Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Ortswechsel
WIE
Mal mehr, mal weniger, mal kleiner, mal größer. Ortswechsel erlebe ich vor allem dann, wenn ich wieder nach Hause komme. Je größer der Ortswechsel, desto stärker das Staunen: Alles ist etwas anders, als ich es beim Weggehen erlebt habe, etwas kleiner oder auch größer, etwas heller oder auch dunkler. Die Maßstäbe verschieben sich durch das Wegsein, das Woandersein.
Aber nicht allein längere Aufenthalte an anderen Orten sorgen dafür, dass das Vertraute anschließend anders erscheint. Auch schon ein einziger Tag kann dazu führen, wenn ich mit dem Auto über mehrere hundert Kilometer hin und zurück fahre. Für mich sind solche Stunden in weitgehend unbekannte, weniger vertraute Landschaften immer etwas Besonderes, anders als bei LKW-Fahrern, Lockführern, Schaffnern oder Geschäftsreisenden.
Noch immer wundere ich mich bei der Rückfahrt, wenn selbst die vertrauteren Streckenabschnitte anders aussehen als an normalen Alltagen. Die Dichte, die Fülle, die Luft, das Licht, die Bebauung, das alles fällt plötzlich wieder ins Auge. Nach zehn Stunden niedersächsischer Weite und Leere oder nach zwölf Stunden grüner, waldiger und hügeliger süddeutscher Gegend ist die Flachheit der Rheinebene doch wieder erstaunlich. Für einen Moment den überraschten Blick auf das Vertraute genießen, es mit Befremden zur Kenntnis nehmen, bevor sich die alte Blickweise wieder davor schiebt.
Das Besondere solcher Ortswechsel fiel mir bereits als Kind auf. Das damalige Gefühl bei der Heimkehr von einer Reise habe ich nicht vergessen, der erste Blick und auch Geruch nach dem Öffnen der Wohnungstür, der Gang ins eigene Kinderzimmer, das alles war außergewöhnlich. Aber in den Jahren des Studien- und Berufslebens ist dieses Erlebnis seltener geworden. Zu oft gibt seither kleine und mittlere Reisen, Zwischenaufenthalte in anderen Haushalten, Arbeitsaufenthalte an anderen Stellen.
In den letzten Jahren ist es wieder zurückgekehrt. Nicht allein durch fortschreitendes Alter, auch durch die Pandemie bedingt wurden die häuslichen Maßstäbe noch prägender und kleinste Ortswechsel können auf einmal Großes bewirken. Ein längerer Spaziergang am Rhein oder durch den Wald auf dem Kottenforst reichen aus, um nach dem Aufschließen der Wohnungstür für einen kurzen Moment wieder Fremde erleben zu dürfen.
So verschieben sich die Ansprüche an Ortswechsel. Auch in meiner Umgebung sind die Reisen auf andere Kontinente, Studien- oder Arbeitsaufenthalte in Amerika oder Japan seltener geworden. Doch ab und zu kommen sie noch, die schwülstigen Berichte von Zurückkommenden an die Zurückgebliebenen, die auf die Besonderheiten der eigenen Heimat aufmerksam machen, die man am besten von der anderen Seite der Erdkugel aus erleben kann.
Die Besonderheiten des Selbstverständlichen ist bei mir eine Frage der inneren Einstellung. Dreistündige Spaziergänge oder siebenjährige Aufenthalte im Ausland. Manchmal gelingt es auch so.
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Ortswechsel
WIE
Mal mehr, mal weniger, mal kleiner, mal größer. Ortswechsel erlebe ich vor allem dann, wenn ich wieder nach Hause komme. Je größer der Ortswechsel, desto stärker das Staunen: Alles ist etwas anders, als ich es beim Weggehen erlebt habe, etwas kleiner oder auch größer, etwas heller oder auch dunkler. Die Maßstäbe verschieben sich durch das Wegsein, das Woandersein.
Aber nicht allein längere Aufenthalte an anderen Orten sorgen dafür, dass das Vertraute anschließend anders erscheint. Auch schon ein einziger Tag kann dazu führen, wenn ich mit dem Auto über mehrere hundert Kilometer hin und zurück fahre. Für mich sind solche Stunden in weitgehend unbekannte, weniger vertraute Landschaften immer etwas Besonderes, anders als bei LKW-Fahrern, Lockführern, Schaffnern oder Geschäftsreisenden.
Noch immer wundere ich mich bei der Rückfahrt, wenn selbst die vertrauteren Streckenabschnitte anders aussehen als an normalen Alltagen. Die Dichte, die Fülle, die Luft, das Licht, die Bebauung, das alles fällt plötzlich wieder ins Auge. Nach zehn Stunden niedersächsischer Weite und Leere oder nach zwölf Stunden grüner, waldiger und hügeliger süddeutscher Gegend ist die Flachheit der Rheinebene doch wieder erstaunlich. Für einen Moment den überraschten Blick auf das Vertraute genießen, es mit Befremden zur Kenntnis nehmen, bevor sich die alte Blickweise wieder davor schiebt.
Das Besondere solcher Ortswechsel fiel mir bereits als Kind auf. Das damalige Gefühl bei der Heimkehr von einer Reise habe ich nicht vergessen, der erste Blick und auch Geruch nach dem Öffnen der Wohnungstür, der Gang ins eigene Kinderzimmer, das alles war außergewöhnlich. Aber in den Jahren des Studien- und Berufslebens ist dieses Erlebnis seltener geworden. Zu oft gibt seither kleine und mittlere Reisen, Zwischenaufenthalte in anderen Haushalten, Arbeitsaufenthalte an anderen Stellen.
In den letzten Jahren ist es wieder zurückgekehrt. Nicht allein durch fortschreitendes Alter, auch durch die Pandemie bedingt wurden die häuslichen Maßstäbe noch prägender und kleinste Ortswechsel können auf einmal Großes bewirken. Ein längerer Spaziergang am Rhein oder durch den Wald auf dem Kottenforst reichen aus, um nach dem Aufschließen der Wohnungstür für einen kurzen Moment wieder Fremde erleben zu dürfen.
So verschieben sich die Ansprüche an Ortswechsel. Auch in meiner Umgebung sind die Reisen auf andere Kontinente, Studien- oder Arbeitsaufenthalte in Amerika oder Japan seltener geworden. Doch ab und zu kommen sie noch, die schwülstigen Berichte von Zurückkommenden an die Zurückgebliebenen, die auf die Besonderheiten der eigenen Heimat aufmerksam machen, die man am besten von der anderen Seite der Erdkugel aus erleben kann.
Die Besonderheiten des Selbstverständlichen ist bei mir eine Frage der inneren Einstellung. Dreistündige Spaziergänge oder siebenjährige Aufenthalte im Ausland. Manchmal gelingt es auch so.