Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nette Menschen
WIE
Nach anstrengenden Wochen tut es gut, einfach nur ein paar nette Menschen in vertrauter Umgebung zu treffen. Und es passt, wenn gerade jetzt die Nachbarn zu sich einladen mit den Worten 'ein Treffen von Menschen, die sich bei einem guten Glas Wein und einigen kulinarischen Kleinigkeiten zu unterhalten wissen'.
Es dauert etwas, bis die auftauen, und die Gespräche lauter und lebendiger werden. Lachen, Gläserklirren, Korkenknallen, die Stimmen werden temperamentvoller. Es fällt ihm schwer, nur einem Gespräch zu folgen. Irgendwo im Hintergrund schnappt er einen Satz auf: „Dabei waren es nette Menschen auf den ersten Blick.“
Er dreht sich um und hört, wie von einem Bürgertreffen in der Gaststätte nahe dem Sportplatz erzählt wird. Es geht um städtische Verkehrspolitik, um Kita-Plätze und die Sanierung des Schwimmbads. Und es wird berichtet, wie bei diesem Treffen dann der Ton rauer wurde, als von Flüchtlingen und Schmarotzern die Rede war. Es wurde über die Überzahl von Ausländern geschimpft, die sich für nichts verantwortlich fühlen, nur fordern und selber nichts machen. Und plötzlich erwiesen sich die Bürger, die man zunächst für nette Menschen hielt, gar nicht mehr nett, wenn sie nach dem dritten Glas Bier ihre politischen Ansichten offenbarten.
Neben ihm geht es in einem Gespräch über einen neuen Abteilungsleiter. Es sind Kollegen, die sich hier unterhalten und einig sind, dass dieser Neue auf den ersten Blick alles andere als nett ist. Wenig gesprächig, keine netten Worte zwischen Tür und Angel, nichts über Wetter, Wochenende, Feiertage, alles Fehlanzeige. Aber im Vergleich zu seinem Vorgänger erweist er sich als verlässliche Führungskraft, auf Gerechtigkeit, Offenheit und Transparenz bedacht, gewissenhaft, engagiert und kollegial. Wenn auch immer noch nicht so richtig nett.
Am Buffet lauscht er nun einem Gespräch, in dem ein Ehepaar von seiner letzten Donaureise berichtet. Tolle Landschaften, ebensolche Städte, eine hervorragende, landeseigene Küche. Aber ansonsten, leider nur nette Menschen an Bord. Wobei das Wort nette Menschen mit zwei gekrümmten Fingern in Anführungszeichen gesetzt wird. „Kaum ein tiefer gehendes Gespräch, kaum kulturelles Interesse, zwei Wochen lang nur nette Menschen um sich rum, einfach furchtbar.“
Ein anwesender Künstler berichtet von einer jährlich stattfindenden Gruppenausstellung, an der er aber ab jetzt nicht mehr teilnimmt. In der ganzen Ausstellung seien nur noch nette Bilder zu sehen. Für ihn als engagierten Künstler gehe das gar nicht, in dieser Umgebung wolle er nicht mehr ausstellen. Als er gefragt wird, was er gegen nette Bilder hat, muss er nicht antworten, denn da piepst sein Handy. Eine Nachricht seiner Tochter: „Papa, wir ziehen noch mal los. Kann später werden. Kannst du uns um Eins vom Bahnhof abholen? Es fahren keine Busse mehr.“ Wie sollte er ihr diesen Wunsch abschlagen? Nennt sie ihn doch immer den 'nettesten Papa´ der Welt.“
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nette Menschen
WIE
Nach anstrengenden Wochen tut es gut, einfach nur ein paar nette Menschen in vertrauter Umgebung zu treffen. Und es passt, wenn gerade jetzt die Nachbarn zu sich einladen mit den Worten 'ein Treffen von Menschen, die sich bei einem guten Glas Wein und einigen kulinarischen Kleinigkeiten zu unterhalten wissen'.
Es dauert etwas, bis die auftauen, und die Gespräche lauter und lebendiger werden. Lachen, Gläserklirren, Korkenknallen, die Stimmen werden temperamentvoller. Es fällt ihm schwer, nur einem Gespräch zu folgen. Irgendwo im Hintergrund schnappt er einen Satz auf: „Dabei waren es nette Menschen auf den ersten Blick.“
Er dreht sich um und hört, wie von einem Bürgertreffen in der Gaststätte nahe dem Sportplatz erzählt wird. Es geht um städtische Verkehrspolitik, um Kita-Plätze und die Sanierung des Schwimmbads. Und es wird berichtet, wie bei diesem Treffen dann der Ton rauer wurde, als von Flüchtlingen und Schmarotzern die Rede war. Es wurde über die Überzahl von Ausländern geschimpft, die sich für nichts verantwortlich fühlen, nur fordern und selber nichts machen. Und plötzlich erwiesen sich die Bürger, die man zunächst für nette Menschen hielt, gar nicht mehr nett, wenn sie nach dem dritten Glas Bier ihre politischen Ansichten offenbarten.
Neben ihm geht es in einem Gespräch über einen neuen Abteilungsleiter. Es sind Kollegen, die sich hier unterhalten und einig sind, dass dieser Neue auf den ersten Blick alles andere als nett ist. Wenig gesprächig, keine netten Worte zwischen Tür und Angel, nichts über Wetter, Wochenende, Feiertage, alles Fehlanzeige. Aber im Vergleich zu seinem Vorgänger erweist er sich als verlässliche Führungskraft, auf Gerechtigkeit, Offenheit und Transparenz bedacht, gewissenhaft, engagiert und kollegial. Wenn auch immer noch nicht so richtig nett.
Am Buffet lauscht er nun einem Gespräch, in dem ein Ehepaar von seiner letzten Donaureise berichtet. Tolle Landschaften, ebensolche Städte, eine hervorragende, landeseigene Küche. Aber ansonsten, leider nur nette Menschen an Bord. Wobei das Wort nette Menschen mit zwei gekrümmten Fingern in Anführungszeichen gesetzt wird. „Kaum ein tiefer gehendes Gespräch, kaum kulturelles Interesse, zwei Wochen lang nur nette Menschen um sich rum, einfach furchtbar.“
Ein anwesender Künstler berichtet von einer jährlich stattfindenden Gruppenausstellung, an der er aber ab jetzt nicht mehr teilnimmt. In der ganzen Ausstellung seien nur noch nette Bilder zu sehen. Für ihn als engagierten Künstler gehe das gar nicht, in dieser Umgebung wolle er nicht mehr ausstellen. Als er gefragt wird, was er gegen nette Bilder hat, muss er nicht antworten, denn da piepst sein Handy. Eine Nachricht seiner Tochter: „Papa, wir ziehen noch mal los. Kann später werden. Kannst du uns um Eins vom Bahnhof abholen? Es fahren keine Busse mehr.“ Wie sollte er ihr diesen Wunsch abschlagen? Nennt sie ihn doch immer den 'nettesten Papa´ der Welt.“