Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Pfiffe
RAU
Was war das denn? Hat sie richtig gehört? Ein Pfiff, genausgenommen mehrere kurze Pfiffe hintereinander, fast melodiös. Lisa dreht sich um, und der Schornsteinfeger auf dem Bürgersteig macht dasselbe.
„Entschuldigung, ist mir einfach so rausgerutscht“, ruft er ihr zu, „macht man ja eigentlich nicht, aber irgendwie musste es sein. Sie sehen so gut aus in dem Kleid, eine reinste Wonne für die Augen. Und anders konnte ich es ihnen auf die Schnelle nicht sagen, entschuldigen sie bitte.“
„Ist schon in Ordnung“, sagt sie und bleibt stehen.
Der junge Mann in den schwarzen Arbeitskleidern steht nun ein wenig unsicher da, sie kann sich nicht erinnern, schon einmal mit einem Schornsteinfeger zu tun gehabt geschweige denn geredet zu haben.
„Früher haben Männer das ja häufig gemacht“, schiebt er nach und kommt einen Schritt näher, „auch wenn ich als Junge mit meiner Mutter zum Einkaufen gegangen bin. Ich fand das immer sehr komisch, mochte es nicht.“
„Und meine Mutter hat mir oft erzählt, dass ihr früher die Männer hinterher gepfiffen hätten, als sie ein junges Mädchen gewesen ist und den Fotos nach zu urteilen ein sehr hübsches dazu. Und es ihr auch gefallen hat, obwohl sich das für feine Mädchen eigentlich so gar nicht gehört hat. Warte es ab, bis du soweit bist, hat sie immer gesagt. Und so habe ich gehofft, es auch bald zu erleben, aber ich musste noch lange warten, denn ich war damals erst fünf oder sechs Jahre alt. Bis heute musste ich warten, bis gerade eben. Als sie gepfiffen haben, es war mein erstes Mal, danke.“
„Da nicht für, ist mir einfach so rausgerutscht“, sagt er und nestelt nun an seinem Werkzeug rum, „macht man ja eigentlich wirklich nicht, ist so blöd männlich.“
„Billige Anmache, so in der Art?“
Er nickt und wird sogar leicht rot im Gesicht.
„Pfiffe hört man heute wirklich selten, eigentlich nur noch im Park von Hundebesitzern. Weiß gar nicht, ob ich das noch kann, mache ja heute alles mit meinem Handy“, sagt sie.
„Und im Fußballstadion wird auch gepfiffen“, meint er.
„Stimmt“, antwortet sie, „aber da kriegen mich keine zehn Pferde rein.“
„Mich auch nicht.“
„In der Schule haben die Sportlehrer auch ständig gepfiffen, und das habe ich überhaupt nicht gemocht, immer zack, zack, zack, schneller, schneller, schneller, immer auf Tempo“, fällt ihr ein.
„Meine waren die reinsten Sadisten, Sportunterricht habe ich nicht ausstehen können“, meint er.
„Trotzdem sind sie Schornsteinfeger geworden? Ich meine, da müssen sie doch hoch oben auf den Dächern rumturnen …“.
Nun lacht er. „Das kriege ich noch hin und genieße dabei auch die tollen Aussichten.“
„Mittlerweile gibt es sicherlich auch viele Frauen in ihrem Beruf. Ob die wohl einem hübschen Mann hinterher pfeifen?“, fragt Lisa, „na dann, ich muss jetzt los, und danke für das nette Gespräch. Wird sicherlich ein guter Tag werden, nachdem ich ihnen begegnet bin. So haben sie es uns doch früher als Kindern erzählt.“
„Das ist das Gute an meinem Job, alle begegnen einem freundlich. Schönen Tag noch für sie“, sagt er und geht zum Hauseingang.
Sie sieht ihm nach und formt ihre Lippen, atmet tief ein und dann wieder aus zu einem kurzen Pfiff. Es klappt, er dreht sich zu ihr um, hebt seinen freien Daumen hoch und lacht.
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Pfiffe
RAU
Was war das denn? Hat sie richtig gehört? Ein Pfiff, genausgenommen mehrere kurze Pfiffe hintereinander, fast melodiös. Lisa dreht sich um, und der Schornsteinfeger auf dem Bürgersteig macht dasselbe.
„Entschuldigung, ist mir einfach so rausgerutscht“, ruft er ihr zu, „macht man ja eigentlich nicht, aber irgendwie musste es sein. Sie sehen so gut aus in dem Kleid, eine reinste Wonne für die Augen. Und anders konnte ich es ihnen auf die Schnelle nicht sagen, entschuldigen sie bitte.“
„Ist schon in Ordnung“, sagt sie und bleibt stehen.
Der junge Mann in den schwarzen Arbeitskleidern steht nun ein wenig unsicher da, sie kann sich nicht erinnern, schon einmal mit einem Schornsteinfeger zu tun gehabt geschweige denn geredet zu haben.
„Früher haben Männer das ja häufig gemacht“, schiebt er nach und kommt einen Schritt näher, „auch wenn ich als Junge mit meiner Mutter zum Einkaufen gegangen bin. Ich fand das immer sehr komisch, mochte es nicht.“
„Und meine Mutter hat mir oft erzählt, dass ihr früher die Männer hinterher gepfiffen hätten, als sie ein junges Mädchen gewesen ist und den Fotos nach zu urteilen ein sehr hübsches dazu. Und es ihr auch gefallen hat, obwohl sich das für feine Mädchen eigentlich so gar nicht gehört hat. Warte es ab, bis du soweit bist, hat sie immer gesagt. Und so habe ich gehofft, es auch bald zu erleben, aber ich musste noch lange warten, denn ich war damals erst fünf oder sechs Jahre alt. Bis heute musste ich warten, bis gerade eben. Als sie gepfiffen haben, es war mein erstes Mal, danke.“
„Da nicht für, ist mir einfach so rausgerutscht“, sagt er und nestelt nun an seinem Werkzeug rum, „macht man ja eigentlich wirklich nicht, ist so blöd männlich.“
„Billige Anmache, so in der Art?“
Er nickt und wird sogar leicht rot im Gesicht.
„Pfiffe hört man heute wirklich selten, eigentlich nur noch im Park von Hundebesitzern. Weiß gar nicht, ob ich das noch kann, mache ja heute alles mit meinem Handy“, sagt sie.
„Und im Fußballstadion wird auch gepfiffen“, meint er.
„Stimmt“, antwortet sie, „aber da kriegen mich keine zehn Pferde rein.“
„Mich auch nicht.“
„In der Schule haben die Sportlehrer auch ständig gepfiffen, und das habe ich überhaupt nicht gemocht, immer zack, zack, zack, schneller, schneller, schneller, immer auf Tempo“, fällt ihr ein.
„Meine waren die reinsten Sadisten, Sportunterricht habe ich nicht ausstehen können“, meint er.
„Trotzdem sind sie Schornsteinfeger geworden? Ich meine, da müssen sie doch hoch oben auf den Dächern rumturnen …“.
Nun lacht er. „Das kriege ich noch hin und genieße dabei auch die tollen Aussichten.“
„Mittlerweile gibt es sicherlich auch viele Frauen in ihrem Beruf. Ob die wohl einem hübschen Mann hinterher pfeifen?“, fragt Lisa, „na dann, ich muss jetzt los, und danke für das nette Gespräch. Wird sicherlich ein guter Tag werden, nachdem ich ihnen begegnet bin. So haben sie es uns doch früher als Kindern erzählt.“
„Das ist das Gute an meinem Job, alle begegnen einem freundlich. Schönen Tag noch für sie“, sagt er und geht zum Hauseingang.
Sie sieht ihm nach und formt ihre Lippen, atmet tief ein und dann wieder aus zu einem kurzen Pfiff. Es klappt, er dreht sich zu ihr um, hebt seinen freien Daumen hoch und lacht.