Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Oder einfach schwarz
WIE
Der alte Studienfreund Raimund ist sich treu geblieben. So jedenfalls ist mein Eindruck, nachdem wir uns nach langer Zeit wieder sehen. Schwarzes Hemd, schwarzes Jackett, schwarze Jeans, dazu das mittlerweile silbergraue Haar, immer noch zwei Finger lang über den Ohren, Nickelbrille leicht getönt, konsequent seit 1968. Auch wenn das gar nicht stimmt, 1968 waren wir gerade mal zwölf Jahre alt und zu der Zeit trugen wir alles andere als Schwarz. Aber aus heutiger Sicht passt die Farbe Schwarz zum Bild der 68-Generation mit allem was dazu gehört aus Universitäten, Theatern, Musik und Literatur. So zumindest sieht es auf den Fotos aus, was aber auch an den Schwarzweißfotografien liegen mag, die damals vorherrschend waren. Wir trugen zu jenen Zeiten jedenfalls eher blaue Jeans, grüne Parka und die T-Shirts waren rot.
Aber unsere Vorbilder der damaligen Zeit trugen schwarze Brillen und schwarze Rollkragenpullover. So wie die Autoren des Existenzialismus. Und ein paar Jahre später war auch bei uns alles existenziell, wir rauchten schwarzen Krause und auch mal schwarzen Afghanen, tranken schwarzen Kaffee und sympathisierten mit Black Power. Wir fuhren aus Überzeugung schwarz mit der Bahn und sahen schwarz, was den Vietnamkrieg und den amerikanischen Imperialismus betraf.
Ich kenne Raimund nur schon seit den 80ern und wir haben immer noch Kontakt, auch wenn er weiterhin in Berlin lebt. Nur die letzten vier Jahren war es zu keinem Treffen mehr gekommen, die Zeit mit Corona war dafür wenig hilfreich, aber jetzt sitzen wir uns in einer Kneipe endlich wieder gegenüber.
„Hast du wirklich bis heute nur schwarze Klamotten?“, frage ich Raimund wohl etwas unvermittelt.
„Ja, es ist das Einfachste für die Waschmaschine, und weil ich dann, wenn ich Nachschub kaufen muss, sofort weiß, was ich brauche.“
Nee, ist klar, denke ich, doch wechsle dann Thema, weil es mich mehr interessiert. Schließlich hat sich vor zwei Jahren Britta von Raimund recht überraschend getrennt.
„Hast du noch mal was von Britta gehört?“ frage ich vorsichtig.
„Ja, sie lebt jetzt in Südfrankreich in der Nähe ihres Yoga-Papstes auf einem Bauernhof mit Schafen.“
„Vielleicht hättest du auch mal farblich was anderes probieren sollen als immer nur schwarz zu tragen“, versuche ich vorsichtig das Beziehungsthema weiter aufzurollen.
„Vielleicht?“ stöhnt Raimund und zerknüllt die leergerauchte R1 Schachtel.
„Keinen schwarzen Krause mehr?“ frage ich.
„Nein, geht gar nicht, das Herz.“
Außerdem ist Raimund schon lange nicht mehr in Sachen Existenzialismus unterwegs, sondern seit den Nuller Jahren in Sachen Eigentumswohnungen, vor allem in den neuen Bundesländern. Es war mehr oder weniger Zufall, dass er in dieses Geschäftsfeld rutschte, und dann lief es einfach immer so weiter. Dabei sollte es nur eine vorübergehende Lösung sein, als Startkapital, um dann einen eigenen Verlag zu gründen. Auch Britta hatte er damals als Verlagskauffrau kennengelernt, da trug sie auch nur schwarz, und alles schien bestens zusammen zu passen. Im Laufe der Jahre wurde es bei Britta dann doch bunter, was sowohl die gemeinsame Wohnungseinrichtung als auch ihren persönlichen Kleiderschrank betraf. Raimund blieb sich treu, wie er es nannte, die Sachen in seinem Kleiderschrank blieben schwarz. Leider blieb Britta ihm nicht treu, wie er erst sehr viel später bemerkte. Da war es aber auch zu spät um auf Farben zu wechseln. Und jetzt war das Schwarz einfach nur noch praktisch, vor allem seitdem er alleine lebt und selber für seine Wäsche zuständig ist.
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Oder einfach schwarz
WIE
Der alte Studienfreund Raimund ist sich treu geblieben. So jedenfalls ist mein Eindruck, nachdem wir uns nach langer Zeit wieder sehen. Schwarzes Hemd, schwarzes Jackett, schwarze Jeans, dazu das mittlerweile silbergraue Haar, immer noch zwei Finger lang über den Ohren, Nickelbrille leicht getönt, konsequent seit 1968. Auch wenn das gar nicht stimmt, 1968 waren wir gerade mal zwölf Jahre alt und zu der Zeit trugen wir alles andere als Schwarz. Aber aus heutiger Sicht passt die Farbe Schwarz zum Bild der 68-Generation mit allem was dazu gehört aus Universitäten, Theatern, Musik und Literatur. So zumindest sieht es auf den Fotos aus, was aber auch an den Schwarzweißfotografien liegen mag, die damals vorherrschend waren. Wir trugen zu jenen Zeiten jedenfalls eher blaue Jeans, grüne Parka und die T-Shirts waren rot.
Aber unsere Vorbilder der damaligen Zeit trugen schwarze Brillen und schwarze Rollkragenpullover. So wie die Autoren des Existenzialismus. Und ein paar Jahre später war auch bei uns alles existenziell, wir rauchten schwarzen Krause und auch mal schwarzen Afghanen, tranken schwarzen Kaffee und sympathisierten mit Black Power. Wir fuhren aus Überzeugung schwarz mit der Bahn und sahen schwarz, was den Vietnamkrieg und den amerikanischen Imperialismus betraf.
Ich kenne Raimund nur schon seit den 80ern und wir haben immer noch Kontakt, auch wenn er weiterhin in Berlin lebt. Nur die letzten vier Jahren war es zu keinem Treffen mehr gekommen, die Zeit mit Corona war dafür wenig hilfreich, aber jetzt sitzen wir uns in einer Kneipe endlich wieder gegenüber.
„Hast du wirklich bis heute nur schwarze Klamotten?“, frage ich Raimund wohl etwas unvermittelt.
„Ja, es ist das Einfachste für die Waschmaschine, und weil ich dann, wenn ich Nachschub kaufen muss, sofort weiß, was ich brauche.“
Nee, ist klar, denke ich, doch wechsle dann Thema, weil es mich mehr interessiert. Schließlich hat sich vor zwei Jahren Britta von Raimund recht überraschend getrennt.
„Hast du noch mal was von Britta gehört?“ frage ich vorsichtig.
„Ja, sie lebt jetzt in Südfrankreich in der Nähe ihres Yoga-Papstes auf einem Bauernhof mit Schafen.“
„Vielleicht hättest du auch mal farblich was anderes probieren sollen als immer nur schwarz zu tragen“, versuche ich vorsichtig das Beziehungsthema weiter aufzurollen.
„Vielleicht?“ stöhnt Raimund und zerknüllt die leergerauchte R1 Schachtel.
„Keinen schwarzen Krause mehr?“ frage ich.
„Nein, geht gar nicht, das Herz.“
Außerdem ist Raimund schon lange nicht mehr in Sachen Existenzialismus unterwegs, sondern seit den Nuller Jahren in Sachen Eigentumswohnungen, vor allem in den neuen Bundesländern. Es war mehr oder weniger Zufall, dass er in dieses Geschäftsfeld rutschte, und dann lief es einfach immer so weiter. Dabei sollte es nur eine vorübergehende Lösung sein, als Startkapital, um dann einen eigenen Verlag zu gründen. Auch Britta hatte er damals als Verlagskauffrau kennengelernt, da trug sie auch nur schwarz, und alles schien bestens zusammen zu passen. Im Laufe der Jahre wurde es bei Britta dann doch bunter, was sowohl die gemeinsame Wohnungseinrichtung als auch ihren persönlichen Kleiderschrank betraf. Raimund blieb sich treu, wie er es nannte, die Sachen in seinem Kleiderschrank blieben schwarz. Leider blieb Britta ihm nicht treu, wie er erst sehr viel später bemerkte. Da war es aber auch zu spät um auf Farben zu wechseln. Und jetzt war das Schwarz einfach nur noch praktisch, vor allem seitdem er alleine lebt und selber für seine Wäsche zuständig ist.