Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nippes
RAU
Jetzt wäre der Moment für die Zigarette danach, aber weder Katinka noch ich rauchen noch. Also füllen wir die Weißweingläser, liegen nackt auf dem Rücken in ihrem Schlafzimmer und sehen in den Raum.
Die Tür zum Wohnzimmer steht auf, eine moderne Zwei-Zimmerwohnung in Mitte, durch das geschlossene Fenster dringt leise der Lärm der Straße. Blanker Holzboden, weiße Wände, wenige Möbel und noch weniger Bilder an den Wänden, alles abstrakte Kunstdrucke in unauffälligen Farben. Die Wohnung in grauen, weißen und schwarzen Tönen, irgendwie edel, sicherlich nicht billig. Katinka scheint sie sich leisten zu können oder vielmehr ihre Firma.
„Ganz schön leer hier“, sage ich in die Stille hinein.
„Zum Glück.“
„Fast männlich“, füge ich hinzu und nehme einen Schluck Wein.
„Findest du?“ Sie reicht mir ihr Glas, und ich fülle es bis zum Rand.
„Es steht so gar nichts rum. Entweder bist du ordentlich oder hast nicht viel mitgebracht. Wie lange wirst du hier sein?“
„Fragst du wegen der Wohnung oder wegen uns beiden?“
Sie sieht mich forsch an, doch ich trete nicht in das ausgebreitete Fettnäpfchen.
„Ich sehe so gar keine persönlichen Sachen, noch nicht mal ein Buch.“
„Tagsüber muss ich schon genug lesen“, grinst sie mich an.
„Aber auch sonst nichts, nichts steht rum.“
„Gefällt‘s dir nicht?“
„Doch, auf jeden Fall, ich mag Klarheit sehr“, antworte ich und beginne ihre Schulter zu streicheln.
„Siehst du, ich mag eben keinen Nippes.“
Ich lache sie an. „Nippes, das Wort habe ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört. Schrecklich, dieser Nippes, den Frauen so gerne sammeln und zur Schau stellen.“
„Schneekugeln zum Beispiel“, sagt sie, nimmt meine Hand und legt sie sich auf den Bauch, „hier bitte auch streicheln.“
„Die gehen ja noch, ich dachte eher an bestickte Deckchen.“
„Oder kleine sitzende, von innen beleuchtete Buddhas, venezianische Gondeln oder alle Arten von kleinen Tierfigürchen.“
„Ganz schlimm“, sage ich und streichele sacht über ihren Bauch, „neulich war ich bei meiner HNO-Ärztin, die hatte doch tatsächlich so kleine, bunte Holztierchen auf ihrem Schreibtisch stehen, die aus Einzelteilen von innen über Fäden zusammengehalten werden …“
„… und die in sich zusammenfallen, wenn man von unten gegen den kleinen Widerstand drückt? Die hatte ich als kleines Mädchen auch.“ Sie streicht über meine Finger.
„Reisemitbringsel, wie ist es damit?“, frage ich dann.
„Oder Trockenblumensträuße“, wirft sie zurück.
„Duftkerzen, bunt gemusterte Keramikschälchen aus Mallorca für die Nüßchen zum Fernsehen?“
„Pokale?“, schlägt sie vor.
„Zu groß“, antworte ich, „aber denke mal an all das Zeug in den Ein-Euro-Shops. Ein ganzer Laden voller Nippes. Es gibt Nippes und Tinnef, letzteres ist noch schlimmer.“
„Tinnef kommt aus dem Jüdischen.“
„Bist du Jüdin?“, frage ich.
„Dann hätte ich ja Tinnef hier rumstehen“, sagt sie. Nun lachen wir beide und prosten uns zu.
„Was ist mit Fischernetzen, Urlaubswappen?“
„Oder gestrickten Püppchen?“ Jetzt streicht sie mit ihrer Hand über meinen Bauch, und ich schließe für einen Moment meine Augen.
„Bei uns zuhause sagt man Schruz zu all diesem Kram. Sind Nippes, Tinnef oder Schruz eigentlich nur was für Frauen und für alte Leute?“
„Keine Ahnung. Nippes zumindest ist auch ein Stadtteil von Köln“, sagt sie.
„Den kenne ich, vor vielen Jahren bin ich mal in Köln gewesen, zum Karneval. 'Klatschmarsch, Mädschen rafft die Röcke, de Prinz kütt.' Das fand ich lustig, den habe ich mir gemerkt.
Nun lachen wir beide und kriechen unter die Decke.
„In Nippes wohne ich übrigens“, flüstert sie dann.
„Da sollte ich mal wieder hinfahren“, flüstere ich zurück.
Texte zum Alltäglichen -
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Nippes
RAU
Jetzt wäre der Moment für die Zigarette danach, aber weder Katinka noch ich rauchen noch. Also füllen wir die Weißweingläser, liegen nackt auf dem Rücken in ihrem Schlafzimmer und sehen in den Raum.
Die Tür zum Wohnzimmer steht auf, eine moderne Zwei-Zimmerwohnung in Mitte, durch das geschlossene Fenster dringt leise der Lärm der Straße. Blanker Holzboden, weiße Wände, wenige Möbel und noch weniger Bilder an den Wänden, alles abstrakte Kunstdrucke in unauffälligen Farben. Die Wohnung in grauen, weißen und schwarzen Tönen, irgendwie edel, sicherlich nicht billig. Katinka scheint sie sich leisten zu können oder vielmehr ihre Firma.
„Ganz schön leer hier“, sage ich in die Stille hinein.
„Zum Glück.“
„Fast männlich“, füge ich hinzu und nehme einen Schluck Wein.
„Findest du?“ Sie reicht mir ihr Glas, und ich fülle es bis zum Rand.
„Es steht so gar nichts rum. Entweder bist du ordentlich oder hast nicht viel mitgebracht. Wie lange wirst du hier sein?“
„Fragst du wegen der Wohnung oder wegen uns beiden?“
Sie sieht mich forsch an, doch ich trete nicht in das ausgebreitete Fettnäpfchen.
„Ich sehe so gar keine persönlichen Sachen, noch nicht mal ein Buch.“
„Tagsüber muss ich schon genug lesen“, grinst sie mich an.
„Aber auch sonst nichts, nichts steht rum.“
„Gefällt‘s dir nicht?“
„Doch, auf jeden Fall, ich mag Klarheit sehr“, antworte ich und beginne ihre Schulter zu streicheln.
„Siehst du, ich mag eben keinen Nippes.“
Ich lache sie an. „Nippes, das Wort habe ich ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört. Schrecklich, dieser Nippes, den Frauen so gerne sammeln und zur Schau stellen.“
„Schneekugeln zum Beispiel“, sagt sie, nimmt meine Hand und legt sie sich auf den Bauch, „hier bitte auch streicheln.“
„Die gehen ja noch, ich dachte eher an bestickte Deckchen.“
„Oder kleine sitzende, von innen beleuchtete Buddhas, venezianische Gondeln oder alle Arten von kleinen Tierfigürchen.“
„Ganz schlimm“, sage ich und streichele sacht über ihren Bauch, „neulich war ich bei meiner HNO-Ärztin, die hatte doch tatsächlich so kleine, bunte Holztierchen auf ihrem Schreibtisch stehen, die aus Einzelteilen von innen über Fäden zusammengehalten werden …“
„… und die in sich zusammenfallen, wenn man von unten gegen den kleinen Widerstand drückt? Die hatte ich als kleines Mädchen auch.“ Sie streicht über meine Finger.
„Reisemitbringsel, wie ist es damit?“, frage ich dann.
„Oder Trockenblumensträuße“, wirft sie zurück.
„Duftkerzen, bunt gemusterte Keramikschälchen aus Mallorca für die Nüßchen zum Fernsehen?“
„Pokale?“, schlägt sie vor.
„Zu groß“, antworte ich, „aber denke mal an all das Zeug in den Ein-Euro-Shops. Ein ganzer Laden voller Nippes. Es gibt Nippes und Tinnef, letzteres ist noch schlimmer.“
„Tinnef kommt aus dem Jüdischen.“
„Bist du Jüdin?“, frage ich.
„Dann hätte ich ja Tinnef hier rumstehen“, sagt sie. Nun lachen wir beide und prosten uns zu.
„Was ist mit Fischernetzen, Urlaubswappen?“
„Oder gestrickten Püppchen?“ Jetzt streicht sie mit ihrer Hand über meinen Bauch, und ich schließe für einen Moment meine Augen.
„Bei uns zuhause sagt man Schruz zu all diesem Kram. Sind Nippes, Tinnef oder Schruz eigentlich nur was für Frauen und für alte Leute?“
„Keine Ahnung. Nippes zumindest ist auch ein Stadtteil von Köln“, sagt sie.
„Den kenne ich, vor vielen Jahren bin ich mal in Köln gewesen, zum Karneval. 'Klatschmarsch, Mädschen rafft die Röcke, de Prinz kütt.' Das fand ich lustig, den habe ich mir gemerkt.
Nun lachen wir beide und kriechen unter die Decke.
„In Nippes wohne ich übrigens“, flüstert sie dann.
„Da sollte ich mal wieder hinfahren“, flüstere ich zurück.