Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nur so
WIE
1
"Warst du beim Friseur?"
"Ja, warum fragst du?"
„Nur so“, meint er ganz lapidar.
„Nein, jetzt sag schon, warum fragst du mich das?“
Doch er versteckt seinen Kopf wieder hinter der Zeitung und schweigt.
„Jetzt sag schon, warum fragst du mich das?“
„Man wird doch noch mal fragen dürfen“, lautet seine Antwort, was sie noch mehr ärgert.
„Ja sicherlich darfst du mich das fragen, aber was soll die Frage genau, gefällt es dir, gefällt es dir nicht, findest du etwas nicht gut?“, hakt sie nach.
„Nein, wirklich, einfach nur so“, behauptet er weiterhin.
Doch sie wissen beide, dass das nicht stimmt.
2
„Womit habe ich das verdient?“, fragt sie schüchtern, als der Chef ihr ein kleines Päckchen überreicht.
„Nur so“ lautet seine Antwort.
Doch das macht sie erst recht stutzig. Sie tut so, als versuche sie erst durch das Gewicht, dann durch Hin- und Herschütteln den Inhalt zu entschlüsseln, während sie in Wirklichkeit nur überlegt, wie sie diese Geschenk verstehen soll.
„Nehmen Sie es, einfach nur so“, beteuert er ein weiteres Mal.
Doch in ihrem Kopf wechseln bereits die wildesten Überlegungen. Sorgt sich ihr Chef vielleicht doch nur, sie könne etwas von seinen Affären wissen? Will er womöglich eine mit ihr anfangen? Oder will er sich einfach nur bedanken, weil sie so freundlich die Anrufe seiner Gattin entgegennimmt, während er froh ist, das nicht selber tun zu müssen.
„Egal“, denkt sie, „ich nehme es einfach mal an, nur so.“
3
Der nicht mal 30jährige Chinese im korrekt sitzenden, leicht glänzenden hellblauen Anzug klappt den Deckel seines Notebooks zu. „Nur so“, beteuert er, und der Ton, mit dem er das sagt, sagt alles. Entschieden und energisch macht es jedem am Konferenztisch deutlich, hier ist keine Frage, keine Gegenrede mehr möglich. Er braucht noch nicht mal ein „und nicht anders“ hinzufügen.
Woher sprechen diese Chinesen eigentlich so gut deutsch? Woher wissen sie, wie man seinen Forderungen Nachdruck verleiht? In der Firma hatten sie tags zuvor noch überlegt, wie man bei der Übernahme des Familienunternehmens dem chinesischen Großkonzern doch noch Eingeständnisse abringen könnte. Aber danach sieht es jetzt nicht mehr aus.
4
"Ich frage sie ein letztes Mal, warum haben sie diese Tat begangen?"
„Nur so“, beteuert er. Und das stimmte wirklich, er konnte nichts Weiteres dazu sagen. Es war einfach so gewesen, da hatte dieser lange Eisendraht auf dem Bürgersteig gelegen, über den er fast gestolpert wäre, da standen diese funkelnagelneuen Mercedes und glitzerten im Licht der Straßenlaternen. Da hatte er einfach das Bedürfnis verspürt, mit dem Draht in beiden Händen an ihnen vorbeizuziehen und sie allesamt mit einem dicken Kratzer zu versehen. Vielleicht wollte er einfach nur wissen, ob auch er zu so etwas in der Lage war, oder wie es sich anhört, dieses Quietschen, und was für ein Gefühl man dabei hat. Einfach nur so, wirklich was gedacht hatte er sich nicht dabei.
5
„Oder soll ich doch lieber das gelbe Tuch drüberziehen?“, ruft sie aus dem Schlafzimmer.
„Schatz, ich habe dir doch bereits geraten, was du nehmen sollst. Glaube mir, nur so bist du bestens gekleidet für die Gartenparty.“
„Ich weiß nicht, wenn du meinst?“
Doch dann hört er wieder Schubladen-, Kleiderbügel- und Schranktürengeklapper. Also bemüht er sich ein weiteres Mal und ruft Richtung Schlafzimmer „Glaube mir, damit siehst du hervorragend aus, ein Hingucker, ganz sicher!“
Doch sie kommt mit drei Blusen auf Kleiderbügeln in denHänden, die sie abwechselnd vor sich hält.
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Nur so
WIE
1
"Warst du beim Friseur?"
"Ja, warum fragst du?"
„Nur so“, meint er ganz lapidar.
„Nein, jetzt sag schon, warum fragst du mich das?“
Doch er versteckt seinen Kopf wieder hinter der Zeitung und schweigt.
„Jetzt sag schon, warum fragst du mich das?“
„Man wird doch noch mal fragen dürfen“, lautet seine Antwort, was sie noch mehr ärgert.
„Ja sicherlich darfst du mich das fragen, aber was soll die Frage genau, gefällt es dir, gefällt es dir nicht, findest du etwas nicht gut?“, hakt sie nach.
„Nein, wirklich, einfach nur so“, behauptet er weiterhin.
Doch sie wissen beide, dass das nicht stimmt.
2
„Womit habe ich das verdient?“, fragt sie schüchtern, als der Chef ihr ein kleines Päckchen überreicht.
„Nur so“ lautet seine Antwort.
Doch das macht sie erst recht stutzig. Sie tut so, als versuche sie erst durch das Gewicht, dann durch Hin- und Herschütteln den Inhalt zu entschlüsseln, während sie in Wirklichkeit nur überlegt, wie sie diese Geschenk verstehen soll.
„Nehmen Sie es, einfach nur so“, beteuert er ein weiteres Mal.
Doch in ihrem Kopf wechseln bereits die wildesten Überlegungen. Sorgt sich ihr Chef vielleicht doch nur, sie könne etwas von seinen Affären wissen? Will er womöglich eine mit ihr anfangen? Oder will er sich einfach nur bedanken, weil sie so freundlich die Anrufe seiner Gattin entgegennimmt, während er froh ist, das nicht selber tun zu müssen.
„Egal“, denkt sie, „ich nehme es einfach mal an, nur so.“
3
Der nicht mal 30jährige Chinese im korrekt sitzenden, leicht glänzenden hellblauen Anzug klappt den Deckel seines Notebooks zu. „Nur so“, beteuert er, und der Ton, mit dem er das sagt, sagt alles. Entschieden und energisch macht es jedem am Konferenztisch deutlich, hier ist keine Frage, keine Gegenrede mehr möglich. Er braucht noch nicht mal ein „und nicht anders“ hinzufügen.
Woher sprechen diese Chinesen eigentlich so gut deutsch? Woher wissen sie, wie man seinen Forderungen Nachdruck verleiht? In der Firma hatten sie tags zuvor noch überlegt, wie man bei der Übernahme des Familienunternehmens dem chinesischen Großkonzern doch noch Eingeständnisse abringen könnte. Aber danach sieht es jetzt nicht mehr aus.
4
"Ich frage sie ein letztes Mal, warum haben sie diese Tat begangen?"
„Nur so“, beteuert er. Und das stimmte wirklich, er konnte nichts Weiteres dazu sagen. Es war einfach so gewesen, da hatte dieser lange Eisendraht auf dem Bürgersteig gelegen, über den er fast gestolpert wäre, da standen diese funkelnagelneuen Mercedes und glitzerten im Licht der Straßenlaternen. Da hatte er einfach das Bedürfnis verspürt, mit dem Draht in beiden Händen an ihnen vorbeizuziehen und sie allesamt mit einem dicken Kratzer zu versehen. Vielleicht wollte er einfach nur wissen, ob auch er zu so etwas in der Lage war, oder wie es sich anhört, dieses Quietschen, und was für ein Gefühl man dabei hat. Einfach nur so, wirklich was gedacht hatte er sich nicht dabei.
5
„Oder soll ich doch lieber das gelbe Tuch drüberziehen?“, ruft sie aus dem Schlafzimmer.
„Schatz, ich habe dir doch bereits geraten, was du nehmen sollst. Glaube mir, nur so bist du bestens gekleidet für die Gartenparty.“
„Ich weiß nicht, wenn du meinst?“
Doch dann hört er wieder Schubladen-, Kleiderbügel- und Schranktürengeklapper. Also bemüht er sich ein weiteres Mal und ruft Richtung Schlafzimmer „Glaube mir, damit siehst du hervorragend aus, ein Hingucker, ganz sicher!“
Doch sie kommt mit drei Blusen auf Kleiderbügeln in denHänden, die sie abwechselnd vor sich hält.