Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nur Gutes
WIE
Das Meiste auf dem Einkaufszettel war zwar auch im Supermarkt zu bekommen, aber heute ging es darum, wirklich Gutes zu kaufen. Denn für bestimmte Anlässe und Rezepte gilt nun mal, nur wirklich Gutes ist gerade mal gut genug.
So jedenfalls hatte er es verstanden, als er vorschlug, den Einkauf für das große Essen am morgigen Abend zu übernehmen. Also fuhr er diesmal nicht mit dem Fahrrad in seinen gewohnten Laden, wo er auf sparsame Weise fast alles bekam, was man so für den Alltag im Haushalt braucht. Doch heute ging es darum, auch einige seltene Zutaten zu besorgen und auf beste Qualität zu achten. Deshalb suchte er den Feinkostladen auf, den er gut von außen kannte und der ihm vor allem durch seinen besonderen Namen vertraut war: Mundgenuss.
Und heute durfte er sogar die Atmosphäre im Laden kennenlernen. Als erstes fielen ihm die Verkaufsgespräche auf, Smalltalk der besonderen Art. So ein Unterstatement des Luxuslebens. Vor allem werden Einfachheit und Schlichtheit beteuert, nichts ist in Plastik verpackt. Dafür sind alle Waren in kleinen Produktionsbetrieben, Käsereien, Molkereien, Schlachtereien, Imkereien mit Liebe gemacht. Handgepflückt, handgemacht, handverlesen. Handwerkskunst also inbegriffen, mit Tradition und Liebe zum Detail, keine Pestizide, keine Farb- und Konservierungsstoffe und keine künstliche Aromen. Es wird über einmalige Konsistenz, hervorragenden Geschmack und einmalige Düfte geschwärmt.
Überall sind kleine, mit Kreide beschriebene Preistäfelchen zu sehen. Preise, wie er sie eigentlich gut kennt, 2,99, 3,49, 4,29 Euro, allerdings gelten sie hier für jeweils 100 Gramm. In Discountern und Supermärkten also eher der Gesamtpreis für etwas. Aber das darf er nur denken, nicht hinterfragen. Denn neben und vor ihm wird gerade gelästert, eben über solche verpackten Produkte für 3,99 Euro, die sich nur durch eines auszeichnen: lieblose Massenware.
Ich schwebe gerade eben in einer Wolke von Gutem, denkt er. Hier passiert auch nur Gutes. Dieser Laden und seine Käufer sind gerade damit beschäftigt, gegen die Ausbreitung der Lebensmittelkonzernen vorzugehen, der Fleischindustrie einen Strich durch die Rechnung zu machen, der Agrarindustriell endgültig ein Ende zu setzen. Denn hier wird nur Gutes gekauft und die Welt ein bisschen besser gemacht.
Der Familienvater mit seinen zwei Kindern vor mir nimmt seine Papiertüte mit wenigen Artikeln an sich und zahlt dafür einen dreistelligen Betrag. Kein Champagner, kein Hummer, kein Trüffel, einfach nur ein paar gute Sachen. Er bezahlt ohne mit der Wimper zu zucken
Ich überlege kurz, woher das Geld kommt, dass er mit der Scheckkarte über die Ladentheke reicht. Dieses Geld, das keine Rolle spielt, das so gar nicht weh tut, weil es einfach da ist. Höchstwahrscheinlich verdient er es in der Verwaltung eines Großkonzern, von denen es einige in dieser Stadt gibt. Ein Global Player, bei dem nicht die Devise gilt „nur Gutes“. Im Gegenteil, das Gute steht an letzter Stelle, will ein Konzern dieser Größenordnung heutzutage auf globaler Ebene überleben, und das ist auch schließlich seine Aufgabe.
Draußen sehe ich ihn mit seinen beiden kleinen Kindern in einen schwarzen SUV steigen mit einem entsprechenden kleinen Firmenlogo hinten drauf. Ich habe noch seine abfälligen Worte über Supermärkte im Ohr. Aber leider kaufen eben nicht alle Menschen in einem Laden wie Mundgenuss, lautete sein persönliches Fazit. Schade eigentlich, dabei ist es doch so einfach, nur Gutes zu tun.
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Nur Gutes
WIE
Das Meiste auf dem Einkaufszettel war zwar auch im Supermarkt zu bekommen, aber heute ging es darum, wirklich Gutes zu kaufen. Denn für bestimmte Anlässe und Rezepte gilt nun mal, nur wirklich Gutes ist gerade mal gut genug.
So jedenfalls hatte er es verstanden, als er vorschlug, den Einkauf für das große Essen am morgigen Abend zu übernehmen. Also fuhr er diesmal nicht mit dem Fahrrad in seinen gewohnten Laden, wo er auf sparsame Weise fast alles bekam, was man so für den Alltag im Haushalt braucht. Doch heute ging es darum, auch einige seltene Zutaten zu besorgen und auf beste Qualität zu achten. Deshalb suchte er den Feinkostladen auf, den er gut von außen kannte und der ihm vor allem durch seinen besonderen Namen vertraut war: Mundgenuss.
Und heute durfte er sogar die Atmosphäre im Laden kennenlernen. Als erstes fielen ihm die Verkaufsgespräche auf, Smalltalk der besonderen Art. So ein Unterstatement des Luxuslebens. Vor allem werden Einfachheit und Schlichtheit beteuert, nichts ist in Plastik verpackt. Dafür sind alle Waren in kleinen Produktionsbetrieben, Käsereien, Molkereien, Schlachtereien, Imkereien mit Liebe gemacht. Handgepflückt, handgemacht, handverlesen. Handwerkskunst also inbegriffen, mit Tradition und Liebe zum Detail, keine Pestizide, keine Farb- und Konservierungsstoffe und keine künstliche Aromen. Es wird über einmalige Konsistenz, hervorragenden Geschmack und einmalige Düfte geschwärmt.
Überall sind kleine, mit Kreide beschriebene Preistäfelchen zu sehen. Preise, wie er sie eigentlich gut kennt, 2,99, 3,49, 4,29 Euro, allerdings gelten sie hier für jeweils 100 Gramm. In Discountern und Supermärkten also eher der Gesamtpreis für etwas. Aber das darf er nur denken, nicht hinterfragen. Denn neben und vor ihm wird gerade gelästert, eben über solche verpackten Produkte für 3,99 Euro, die sich nur durch eines auszeichnen: lieblose Massenware.
Ich schwebe gerade eben in einer Wolke von Gutem, denkt er. Hier passiert auch nur Gutes. Dieser Laden und seine Käufer sind gerade damit beschäftigt, gegen die Ausbreitung der Lebensmittelkonzernen vorzugehen, der Fleischindustrie einen Strich durch die Rechnung zu machen, der Agrarindustriell endgültig ein Ende zu setzen. Denn hier wird nur Gutes gekauft und die Welt ein bisschen besser gemacht.
Der Familienvater mit seinen zwei Kindern vor mir nimmt seine Papiertüte mit wenigen Artikeln an sich und zahlt dafür einen dreistelligen Betrag. Kein Champagner, kein Hummer, kein Trüffel, einfach nur ein paar gute Sachen. Er bezahlt ohne mit der Wimper zu zucken
Ich überlege kurz, woher das Geld kommt, dass er mit der Scheckkarte über die Ladentheke reicht. Dieses Geld, das keine Rolle spielt, das so gar nicht weh tut, weil es einfach da ist. Höchstwahrscheinlich verdient er es in der Verwaltung eines Großkonzern, von denen es einige in dieser Stadt gibt. Ein Global Player, bei dem nicht die Devise gilt „nur Gutes“. Im Gegenteil, das Gute steht an letzter Stelle, will ein Konzern dieser Größenordnung heutzutage auf globaler Ebene überleben, und das ist auch schließlich seine Aufgabe.
Draußen sehe ich ihn mit seinen beiden kleinen Kindern in einen schwarzen SUV steigen mit einem entsprechenden kleinen Firmenlogo hinten drauf. Ich habe noch seine abfälligen Worte über Supermärkte im Ohr. Aber leider kaufen eben nicht alle Menschen in einem Laden wie Mundgenuss, lautete sein persönliches Fazit. Schade eigentlich, dabei ist es doch so einfach, nur Gutes zu tun.