neuanschaffungen, alltägliche Sorgen und erstaunliche Überraschungen im Garten. Wenn längst vergessene Stauden doch noch mal ausschlagen, aber jahrelang vertraute Bodendecker doch plötzlich eingehen.
Bis das Gespräch an einem Stapel Blumenerde hängen bleibt. Zwanzig Packungen Blumenerde in weißer Plastikfolie stramm verpackt liegen auf der Terrasse, direkt neben dem Grill. Während der Gastgeber die Augen verdreht, verteidigt die Gastgeberin ihre Anschaffung: „Die waren im Angebot, Blumenerde brauche ich ständig, und die wird nicht schlecht.“
Nicht alle Gäste können diesen Argumenten folgen, und schon geht es bald darum, von welchen Sachen es sich wirklich lohnt einen Vorrat anzulegen. Hier prallen die Meinungen aufeinander. Der Gastgeber outet sich mit seiner Vorliebe für Weinvorräte, wie zum Beispiel ein hervorragender Sauvignon, von dem er gleich zehn Kartons gekauft hat, die ja sogar mit jedem Jahr der Lagerung besser werden. Was die Damen unter gesundheitlichen Gesichtspunkten (Leber) bedenklich finden, gerade mit steigendem Alter.
Schnell finden sich weitere Beispiele: In der Hobbywerkstatt sind sich die Männer einig, auch Werkzeuge für seltene Heimwerkerarbeiten besitzen zu müssen, selbst wenn diese Sachen lange im ungebrauchten Zustand verpackt sind, irgendwann wird ihr Einsatz für spezielle Problemstellungen kommen. Und von anderen wichtigen Teilen kann man überhaupt nie genug haben wie zum Sägeblätter, Schraubenbits und Schraubzwingen.
Die gleichen Argumente finden sich bei den Frauen für die Küche, wo unzählige Spezialwerkzeuge auf ihren Einsatz warten. Spritztüten mit unterschiedliche Düsenaufsätzen, spezielle, seltene Hilfsmittel fürs Backen, diverse Werkzeuge zum Schneiden, Schnibbeln, Pressen und Formen, die entsprechenden Schubladen und Regalfächer füllen. Vorräte, die von ihren Besitzern mit viel Liebe zusammengetragen und gehortet werden, die bei anderen Mitbewohnern aber auf völliges Unverständnis stoßen.
Der Abend hätte so schön werden können, wären die Gespräche nicht auf dieses empfindliche Thema gekommen. Und jedes einzelne Beispiel angeblich unnötiger Vorratshaltung zieht weitere Gegenbeispiele nach sich. Was für die einen ein Muss im alltäglichen Haushalt ist, ist für die anderen ein ständiger Anlass zum Ärgern. Alles das kommt an diesem Abend zur Sprache, denn egal ob zu Tisch, in der Küche, in der Garage oder im Gartenhäuschen, überall findet sich das Thema.
Die Gespräche werden immer ernster, geht es doch auch darum, mit Vorräten bestimmte Ängste zu bewältigen. Sich vor möglichen Bedrohungen schützen zu wollen oder bestimmte Katastrophen besser überstehen zu können. Für die einen sind es Akkuladestationen, Batterien und Sammlungen von Adaptern und Kabeln, für andere sind es Kräutermischungen, Immunpräparate und Handcremes. Vorratsüberzeugungen sollten nicht hinterfragt, sondern als persönlicher Glücksbringer einfach zugelassen werden. Kaum jemand ist in der Lage, für alles Verständnis aufzubringen.