Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nette Menschen
RAU
Ist schon seltsam, oder? Jemand ist nett, und doch bleibt da ein etwas fader Beigeschmack zurück. Nur nett? Nicht mehr? Nett rangiert in der Beliebtheitsskala irgendwie zwischen drei plus und drei minus. Manche sagen auch, nett ist kurz vor bescheuert oder geht gar nicht. Warum nur? Liegt es am Gegenüber oder an mir selber oder daran, worum es geht?
Sie ist ein nettes, kleines Mädchen, gebongt. Das ist ja ein nettes Kleid, naja. Genauso mau wie das war ein netter Abend oder wir haben uns nett unterhalten oder gestern habe ich was Nettes erlebt. Heißt im Grunde genommen, es war langweilig. Was ist damit: Das ist ja ein netter Versuch? Oder das kann ja nett werden? Geht beides schon eher in Richtung ziemlich unangenehm, also auch keine wirklich positive Botschaft. Aber Achtung, gerade fällt mir eine Ausnahme ein: die ziemlich spießig aussehenden neuen Nachbarn waren gestern überraschend nett. Und was ist hiermit? Das ist ja ein netter Batzen Geld. Da wird ja wohl eindeutig untertrieben.
Wie können vier Buchstaben so unterschiedliche Wirkungen und Bedeutungen erzeugen? Schon erstaunlich. Es kommt wohl auf den jeweiligen Zusammenhang und auf die Person an, die sie in den Mund nehmen. Auf jeden Fall werde ich beim nächsten Mal, also wenn ich jemanden neu kennenlerne oder einen Abend mit Leuten verbringe, ein neues Kleid sehe oder wann auch immer fortan sehr genau darauf achten, dieses kleine Adjektiv nicht mehr benutzen. Vielleicht sollte ich es aber auch gleich komplett aus meinem Wortschatz streichen?
Das letzte Mal habe ich es vor etwa vier Wochen benutzt, als ich den neuen Freund meiner Tochter Anna kennengelernt und davon meiner Schwester erzählt habe. Ist mir heute noch etwas peinlich. Denn natürlich wollte ich nicht gleich meine volle Begeisterung kundtun und als vollkommen überdreht dastehen, dass ich glücklich darüber bin, dass Anna nach recht langer Durststrecke einen so wunderbaren, passenden Mann kennengelernt hat. Also sprach ich von einem netten, wirklich sehr netten jungen Mann. Werde ich nie mehr machen.
Denn der Gebrauch dieses Vier-Buchstaben-Wortes sagt ja sehr wahrscheinlich viel mehr über mich aus als ich wahrhaben will. Da hat wohl eine Frau keinen Mut, die eigene Freude und Begeisterung, Meinung und Haltung zu zeigen und sich dazu auch zu bekennen. Also Stopp mit diesem seltsamen Wort, denn zurückhaltend, lau, freundlich und nett möchte ich nicht mehr sein. Noch nicht mal, wenn ich im Lotto gewinnen sollte und richtig viel Schotter gewinnen würde, versprochen.
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Ist schon seltsam, oder? Jemand ist nett, und doch bleibt da ein etwas fader Beigeschmack zurück. Nur nett? Nicht mehr? Nett rangiert in der Beliebtheitsskala irgendwie zwischen drei plus und drei minus. Manche sagen auch, nett ist kurz vor bescheuert oder geht gar nicht. Warum nur? Liegt es am Gegenüber oder an mir selber oder daran, worum es geht?
Sie ist ein nettes, kleines Mädchen, gebongt. Das ist ja ein nettes Kleid, naja. Genauso mau wie das war ein netter Abend oder wir haben uns nett unterhalten oder gestern habe ich was Nettes erlebt. Heißt im Grunde genommen, es war langweilig. Was ist damit: Das ist ja ein netter Versuch? Oder das kann ja nett werden? Geht beides schon eher in Richtung ziemlich unangenehm, also auch keine wirklich positive Botschaft. Aber Achtung, gerade fällt mir eine Ausnahme ein: die ziemlich spießig aussehenden neuen Nachbarn waren gestern überraschend nett. Und was ist hiermit? Das ist ja ein netter Batzen Geld. Da wird ja wohl eindeutig untertrieben.
Wie können vier Buchstaben so unterschiedliche Wirkungen und Bedeutungen erzeugen? Schon erstaunlich. Es kommt wohl auf den jeweiligen Zusammenhang und auf die Person an, die sie in den Mund nehmen. Auf jeden Fall werde ich beim nächsten Mal, also wenn ich jemanden neu kennenlerne oder einen Abend mit Leuten verbringe, ein neues Kleid sehe oder wann auch immer fortan sehr genau darauf achten, dieses kleine Adjektiv nicht mehr benutzen. Vielleicht sollte ich es aber auch gleich komplett aus meinem Wortschatz streichen?
Das letzte Mal habe ich es vor etwa vier Wochen benutzt, als ich den neuen Freund meiner Tochter Anna kennengelernt und davon meiner Schwester erzählt habe. Ist mir heute noch etwas peinlich. Denn natürlich wollte ich nicht gleich meine volle Begeisterung kundtun und als vollkommen überdreht dastehen, dass ich glücklich darüber bin, dass Anna nach recht langer Durststrecke einen so wunderbaren, passenden Mann kennengelernt hat. Also sprach ich von einem netten, wirklich sehr netten jungen Mann. Werde ich nie mehr machen.
Denn der Gebrauch dieses Vier-Buchstaben-Wortes sagt ja sehr wahrscheinlich viel mehr über mich aus als ich wahrhaben will. Da hat wohl eine Frau keinen Mut, die eigene Freude und Begeisterung, Meinung und Haltung zu zeigen und sich dazu auch zu bekennen. Also Stopp mit diesem seltsamen Wort, denn zurückhaltend, lau, freundlich und nett möchte ich nicht mehr sein. Noch nicht mal, wenn ich im Lotto gewinnen sollte und richtig viel Schotter gewinnen würde, versprochen.