Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Mein Zimmer
WIE
Oft denke ich, wir fotografieren viel zu wenig unsere Zimmer in unserem Leben. Vielleicht wäre es anders, hätte es immer schon Handys gegeben. Denn gerade die unabsichtlichen Fotos sind ja interessant, die, die mehr oder weniger zufällig die kleinen Dinge im Hintergrund festhalten, die wir später mit großem Interesse wieder entdecken: guck mal die Lampe, die Kissen, der Bezug, das Glas. Wusste gar nicht, dass es das so lange schon gibt. Und umgekehrt: warum ist das verschwunden, ausrangiert, ersetzt, verloren, vergessen, obwohl es uns damals so wichtig war. Wo ist es geblieben?
Der Hang zum Festhalten, Behalten ist bei uns Menschen nicht gleich verteilt, auch weitere Umstände kommen hinzu: Alleine wohnen, zusammenziehen, umziehen, wieder auseinander ziehen. Das alles kann die Dinge ganz schön durcheinander wirbeln.
Wenn ich überlege, wo ich überall gewohnt habe, hat es dennoch immer mein Zimmer gegeben, immer eine Mischung aus Atelier, Büro, Schlaf- oder Gästezimmer. Und diese Mischung ist geblieben, auch wenn sie mit vielen verschiedenen Wohnungen verbunden sind. Was mit Wohngemeinschaften anfing, wo es natürlich auch weitere Räume wie Küche, Bad, Esszimmer gab. Die Wohnungen waren unterschiedlich, meine Zimmer aber sind erstaunlich gleichgeblieben.
Dabei sind es gar nicht Möbel, die den bleibenden Charakter meiner Zimmer prägen. Das Meiste besteht aus selbstgebauten Teilen und einzelnen Elementen, die kombinierbar und umstellbar sind. Mit vielen dieser Teile bewege ich mich seit über fünfzig Jahren. Einige haben sich verändert, haben die Farbe gewechselt, sind neu zusammengeschraubt worden, stehen mittlerweile auf Rollen. Vieles ist höhenverstellbar, passt auch untereinander oder hintereinander und lässt sich so immer wieder neu zusammenstellen. Mal habe ich drei, dann nur zwei, manchmal auch nur einen Arbeitstisch. Je nachdem ob Steuererklärung, Textarbeiten, Ausstellungsvorbereitung oder einfach großes Brainstorming für Collagen angesagt sind, brauche ich einen Arbeitsplatz fürs Stehen oder Sitzen.
Meine Tischplatten habe ich seit meiner Schul- und Studienzeit, genauso wie meine drei Bürostühle. Die Bücheregale sind konstant geblieben, aber stetig mehr geworden. Akten, Mappen, Papiere, Rahmen, Instrumente sind in variablen Holzelementen untergebracht. Ich besitze weder einen Kleiderschrank noch eine Couch oder einen Sessel und auch keinen festen Schreibtisch, und doch prägen meine Möbel auf unverwechselbare Weise mein Zimmer, weil es eben keine Möbel sind. Obwohl ich die meisten Stücke schon seit einer Ewigkeit besitze, habe ich niemals das Gefühl, immer im gleichen Zimmer zu leben und mit den gleichen Dingen zusammen zu sein.
Wenn ich manchmal morgens das Bedürfnis habe, mein Zimmer umzuräumen, bin ich zwei bis drei Stunden später damit fertig. Ein Dutzend Schrauben samt Akkuschrauber helfen dabei. Die Umstellmöglichkeiten der Einzelteile reichen für eine Ewigkeit. Dieser Umgang mit den Dingen, die mich begleiten, obwohl sie ständig woanders sind, hat etwas sehr Beruhigendes.
Aber auch die Blicke aus meinen verschiedenen Zimmern waren erstaunlich gleich, nahezu immer weit oben, keine weiteren Fenster und Hausfassaden direkt gegenüber, statt- dessen weite Blicke auf und über Dächer. Der Blick in die Ferne, der Blick in den Himmel, ohne allzu viel Ablenkung gab und gibt mir immer das Gefühl, genügend Licht und Platz zu haben.
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Mein Zimmer
WIE
Oft denke ich, wir fotografieren viel zu wenig unsere Zimmer in unserem Leben. Vielleicht wäre es anders, hätte es immer schon Handys gegeben. Denn gerade die unabsichtlichen Fotos sind ja interessant, die, die mehr oder weniger zufällig die kleinen Dinge im Hintergrund festhalten, die wir später mit großem Interesse wieder entdecken: guck mal die Lampe, die Kissen, der Bezug, das Glas. Wusste gar nicht, dass es das so lange schon gibt. Und umgekehrt: warum ist das verschwunden, ausrangiert, ersetzt, verloren, vergessen, obwohl es uns damals so wichtig war. Wo ist es geblieben?
Der Hang zum Festhalten, Behalten ist bei uns Menschen nicht gleich verteilt, auch weitere Umstände kommen hinzu: Alleine wohnen, zusammenziehen, umziehen, wieder auseinander ziehen. Das alles kann die Dinge ganz schön durcheinander wirbeln.
Wenn ich überlege, wo ich überall gewohnt habe, hat es dennoch immer mein Zimmer gegeben, immer eine Mischung aus Atelier, Büro, Schlaf- oder Gästezimmer. Und diese Mischung ist geblieben, auch wenn sie mit vielen verschiedenen Wohnungen verbunden sind. Was mit Wohngemeinschaften anfing, wo es natürlich auch weitere Räume wie Küche, Bad, Esszimmer gab. Die Wohnungen waren unterschiedlich, meine Zimmer aber sind erstaunlich gleichgeblieben.
Dabei sind es gar nicht Möbel, die den bleibenden Charakter meiner Zimmer prägen. Das Meiste besteht aus selbstgebauten Teilen und einzelnen Elementen, die kombinierbar und umstellbar sind. Mit vielen dieser Teile bewege ich mich seit über fünfzig Jahren. Einige haben sich verändert, haben die Farbe gewechselt, sind neu zusammengeschraubt worden, stehen mittlerweile auf Rollen. Vieles ist höhenverstellbar, passt auch untereinander oder hintereinander und lässt sich so immer wieder neu zusammenstellen. Mal habe ich drei, dann nur zwei, manchmal auch nur einen Arbeitstisch. Je nachdem ob Steuererklärung, Textarbeiten, Ausstellungsvorbereitung oder einfach großes Brainstorming für Collagen angesagt sind, brauche ich einen Arbeitsplatz fürs Stehen oder Sitzen.
Meine Tischplatten habe ich seit meiner Schul- und Studienzeit, genauso wie meine drei Bürostühle. Die Bücheregale sind konstant geblieben, aber stetig mehr geworden. Akten, Mappen, Papiere, Rahmen, Instrumente sind in variablen Holzelementen untergebracht. Ich besitze weder einen Kleiderschrank noch eine Couch oder einen Sessel und auch keinen festen Schreibtisch, und doch prägen meine Möbel auf unverwechselbare Weise mein Zimmer, weil es eben keine Möbel sind. Obwohl ich die meisten Stücke schon seit einer Ewigkeit besitze, habe ich niemals das Gefühl, immer im gleichen Zimmer zu leben und mit den gleichen Dingen zusammen zu sein.
Wenn ich manchmal morgens das Bedürfnis habe, mein Zimmer umzuräumen, bin ich zwei bis drei Stunden später damit fertig. Ein Dutzend Schrauben samt Akkuschrauber helfen dabei. Die Umstellmöglichkeiten der Einzelteile reichen für eine Ewigkeit. Dieser Umgang mit den Dingen, die mich begleiten, obwohl sie ständig woanders sind, hat etwas sehr Beruhigendes.
Aber auch die Blicke aus meinen verschiedenen Zimmern waren erstaunlich gleich, nahezu immer weit oben, keine weiteren Fenster und Hausfassaden direkt gegenüber, statt- dessen weite Blicke auf und über Dächer. Der Blick in die Ferne, der Blick in den Himmel, ohne allzu viel Ablenkung gab und gibt mir immer das Gefühl, genügend Licht und Platz zu haben.