Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Na endlich
RAU
Lisa nippt am Wein, noch zehn Minuten hat sie. Dann läuft das Abo ab, die letzten sechs Monate war sie auf der Suche nach dem Glück und auch nach der Liebe ihres Lebens vielleicht.
Dabei hatte sie die doch eigentlich schon gefunden, damals mit Ende Zwanzig im Flieger nach London. Sie saß auf 7A, und er setzte sich auf 7B, eine Stunde und fünfzehn Minuten später verließen sie den Flughafen jede/r in einem anderen Taxi, aber mit ihren Nummern in den Smartphones. Drei Tage später trafen sie sich zum Cocktail in Berlin und waren fortan ein Paar, träumten von Kindern und vom Haus. Er war geschäftlich viel unterwegs und stieg schnell die Leiter hoch, einmal fiel sie ihm in der Flughafenhalle nach vier Monaten in Shanghai erleichtert um den Hals.
"Na endlich“, hauchte sie und weinte sogar ein bisschen vor Freude. Übersah dabei, dass er sich nicht so freute wie sie, noch am Abend gestand er ihr, dass er wieder dorthin zurückgehen werde wegen des Jobs und einer anderen Frau. Da brachen sieben Jahre in einer Nacht zusammen, und sie ist sich nicht sicher, ob sie sich wirklich schon davon erholt hat.
Noch acht Minuten, dann muss sie auf ‚Kündigen‘ drücken, sonst ist sie wieder einhundertachtzig Tage lang dabei. Da war der verheiratete, katholische Familienvater, der nur mal testen wollte, wie das so ist, sich neu zu orientieren. Da war der ehemalige Tennisprofi, der nach einer Stunde im Cafe schon sein Poloshirt hochzog und ihr stolz seinen straffen Bauch zeigte. Da war der, der nicht zweigleisig fahren wollte und sich schon vor dem ersten Treffen mit netten Zeilen wieder verabschiedete. Da war der, der nach zwanzig, freudlosen Ehejahren eigentlich nur endlich wieder tollen Sex haben wollte und sich den nicht mit ihr vorstellen konnte. Da war der, der so etwas von gepasst hat, der witzig, charmant, klug, sportlich und zugewandt war, dass sie ‚Na endlich‘ dachte, entspannte, genoss und wieder glücklich war. Bis er sich immer seltener meldete und sie dann nicht nur mit einer anderen betrog.
Der eine hatte wenig Geld, der andere keinen Humor oder zu wenig Bildung, der eine suchte eine Krankenschwester fürs Älterwerden, einer eine neue Mutter für seine drei Kinder, einer wollte sie, aber dann wollte seine Frau ihn doch wieder haben, und er ging zu ihr zurück. Der eine wollte recht bald mit ihr in einen Swingerclub, der andere jedes Wochenende in die Oper, der andere zum Fliegenfischen. Der eine langweilte sie, der andere textete sie ständig zu.
Noch drei Minuten. Robert ist der mit der unmöglichen Cargohose beim ersten Date, den Karten für Union gegen Bayern und mit dem verschmitzten Lächeln, das er erst spät zeigte. Das Spiel war rasant und ging unentschieden aus, Stadionwurst und Bier haben ihnen beiden geschmeckt, und beim Lachen hat sie links und rechts vom Kinn seine Grübchen gesehen. Das war gestern, für Mittwoch hat er sie zum Kino eingeladen, er geht auch gerne in den Jazzclub.
Noch fünfundvierzig Sekunden. Sie drückt auf ‚Kündigen‘ und reibt sich den Schweiß von der Stirn, jetzt erst einmal unter die Dusche und durchatmen.
Texte zum Alltäglichen -
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Na endlich
RAU
Lisa nippt am Wein, noch zehn Minuten hat sie. Dann läuft das Abo ab, die letzten sechs Monate war sie auf der Suche nach dem Glück und auch nach der Liebe ihres Lebens vielleicht.
Dabei hatte sie die doch eigentlich schon gefunden, damals mit Ende Zwanzig im Flieger nach London. Sie saß auf 7A, und er setzte sich auf 7B, eine Stunde und fünfzehn Minuten später verließen sie den Flughafen jede/r in einem anderen Taxi, aber mit ihren Nummern in den Smartphones. Drei Tage später trafen sie sich zum Cocktail in Berlin und waren fortan ein Paar, träumten von Kindern und vom Haus. Er war geschäftlich viel unterwegs und stieg schnell die Leiter hoch, einmal fiel sie ihm in der Flughafenhalle nach vier Monaten in Shanghai erleichtert um den Hals.
"Na endlich“, hauchte sie und weinte sogar ein bisschen vor Freude. Übersah dabei, dass er sich nicht so freute wie sie, noch am Abend gestand er ihr, dass er wieder dorthin zurückgehen werde wegen des Jobs und einer anderen Frau. Da brachen sieben Jahre in einer Nacht zusammen, und sie ist sich nicht sicher, ob sie sich wirklich schon davon erholt hat.
Noch acht Minuten, dann muss sie auf ‚Kündigen‘ drücken, sonst ist sie wieder einhundertachtzig Tage lang dabei. Da war der verheiratete, katholische Familienvater, der nur mal testen wollte, wie das so ist, sich neu zu orientieren. Da war der ehemalige Tennisprofi, der nach einer Stunde im Cafe schon sein Poloshirt hochzog und ihr stolz seinen straffen Bauch zeigte. Da war der, der nicht zweigleisig fahren wollte und sich schon vor dem ersten Treffen mit netten Zeilen wieder verabschiedete. Da war der, der nach zwanzig, freudlosen Ehejahren eigentlich nur endlich wieder tollen Sex haben wollte und sich den nicht mit ihr vorstellen konnte. Da war der, der so etwas von gepasst hat, der witzig, charmant, klug, sportlich und zugewandt war, dass sie ‚Na endlich‘ dachte, entspannte, genoss und wieder glücklich war. Bis er sich immer seltener meldete und sie dann nicht nur mit einer anderen betrog.
Der eine hatte wenig Geld, der andere keinen Humor oder zu wenig Bildung, der eine suchte eine Krankenschwester fürs Älterwerden, einer eine neue Mutter für seine drei Kinder, einer wollte sie, aber dann wollte seine Frau ihn doch wieder haben, und er ging zu ihr zurück. Der eine wollte recht bald mit ihr in einen Swingerclub, der andere jedes Wochenende in die Oper, der andere zum Fliegenfischen. Der eine langweilte sie, der andere textete sie ständig zu.
Noch drei Minuten. Robert ist der mit der unmöglichen Cargohose beim ersten Date, den Karten für Union gegen Bayern und mit dem verschmitzten Lächeln, das er erst spät zeigte. Das Spiel war rasant und ging unentschieden aus, Stadionwurst und Bier haben ihnen beiden geschmeckt, und beim Lachen hat sie links und rechts vom Kinn seine Grübchen gesehen. Das war gestern, für Mittwoch hat er sie zum Kino eingeladen, er geht auch gerne in den Jazzclub.
Noch fünfundvierzig Sekunden. Sie drückt auf ‚Kündigen‘ und reibt sich den Schweiß von der Stirn, jetzt erst einmal unter die Dusche und durchatmen.