Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Mal andersherum
WIE
Die nächsten Wochen könnten recht anstrengend werden. Nicht nur, dass nächste Woche im Haus Renovierungsarbeiten anstehen, auch die neue Präsentation im Verlag verlangt vollen Einsatz. Das macht ihr weiterhin Spaß und sieht vielversprechend aus, wie sie es kräftemäßig schaffen soll, weiß sie noch nicht.
Gerade hat sie ein Telefonat mit ihrem Sohn Tobias beendet, der sich aus Freiburg für einen Besuch angekündigt hat. Seit dem Jahr, in dem er in Freiburg studiert, haben sie sich nicht gesehen. Sein Besuch jetzt kommt etwas unpassend. Tobias hat allerdings mehrfach betont, dass er ihr bei allen möglichen Dingen übers Wochenende helfen könne. Schließlich habe er nur einen Termin, das Klassentreffen, und ansonsten Zeit.
Sie lässt es sich nicht nehmen, ihn mit selbstgemachtem Kartoffelsalat und Frikadellen zum Empfang zu verwöhnen. Auch wenn die Zeit knapp ist, zwischendurch bei REWE einkaufen, in der Teeküche des Verlags die Kartoffeln kochen, das muss gehen. Was sie nicht eingeplant hatte, dass Tobias noch vom Bahnhof Deutz abgeholt werden muss. Aber zu Hause angekommen hat sie noch genügend Zeit. Tobias verbringt die erste Stunde im Badezimmer, ein Luxus, den er in der WG in Freiburg nicht hat. Als sie beim Essen auf anstehenden Arbeiten zu sprechen kommen, beschwichtigt Tobias sie mit den Worten „Das kann ich übernehmen.“
Am nächsten Morgen ist alles erst mal andersherum. Tobias hat eine Zoom-Konferenz mit einer Referatsgruppe und benötigt anschließend ihr Auto, da er irgendwo in Leverkusen einen wichtigen Ebay-Kauf abholen muss. Sie nutzt die Zeit zu Hause, nimmt schon mal Gardinen und Bilder ab und beginnt Sachen aus den Regalen einzupacken. Sie hat kurzentschlossen, auf Raten ihres Sohnes, die Arbeit vom Vormittag im Verlag an die neue Volontärin abgeben, auch wenn sie ahnt, dass sie nachmittags das Meiste selber noch mal durcharbeiten muss. Tobias will sie am Abend mit einer selbstgemachten Lasagne verwöhnen. Was er dafür braucht, schickt er ihr per WhatsApp, da sie den REWE um die Ecke hat, und er nachmittags noch seinen alten Schulfreund Bernie trifft. Der kann nicht zum Klassentreffen kommen, weil er seinen Eltern beim Umzug helfen muss.
Warum Tobias allerdings kurz vorher noch Kartons von früher aus dem Keller holen musste und diese in ihrem Arbeitszimmer ausbreitet, versteht sie allerdings nicht. Gerade jetzt, wo nächste Woche die Handwerker kommen. Natürlich verspricht er alles wieder wegzuräumen. Aber dann sieht sie die Aufschriften der Kartons: Oxfam, Kleidercontainer, Bücherbox, Wertstoffhof, und „Bitte zu mir nach Freiburg schicken“. Sie legt die eingekauften Sachen auf den Tisch, als das Handy die Nachricht übermittelt: „Werde mit Bernie noch einen Bummel durch die Altstadt machen, warte mit der Lasagne nicht auf mich.“
Da Tobias abends auf dem Klassentreffen ist und noch einiges fürs Buffet vorbereiten muss, ist sie nicht gefordert. Als sie dann gegen 18 Uhr nach Hause kommt, sieht das allerdings anders aus. Sie findet ein kleines Zettelchens. „Sorry, ich bin spät dran und musste schnell los:“ Das Zettelchen ist mit unzähligen kleinen Herzchen vollgekritzelt. Die Küche ist in einem ähnlich vollen Zustand. Nach einer Stunde hat sie alles einigermaßen sauber und deckt schon mal den Frühstückstisch für den nächsten Tag, um dann am nächsten Morgen ein Zettelchen zu lesen, diesmal ohne Herzchen: „Ich muss ausschlafen, es ist spät ziemlich geworden.“
Sie macht sich schnell einen Kaffee, beißt in einen Toast und fährt noch mal in den Verlag. Ein Anruf am Mittag verrät, dass Tobias wieder unterwegs ist. Er will noch seiner Exfreundin aus Abiturzeiten beim Einkauf und Transport von Ikea helfen.
Ob er wohl heute Nacht nach Hause kommt?, überlegt sie kurz. Oder mal wieder alles andersrum macht, kurze Wiederbelebung der Beziehung zur Exfreundin? Sie wird keinen Sonntagsfrühstückstisch decken.
Texte zum Alltäglichen -
der wöchentliche Schreibblog
Mal andersherum
WIE
Die nächsten Wochen könnten recht anstrengend werden. Nicht nur, dass nächste Woche im Haus Renovierungsarbeiten anstehen, auch die neue Präsentation im Verlag verlangt vollen Einsatz. Das macht ihr weiterhin Spaß und sieht vielversprechend aus, wie sie es kräftemäßig schaffen soll, weiß sie noch nicht.
Gerade hat sie ein Telefonat mit ihrem Sohn Tobias beendet, der sich aus Freiburg für einen Besuch angekündigt hat. Seit dem Jahr, in dem er in Freiburg studiert, haben sie sich nicht gesehen. Sein Besuch jetzt kommt etwas unpassend. Tobias hat allerdings mehrfach betont, dass er ihr bei allen möglichen Dingen übers Wochenende helfen könne. Schließlich habe er nur einen Termin, das Klassentreffen, und ansonsten Zeit.
Sie lässt es sich nicht nehmen, ihn mit selbstgemachtem Kartoffelsalat und Frikadellen zum Empfang zu verwöhnen. Auch wenn die Zeit knapp ist, zwischendurch bei REWE einkaufen, in der Teeküche des Verlags die Kartoffeln kochen, das muss gehen. Was sie nicht eingeplant hatte, dass Tobias noch vom Bahnhof Deutz abgeholt werden muss. Aber zu Hause angekommen hat sie noch genügend Zeit. Tobias verbringt die erste Stunde im Badezimmer, ein Luxus, den er in der WG in Freiburg nicht hat. Als sie beim Essen auf anstehenden Arbeiten zu sprechen kommen, beschwichtigt Tobias sie mit den Worten „Das kann ich übernehmen.“
Am nächsten Morgen ist alles erst mal andersherum. Tobias hat eine Zoom-Konferenz mit einer Referatsgruppe und benötigt anschließend ihr Auto, da er irgendwo in Leverkusen einen wichtigen Ebay-Kauf abholen muss. Sie nutzt die Zeit zu Hause, nimmt schon mal Gardinen und Bilder ab und beginnt Sachen aus den Regalen einzupacken. Sie hat kurzentschlossen, auf Raten ihres Sohnes, die Arbeit vom Vormittag im Verlag an die neue Volontärin abgeben, auch wenn sie ahnt, dass sie nachmittags das Meiste selber noch mal durcharbeiten muss. Tobias will sie am Abend mit einer selbstgemachten Lasagne verwöhnen. Was er dafür braucht, schickt er ihr per WhatsApp, da sie den REWE um die Ecke hat, und er nachmittags noch seinen alten Schulfreund Bernie trifft. Der kann nicht zum Klassentreffen kommen, weil er seinen Eltern beim Umzug helfen muss.
Warum Tobias allerdings kurz vorher noch Kartons von früher aus dem Keller holen musste und diese in ihrem Arbeitszimmer ausbreitet, versteht sie allerdings nicht. Gerade jetzt, wo nächste Woche die Handwerker kommen. Natürlich verspricht er alles wieder wegzuräumen. Aber dann sieht sie die Aufschriften der Kartons: Oxfam, Kleidercontainer, Bücherbox, Wertstoffhof, und „Bitte zu mir nach Freiburg schicken“. Sie legt die eingekauften Sachen auf den Tisch, als das Handy die Nachricht übermittelt: „Werde mit Bernie noch einen Bummel durch die Altstadt machen, warte mit der Lasagne nicht auf mich.“
Da Tobias abends auf dem Klassentreffen ist und noch einiges fürs Buffet vorbereiten muss, ist sie nicht gefordert. Als sie dann gegen 18 Uhr nach Hause kommt, sieht das allerdings anders aus. Sie findet ein kleines Zettelchens. „Sorry, ich bin spät dran und musste schnell los:“ Das Zettelchen ist mit unzähligen kleinen Herzchen vollgekritzelt. Die Küche ist in einem ähnlich vollen Zustand. Nach einer Stunde hat sie alles einigermaßen sauber und deckt schon mal den Frühstückstisch für den nächsten Tag, um dann am nächsten Morgen ein Zettelchen zu lesen, diesmal ohne Herzchen: „Ich muss ausschlafen, es ist spät ziemlich geworden.“
Sie macht sich schnell einen Kaffee, beißt in einen Toast und fährt noch mal in den Verlag. Ein Anruf am Mittag verrät, dass Tobias wieder unterwegs ist. Er will noch seiner Exfreundin aus Abiturzeiten beim Einkauf und Transport von Ikea helfen.
Ob er wohl heute Nacht nach Hause kommt?, überlegt sie kurz. Oder mal wieder alles andersrum macht, kurze Wiederbelebung der Beziehung zur Exfreundin? Sie wird keinen Sonntagsfrühstückstisch decken.