Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nur zu Gast
WIE
Seit über 25 Jahren lebt Amir jetzt schon in der Stadt K. Mit einem Zimmer weit im Norden hatte alles angefangen. Dann kamen Umzügen, die Wohnungen wurden größer, und Amir lernte die verschiedensten Stadtteile kennen.
Heute fährt er täglich mit einem roten Sprinter quer durch die Stadt, um die Baustellen zu überwachen, in denen seine Firma Heizungen einbaut. Nach seinem Schulabschluss vor 21 Jahren hatte er sich zum Heizungstechniker ausbilden lassen. In der Zeit lebte er in WG´s, engagierte sich in unterschiedlichsten Initiativen für Gastarbeiter, wie es damals noch hießt, Ausländer und Flüchtlinge. Er war viel mit Fahrrad und später auch mit eigenem Auto unterwegs, der Job als Kurier ließ ihm dafür genug Freiheit. Nachdem er seine Frau kennenlernte, und sie eine Familie planten, kam das Angebot, wieder als Heizungstechniker zu arbeiten, gerade recht. Seitdem wohnen sie zusammen mit zwei Kindern auf 110 Quadratmetern im grünen Süden der Stadt. Seit über 14 Jahren ist er nun schon in seiner Firma angestellt, betreute zunächst einzelne Kunden und später dann ganze Baustellen. Aber schon bald stieg er auf, der Chef der Firma war mit ihm zufrieden, er wusste, wie sehr er sich Amir verlassen konnte und sparte nicht das zu betonen, „Damit kennt sich Amir besser aus. Fragt ihn, wendet euch an Amir.“
Doch Amir ist nicht nur ein Kenner, was das Verkehrsnetz, die Umleitungen und Schleichwege betrifft. Er kennt sich mit Vielem aus. Als Familienvater kennt er Kitas und Schulen, als Heimwerker und Renovierer Läden und Firmen, als Heizungstechniker verschiedene Immobilienverwaltungen und er weiß Bescheid, wo welche Wohnungen zu welchem Preis zu bekommen sind. Und falls er selber mal eine Frage hat, weiß er, wen er fragen kann und wen besser nicht.
Aber bei vielen Kunden die er besucht, bekommt er immer noch das Gefühl vermittelt, doch nur Gast in dieser Stadt zu sein. Dann wird gefragt, woher er käme, ob er mit seinem Job zufrieden sei und bei der Verabschiedung wird gefragt, wo er als nächstes hinmuss. Man überhäuft ihn ungefragt mit Hinweisen, die meist äußerst kompliziert ausfallen: „Da fahren sie am besten so, oder warten sie, lassen sie mich nachdenken….aber da weiß ich jetzt nicht, ob das überhaupt so geht, oder ob sich da was geändert hat in den Jahren, oder warten sie, ich kenne noch eine andere Strecke...“ Während Amir natürlich schon längst weiß, wie er zur nächsten Adresse kommt.
Auch weiht man ihn gerne in die Besonderheiten waschechter Einwohner von K ein. Jede Gelegenheit, etwas über die Menschen aus K an ihn, als Ausländer, weiter zu geben, wird genutzt und das nicht nur zur Karnevalszeit. „Bei uns in K ... wir als K´ er ... in K ist es üblich, müssen sie wissen … wir hier in K lieben es….“
Dass Amir seit Jahren über 25 Jahren mit Menschen aus allen Schichten, Gegenden und Lebenssituationen in Berührung kommt, zu allen Tageszeiten teilweise in die Privaträume gelassen wird, um etwas zu reparieren, oder früher etwas zu liefern, können sich die „Waschechten“ selber nicht vorstellen. Doch Amir weiß, wie unterschiedlich sie alle sind, die Freundlichen und Verständnisvollen, die Unverschämten und Ungeduldigen, die Hilflosen und die Hilfsbereiten. Anders als die Hinweise über Ureinwohner aus K, die doch meistens von denen kommen, die Ihre Wohnungen kaum verlassen, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheiten Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl zu geben, nur Gast in dieser Stadt zu sein.
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Seit über 25 Jahren lebt Amir jetzt schon in der Stadt K. Mit einem Zimmer weit im Norden hatte alles angefangen. Dann kamen Umzügen, die Wohnungen wurden größer, und Amir lernte die verschiedensten Stadtteile kennen.
Heute fährt er täglich mit einem roten Sprinter quer durch die Stadt, um die Baustellen zu überwachen, in denen seine Firma Heizungen einbaut. Nach seinem Schulabschluss vor 21 Jahren hatte er sich zum Heizungstechniker ausbilden lassen. In der Zeit lebte er in WG´s, engagierte sich in unterschiedlichsten Initiativen für Gastarbeiter, wie es damals noch hießt, Ausländer und Flüchtlinge. Er war viel mit Fahrrad und später auch mit eigenem Auto unterwegs, der Job als Kurier ließ ihm dafür genug Freiheit. Nachdem er seine Frau kennenlernte, und sie eine Familie planten, kam das Angebot, wieder als Heizungstechniker zu arbeiten, gerade recht. Seitdem wohnen sie zusammen mit zwei Kindern auf 110 Quadratmetern im grünen Süden der Stadt. Seit über 14 Jahren ist er nun schon in seiner Firma angestellt, betreute zunächst einzelne Kunden und später dann ganze Baustellen. Aber schon bald stieg er auf, der Chef der Firma war mit ihm zufrieden, er wusste, wie sehr er sich Amir verlassen konnte und sparte nicht das zu betonen, „Damit kennt sich Amir besser aus. Fragt ihn, wendet euch an Amir.“
Doch Amir ist nicht nur ein Kenner, was das Verkehrsnetz, die Umleitungen und Schleichwege betrifft. Er kennt sich mit Vielem aus. Als Familienvater kennt er Kitas und Schulen, als Heimwerker und Renovierer Läden und Firmen, als Heizungstechniker verschiedene Immobilienverwaltungen und er weiß Bescheid, wo welche Wohnungen zu welchem Preis zu bekommen sind. Und falls er selber mal eine Frage hat, weiß er, wen er fragen kann und wen besser nicht.
Aber bei vielen Kunden die er besucht, bekommt er immer noch das Gefühl vermittelt, doch nur Gast in dieser Stadt zu sein. Dann wird gefragt, woher er käme, ob er mit seinem Job zufrieden sei und bei der Verabschiedung wird gefragt, wo er als nächstes hinmuss. Man überhäuft ihn ungefragt mit Hinweisen, die meist äußerst kompliziert ausfallen: „Da fahren sie am besten so, oder warten sie, lassen sie mich nachdenken….aber da weiß ich jetzt nicht, ob das überhaupt so geht, oder ob sich da was geändert hat in den Jahren, oder warten sie, ich kenne noch eine andere Strecke...“ Während Amir natürlich schon längst weiß, wie er zur nächsten Adresse kommt.
Auch weiht man ihn gerne in die Besonderheiten waschechter Einwohner von K ein. Jede Gelegenheit, etwas über die Menschen aus K an ihn, als Ausländer, weiter zu geben, wird genutzt und das nicht nur zur Karnevalszeit. „Bei uns in K ... wir als K´ er ... in K ist es üblich, müssen sie wissen … wir hier in K lieben es….“
Dass Amir seit Jahren über 25 Jahren mit Menschen aus allen Schichten, Gegenden und Lebenssituationen in Berührung kommt, zu allen Tageszeiten teilweise in die Privaträume gelassen wird, um etwas zu reparieren, oder früher etwas zu liefern, können sich die „Waschechten“ selber nicht vorstellen. Doch Amir weiß, wie unterschiedlich sie alle sind, die Freundlichen und Verständnisvollen, die Unverschämten und Ungeduldigen, die Hilflosen und die Hilfsbereiten. Anders als die Hinweise über Ureinwohner aus K, die doch meistens von denen kommen, die Ihre Wohnungen kaum verlassen, aber bei jeder sich bietenden Gelegenheiten Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl zu geben, nur Gast in dieser Stadt zu sein.