Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Nachbarn
WIE
„Was ihr nicht wissen könnt, bei uns sind letzte Woche neue Nachbarn eingezogen.“
„Ja ja, Nachbarn“, sage ich in einem recht nachdenklichen Ton, „eine weit unterschätzte Spezies im menschlichen Dasein. Mit dem Wechsel der Nachbarn kann sich manches ändern im Leben, mehr als nur die Nachbarschaft.“
„Was willst du damit sagen?“, fragt mich Marlene ängstlich.
„Nein, ich meine nur, Nachbarn haben weit mehr Bedeutung für unser Wohlbefinden, als wir meinen. Wir sehen sie nicht nur, wir sagen nicht nur Guten Tag. Mit Nachbarn werden Maßstäbe gesetzt, werden Vergleiche sichtbar. Sie bestimmen unseren Platz und Rang auf dieser Welt weit mehr, als uns bewusst ist.“
„Jetzt übertreibst du aber ein bisschen“, unterbricht Marlene.
„Doch, es beginnt mit den Vorgärten, der Haustürausstattung, der Fensterverkleidung, nicht zu vergessen der Fuhrpark der Autos. Wer fährt immer noch Diesel, wer hat bereits E Antrieb, wer fährt E-Bike, wer treibt wie viel Sport, fährt Taxi oder geht zu Fuß?“
„Ich weiß nicht“, gibt Hans zu verstehen, „für mich spielen Nachbarn keine so große Rolle.“
Es ist klar, dass Hans zunächst mal die Gegenthese vertritt, vor allem wenn die Frauen dabei sind. Auch ich neige dann dazu, beharrlicher auf meiner Meinung zu bestehen und fahre fort: „Das kommt ganz drauf an, je nach Wohnsituation. Aber eins ist klar, in meiner Erziehung, also beim Großwerden, beim Kennenlernen der Welt, haben Nachbarn eine wichtige Rolle übernommen.“
„Ja das stimmt“, pflichtet Marlene bei, „bei uns Zuhause waren die Nachbarn bei fast jedem ernsten Gespräch dabei.“
„Was?“, brüllt Hans, „wie soll ich das denn verstehen?“
„Ich meine doch nicht echt anwesend“, Marlene schüttelt den Kopf, „nein, mein Vater hat nur bei fast jedem Argument Nachbarn als Vergleich herangezogen. Mal als schlechten, mal als guten Vergleich. Vor allem weil es dort auch gleichaltrige Töchter gab. Selbst meine Mutter bekam es zu hören, wenn sie zum Beispiel über Neuanschaffungen nachdachte.“
Ich weiß Ähnliches von früher zu berichten: „Nachbarn, das war die Welt da draußen, und dem gegenüber war unsere Welt das Zuhause, die eigene Familie. Dass das Zuhause nicht der Maßstab für die Welt war, was normal und vielleicht nicht normal war, das zeigte sich zunächst bei Nachbarn.“
„Also ich bin weit davon entfernt, Nachbarn als Maßstab zu nehmen“, weist Hans von sich. „Unsere Nachbarn, die jetzt ausgezogen sind, waren jedenfalls keinen Vergleich wert. Ihre ständigen Neuanschaffungen, der Hype um das Auto, das demonstrative Tragen neuer Sportausrüstungen, die vielen Flugreisen.“
„Woher weißt du das alles?“, unterbricht Marlene, „wir hatten doch kaum Kontakt zu denen.“
„Na ja, man beobachtet ja schon mal die Nachbarn. Und aus vielen Kleinigkeiten lässt einiges ablesen und daraus lassen sich weitere Rückschlüsse ziehen“, gibt Hans zu.
Jetzt fühle ich mich in meiner These vom Nachbarn bestätigt und fahre gleich fort: „Man will doch gerne wissen, welcher Standard so in der Umgegend gelebt wird. Nur so kann man das Gefühl haben, besser, gesünder, umweltbewusster zu leben.“
„Na klar, das kommt doch wie von selbst. Gleiches Haus, gleiche Größe, gleiches Alter, da guckt man schon mal auf Details“ bestätigt Marlene.
„Seht ihr, das meine ich mit meiner These, mit neuen Nachbarn verändert sich so einiges.“
„Oh weh“, stöhnt Hans, „da bin ich mal gespannt, ob wir uns in nächster Zeit mehr anstrengen müssen. Vielleicht wird es aber auch ganz easy und wir übertreffen schon bei Weitem das Niveau unserer neuen Nachbarn.“
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Nachbarn
WIE
„Was ihr nicht wissen könnt, bei uns sind letzte Woche neue Nachbarn eingezogen.“
„Ja ja, Nachbarn“, sage ich in einem recht nachdenklichen Ton, „eine weit unterschätzte Spezies im menschlichen Dasein. Mit dem Wechsel der Nachbarn kann sich manches ändern im Leben, mehr als nur die Nachbarschaft.“
„Was willst du damit sagen?“, fragt mich Marlene ängstlich.
„Nein, ich meine nur, Nachbarn haben weit mehr Bedeutung für unser Wohlbefinden, als wir meinen. Wir sehen sie nicht nur, wir sagen nicht nur Guten Tag. Mit Nachbarn werden Maßstäbe gesetzt, werden Vergleiche sichtbar. Sie bestimmen unseren Platz und Rang auf dieser Welt weit mehr, als uns bewusst ist.“
„Jetzt übertreibst du aber ein bisschen“, unterbricht Marlene.
„Doch, es beginnt mit den Vorgärten, der Haustürausstattung, der Fensterverkleidung, nicht zu vergessen der Fuhrpark der Autos. Wer fährt immer noch Diesel, wer hat bereits E Antrieb, wer fährt E-Bike, wer treibt wie viel Sport, fährt Taxi oder geht zu Fuß?“
„Ich weiß nicht“, gibt Hans zu verstehen, „für mich spielen Nachbarn keine so große Rolle.“
Es ist klar, dass Hans zunächst mal die Gegenthese vertritt, vor allem wenn die Frauen dabei sind. Auch ich neige dann dazu, beharrlicher auf meiner Meinung zu bestehen und fahre fort: „Das kommt ganz drauf an, je nach Wohnsituation. Aber eins ist klar, in meiner Erziehung, also beim Großwerden, beim Kennenlernen der Welt, haben Nachbarn eine wichtige Rolle übernommen.“
„Ja das stimmt“, pflichtet Marlene bei, „bei uns Zuhause waren die Nachbarn bei fast jedem ernsten Gespräch dabei.“
„Was?“, brüllt Hans, „wie soll ich das denn verstehen?“
„Ich meine doch nicht echt anwesend“, Marlene schüttelt den Kopf, „nein, mein Vater hat nur bei fast jedem Argument Nachbarn als Vergleich herangezogen. Mal als schlechten, mal als guten Vergleich. Vor allem weil es dort auch gleichaltrige Töchter gab. Selbst meine Mutter bekam es zu hören, wenn sie zum Beispiel über Neuanschaffungen nachdachte.“
Ich weiß Ähnliches von früher zu berichten: „Nachbarn, das war die Welt da draußen, und dem gegenüber war unsere Welt das Zuhause, die eigene Familie. Dass das Zuhause nicht der Maßstab für die Welt war, was normal und vielleicht nicht normal war, das zeigte sich zunächst bei Nachbarn.“
„Also ich bin weit davon entfernt, Nachbarn als Maßstab zu nehmen“, weist Hans von sich. „Unsere Nachbarn, die jetzt ausgezogen sind, waren jedenfalls keinen Vergleich wert. Ihre ständigen Neuanschaffungen, der Hype um das Auto, das demonstrative Tragen neuer Sportausrüstungen, die vielen Flugreisen.“
„Woher weißt du das alles?“, unterbricht Marlene, „wir hatten doch kaum Kontakt zu denen.“
„Na ja, man beobachtet ja schon mal die Nachbarn. Und aus vielen Kleinigkeiten lässt einiges ablesen und daraus lassen sich weitere Rückschlüsse ziehen“, gibt Hans zu.
Jetzt fühle ich mich in meiner These vom Nachbarn bestätigt und fahre gleich fort: „Man will doch gerne wissen, welcher Standard so in der Umgegend gelebt wird. Nur so kann man das Gefühl haben, besser, gesünder, umweltbewusster zu leben.“
„Na klar, das kommt doch wie von selbst. Gleiches Haus, gleiche Größe, gleiches Alter, da guckt man schon mal auf Details“ bestätigt Marlene.
„Seht ihr, das meine ich mit meiner These, mit neuen Nachbarn verändert sich so einiges.“
„Oh weh“, stöhnt Hans, „da bin ich mal gespannt, ob wir uns in nächster Zeit mehr anstrengen müssen. Vielleicht wird es aber auch ganz easy und wir übertreffen schon bei Weitem das Niveau unserer neuen Nachbarn.“